Ehepaar mit Enkeln in der S-Bahn

Von Heidelberg bis Eberbach eingesperrt

Keine Zwischenstopps wegen zu großer Verspätung - "Wir haben uns ausgeliefert und gedemütigt gefühlt"

12.01.2018 UPDATE: 13.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

Ein Zug der S-Bahn-Linie 1 steht abfahrbereit im Heidelberger Hauptbahnhof. Fotos: Peter Dorn

Von Stefan Hagen

Heidelberg/Eberbach. Familie Benninger aus Heidelberg und die Deutsche Bahn werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Das Verhältnis ist - diplomatisch ausgedrückt - zutiefst zerrüttet. Auslöser der schweren Verstimmung war ein Ereignis vom vergangenen Sonntag. Das Unheil beginnt an diesem Tag exakt um 16.15 Uhr.

Zu diesem Zeitpunkt fährt gerade der ICE aus Kassel in den Heidelberger Bahnhof ein - mit an Bord sind Ulrike und Christian Benninger sowie ihre beiden Enkel. Der Ausflug ist damit fast beendet, nun muss man nur noch in eine S-Bahn steigen, die die Familie zum Haltepunkt "Heidelberg Weststadt/Südstadt" bringt, schon ist man quasi zu Hause. Eine Routineangelegenheit sollte man meinen, doch weit gefehlt: Den Benningers steht eine wahre Odyssee bevor.

Zunächst ist man noch erfreut, dass die S 1 in Richtung Osterburken mit reichlich Verspätung in Heidelberg ankommt. "’Prima, dann kann es ja gleich weitergehen’, haben wir gedacht", sagt Ulrike Benninger. Gut gelaunt steigt man also in den Zug, doch schon bald verfinstern sich die Mienen: Nach dem Verlassen des Bahnhofs sei plötzlich die Durchsage gekommen, dass der Zug wegen der großen Verspätung erst wieder in Eberbach halten werde, erzählt Ulrike Benninger. Sofort habe es lautstarke Proteste gegeben - auch von zahlreichen anderen Fahrgästen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Enkelkind der Benningers blind und chronisch krank ist und dringend nach Hause musste, um dort versorgt zu werden. "Ein anderer Fahrgast saß im Rollstuhl, der wollte eigentlich in Neckargemünd aussteigen", berichtetet Christian Benninger. All diese Einwände habe der Zugführer einfach beiseite gewischt, und die S-Bahn sei tatsächlich bis Eberbach durchgefahren.

Auch interessant
Probleme im Regionalverkehr: Bahn will in Baden-Württemberg mehr Personal und Züge einsetzen
Sechs-Monats-Bilanz: Weniger Verspätungen bei der Bahn

Dort angekommen, geht der Ärger unvermindert weiter. Um wieder zurück nach Heidelberg fahren zu können, habe man die Gleise wechseln müssen, sagt Ulrike Benninger der RNZ. Zu allem Überfluss streikt an diesem Tag auch noch der Aufzug. Ein großes Problem für die Benningers - deren Enkel in einem Behindertenkinderwagen sitzt - und den Rollstuhlfahrer aus Neckargemünd.

"Unter großen Mühen haben wir schließlich den schweren Kinderwagen, die Kinder und das Gepäck über die Treppe auf die andere Seite geschleppt", ärgert sich Christian Benninger auch noch Tage danach. Hilfsbereite Fahrgäste hätten dann dem Rollstuhlfahrer geholfen. "Ohne diese freundlichen Menschen wäre er gar nicht hinauf gekommen", ergänzt Ulrike Benninger.

"Wir haben uns ausgeliefert und gedemütigt gefühlt", fassen die Benningers die Ereignisse zusammen. "Warum wurde in Heidelberg nicht durchgesagt, dass der Zug erst in Eberbach hält? Dann hätten wir doch eine andere Bahn genommen", lässt Ulrike Benninger ihrem Ärger freien lauf.

Die Bahn erzählt derweil eine etwas andere Version der Dinge. Die betroffenen S-Bahn hätte eigentlich planmäßig um 15.55 Uhr in Heidelberg abfahren sollen, betonte ein Sprecher der Bahn in Stuttgart gegenüber der RNZ. Tatsächlich habe der Zug den Bahnhof aber erst um circa 16.20 Uhr verlassen.

Aufgrund dieser großen Verspätung und als Maßnahme zur Pünktlichkeitssteuerung im weiteren Zugverlauf dieser S 1 und aller Folge-S-Bahnen habe die Transportleitung Ludwigshafen entschieden, die Unterwegshalte zwischen Heidelberg Hauptbahnhof und Eberbach sowie Eberbach und Mosbach-Neckarelz bei der betreffenden S-Bahn entfallen zu lassen.

Und jetzt kommt der Knackpunkt: Dies sei umgehend in die Systeme zur Reisendeninformation eingepflegt worden, sagte der Bahnsprecher. Dabei habe man Fahrgäste mit Ziel der nicht bedienten Halte auch auf eine alternative Reiseverbindung hingewiesen. "Nach unseren Recherchen haben die optischen Fahrgastinformationssyteme im Fahrzeug und am Bahnsteig den Entfall der Halte zwischen Heidelberg Hauptbahnhof und Eberbach sowie Eberbach und Mosbach-Neckarelz vor der Abfahrt angezeigt", betonte der Bahnsprecher.

Die Information zum Ausfall der Unterwegsbahnhöfe und auch die Alternative sei - vor der verspäteten Einfahrt und während die S-Bahn in Heidelberg gestanden habe - mehrfach am Bahnsteig ausgerufen worden. "Uns liegen keine Informationen vor, dass zu diesem Zeitpunkt die Lautsprecheranlage am Bahnsteig nicht funktioniert hat."

Man habe sich zudem rückversichert. So habe das Service-Personal im Hauptbahnhof bestätigt, dass die Information über den Ausfall der Halte auch optisch in der Fahrgastinformationsanlage am Bahnsteig veröffentlicht worden sei. Auch der Triebfahrzeugführer der verspäteten S-Bahn sei persönlich durch die Transportleitung über den Haltausfall informiert worden und habe Ansagen im Zug durchgeführt. Aber man bedauere natürlich sehr die entstandenen Unannehmlichkeiten für die Reisenden.

Für Ulrike Benninger ist dies allerdings nur ein sehr schwacher Trost. Sie kontert die Aussagen des Bahnsprechers mit dem Hinweis, dass 15 bis 20 Personen nach Eberbach mitfahren mussten, von denen niemand eine Lautsprecherdurchsage am Bahnsteig gehört habe. Und der Zugführer habe den Wegfall der Halte definitiv erst nach Abfahrt der S-Bahn angekündigt.

Auf der Anzeigetafel sei lediglich eine Information zur Verspätung des Zuges und später der Ausfall der Halte Heidelberg-Altstadt und Hirschhorn zu sehen gewesen. Und zu dieser Aussage stehe sie ...

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.