"Das Produkt auf dem Teller ist der Star"

Ketsch. Wie sich Tommy R. Möbius von der "Ente" in Ketsch seinen Michelin-Stern erkochte

08.01.2012 UPDATE: 08.01.2012 08:13 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Von Rolf Kienle

Ketsch. Eine gute Ausbildung, Fleiß und Kreativität - das sind die Zutaten, um als Koch in den berühmten Sternen-Himmel aufgenommen zu werden. Das soll schon alles sein? Fragt man Tommy R. Möbius, der einen begehrten Stern für die "Ente" in Ketsch erkochte, reicht das angeblich bereits aus.

Aber der Mann stapelt womöglich tief. Möbius, dem man nachsagen kann, dass er seine Ziele ausgesprochen geradlinig und konsequent verfolgt, weiß, wie es funktioniert, diese hohe Auszeichnung zu bekommen. Zweimal ist es ihm zuvor gelungen. Eine Überraschung war es dennoch, dass ihm der Stern nach der relativ kurzen Zeit eines knappen halben Jahres wieder zugeflogen kam.

Im Juli vergangenen Jahres erst nahm der 36-Jährige seine Arbeit in der "Ente" auf, im Dezember erteilte ihm der Michelin-Führer den Stern. Er habe zwar darauf gehofft, gibt er zu, weil er "wie in Wien kochte" und auch die entsprechende hohe Leistung brachte, aber dass es derart schnell gehen würde, konnte er nicht ahnen.

Dort, in Wien, galt er als Star unter den Köchen der Stadt. Das Restaurant Bauer im ältesten Teil der Stadt war bis zu seinem Weggang die Nummer zwei in Wien und unter den Top 10 in Österreich. 2004 ernannte ihn Gault Millau zum Newcomer des Jahres, 2009 war er für einen Restaurantführer "kreativster Koch Österreichs". Und eigentlich sah nichts danach aus, als ob Tommy R. Möbius sein Wien jemals verlassen würde. Fünf Jahre verteidigte er den Stern und 17 Punkte. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, aus Wien wegzugehen", sagt er.

Und doch hatte er irgendwann das Gefühl, dass er viel erreicht hat und nicht mehr viel kommen werde. Da war er 35 Jahre alt. Und entschlossen, Neuland zu betreten. Sein Weg führte ihn nach Ketsch, wo er Familie Keppel schon lange kannte, die Inhaber des Seehotels und des Restaurants "Ente".

Tommy R. Möbius wuchs in Leipzig mit einem Begriff auf, der sich aus der DDR-Zeit in die Nach-Wende-Zeit gerettet hat, der Sättigungsbeilage. Damit hatte seine Auffassung von Kochen schon vom ersten Tag seiner Lehrzeit nichts mehr zu tun. Möbius floh mit seinem Vater fast parallel zur Grenzöffnung in den Westen.

Er lernte in einem "kleinen, aber feinen Restaurant" in der Nähe von Köln, wo ihm der Chef des Hauses früh einpleute, dass "das Produkt der Star auf dem Teller sein muss." Der Quantensprung kam beim Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler auf Schloss Bensberg. "Er ist für mich der größte Koch Europas". Bei ihm lernte er neue Techniken und neue Produkte kennen und vor allem "die Erbarmungslosigkeit der wirklichen Spitzengastronomie kennen." Wissler gibt bis heute die Schlagzahl für Möbius vor. Lehr- und Wanderjahre führten Möbius zu Martin Scharff in die Wartenberger Mühle und zu Armin Karrer nach Stuttgart, jeweils Sterne-Köche.

Dann ging's direkt nach Wien, wo er Patron Giacobello alsbald einen Stern erkochte und schließlich ins Restaurant Bauer, das ihm die Freiheit gab, "mich hundertprozentig mit meinen Ideen verwirklichen zu können." Ergebnis: Ein Stern und 17 Punkte. Stolz verteidigte er den Lorbeer, denn das "Bauer" war unter den Besten Österreichs.

In Ketsch musste er über das Angebot der ambitionierten Familie Keppel nicht lange nachdenken: "Anderthalb Wochen habe ich überlegt." Er wusste, was die Inhaber wollen und wo das Potenzial liegt. Möbius krempelte viel um, brachte drei Leute mit und fing im Juli an. Die Speisekarte veränderte mit Schwung ihr Gesicht; das Risiko, dass die bisherigen Gäste damit nicht klarkamen, nahmen Inhaber und Küchenchef in Kauf.

Statt der gewohnten umfangreichen Karte gab es plötzlich eine Karte mit lediglich zwei siebengängigen Menüs. Das funktioniert, wie sich zeigte. Die Gäste machen es mit, und der Michelin-Stern ist die Bestätigung. "Es sind Dinge auf der Karte, die gehen wie Bolle."

Sonntags und montags stehen deutsch-regionale Gerichte auf der Karte, darunter gelegentlich auch das Lieblingsgericht von Tommy R. Möbius: "Rinderrouladen so, wie sie meine Mutter macht." Sie war Küchenmeisterin in Leipzig. Es gibt Dinge, sagt er, die kann nur eine Mutter gut kochen.

Was muss ein Koch denn nun können, wenn er in der Oberliga mitspielen will? Fleißig sein, Disziplin und Leistung zeigen, ja, und natürlich kreativ sein. Man müsse mit der Zeit gehen, dürfe sich aber nicht verhudeln. Zum Beispiel müsse man die Molekularküche beobachten, für sich etwas aussuchen, aber nicht auf den Modetrend aufspringen.

Und man müsse konsequent seinen Stil entwickeln. Er gehört außerdem zu jenem Menschenschlag, der nicht gern lange in der zweiten Reihe steht. "Ich wollte vorn stehen."

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