Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Militär und Naturschutz ohne Donnergrollen unter einen Hut zu bekommen, klingt wie die Quadratur des Kreises: Ausgeschlossen. Wenn die Sturmpanzer rollen, Granaten explodieren und Maschinengewehrsalven knallen, müssten eigentlich alle Tiere panikartig Reißaus nehmen. Doch eine Fachtagung in Mannheim belegt das Gegenteil. Der Trick dabei: Es kommt auf die Dosierung der kriegsähnlichen Zustände in Feld und Wald an.
Wie Gunther Brinkmann vom Bundesforst und Jürgen Gehb von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben einmütig feststellten, lege die zuständigen Behörden größten Wert auf die Einhaltung der Brut- und Setzzeiten jener Tiere, die auf Übungsplätzen beheimatet seien. Zu diesem Zweck werde ein Masterplan erstellt, welches Teilareal der "Kampfgebiete" zu welcher Zeit für ein Gefechtstraining freigegeben wird.
Vier Tage lang zerbrachen sich 140 Experten aus 17 Ländern ihre Köpfe, wie auf Truppenübungsplätzen künftig verstärkt darauf geachtet werden kann, Fauna und Flora zu schonen. Ein Fazit des alljährlichen Treffens: Deutschlands Truppenübungsplätze sind vorbildlich, was Rücksichtnahme auf den Naturschutz anbelangt. "In diesem Dingen können wir manchen Nachbarländern noch hilfreiche Tipps geben", glaubt Gehb. Das Meeting in der Mannheimer Bundesakademie für Wehrverwaltung, bei der auch die Truppenübungsplätze Baumholder und Rammstein inspiziert wurden, helfe, internationale Netzwerke zu knüpfen, um einheitlich Standards zu schaffen.
Aktuell und früher militärisch genutzte Flächen können in der Tat wertvolle Naturgebiete sein. Der heute anerkannt hohe Wert der militärischen Übungsplätze für den Biotop- und Artenschutz ist nämlich gerade als eine Folge des jahrzehntelangen Übungsbetriebes und des damit verbundenen Landschaftsmanagements entstanden. Auf den Übungsplätzen gab es keine wirtschaftliche Nutzung und deshalb keine Flurbereinigung, bei der Hecken, Feldraine und andere wertvolle Landschaftselemente verschwanden. Ebenso gab und gibt es keine großflächigen Bodenversiegelungen, und es wurden und werden dort keine Biozide eingesetzt.
Während in der Landwirtschaft nahezu flächendeckend mit hohen Düngermengen gearbeitet wird, sind auf den militärischen Übungsplätzen durch ihre oft lange Bestandstradition einmalige Landschaften ohne Mineraldüngung mit hoher biologischer Vielfalt und zahlreichen konkurrenzschwachen Arten erhalten geblieben. Lediglich bei der Renaturierung von Flächen wird kleinflächig schwach gedüngt. Die Übungsplätze sind zudem großflächig durch Freizeit und Erholung nicht oder kaum genutzte Bereiche, so dass sich gegenüber Störungen besonders anfällige Arten halten oder sogar wieder ansiedeln konnten.
Derzeit werden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland 20 Truppenübungsplätze und 184 Standortübungsplätze durch die Bundeswehr betrieben. Die durchschnittliche Fläche Truppenübungsplätze beträgt 7000 Hektar. Alle zusammen nehmen ein Areal von 400 000 Hektar ein. Kein anderes Land in Europa erreichte diesen Wert. Insgesamt sind mehr als 50 Prozent der Übungsplatzfläche in Deutschland als Schutzgebiete gemeldet. Dazu kommen weitere von den Gaststreitkräften genutzte Übungsplätze.
Seit Anfang der 90-er Jahre werden auf Bundeswehrübungsplätzen flächendeckende Biotopkartierungen in Anlehnung an die jeweiligen Länderkartierungsstandards durchgeführt. Erfassungen und Bewertungen nach den Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Kartierung von Lebensraumtypen und Arten gehören ebenfalls zum Standardverfahren der Bundeswehr