Von Selma Badawi
Dossenheim. Auf dem Neuberg weht ein anderer Wind. Es ist der Duft von Kaffee. Andreas Schmitt und Gregor Reithner sind gerade am Rösten. Von außen ist ihre Kaffeemanufaktur kaum erkennbar. Nur ein Schild über dem Eingang des weißen Bungalows vor dem Eingang zum Dossenheimer Steinbruch verrät, was dort hergestellt und serviert wird. Täglich frisch und immer selbst, so röstet das Duo von "Beans of Joy" seinen Kaffee.
Andreas Schmitt gründete die Manufaktur vor acht Jahren. In dem Häuschen, das zu der ehemaligen Lkw-Wiege-Fläche auf dem Neuberg gehört, fühlt er sich heimisch. Die Gäste lieben das familiäre, scheinbar provisorisch gestaltete Ambiente: Die Röstmaschine ist hinter der Theke auszumachen, auf den Wandregalen stapeln sich Werkzeuge und Souvenirs und die Sessel um den Kamin sind bunt zusammengewürfelt.
Bis Andreas Schmitt und sein Partner Gregor Reithner sich 2016 in Dossenheim einrichteten, brauchte es viel Schweiß und Geduld: Mehrere Standortwechsel, etliche Gänge zu den Ämtern, Eintreiben von Kapital und Ausbleiben von Urlaub. Doch Andreas bereut nichts. Seit langem hatte er das Bedürfnis nach einem erfüllenden Job. Heute ist der ehemalige Ingenieur glücklicher denn je.
Zu diesem Punkt kam der 44-Jährige über viele Umwege: "Kaffee war lange mein Hobby. Dann bin ich ein Jahr lang mit dem Motorrad von Südamerika nach Nordamerika gefahren. Unterwegs kam ich an einer Kaffeeplantage in Guatemala vorbei und habe das erste Mal Rohkaffee gesehen." Beim Anblick der Pflanzen und der frischen Rohbohnen kam eine Frage in Andreas Schmitt auf: Könnte ich das selbst so rösten?
Das war 2007. Als er zurückkam, wollte er darauf eine Antwort finden. Mit dem Buch "Kaffee zu Hause rösten" und einem umgebauten Popcornröster probierte er es. Der erste "Shot" Rohkaffee wurde kohlschwarz. Der zweite Versuch wurde aber ein Erfolg. Für Andreas Schmitt war das der Glücksmoment, der seinen weiteren Weg bestimmen sollte. Er begann mit dem Gedanken eines eigenen Cafés zu spielen. Zwar war er nebenbei schon lange in einer Sterneküche tätig, doch er wollte sein eigenes "Baby" großziehen.
2011 machte sich Schmitt selbständig. "Ich hätte nicht gedacht, wie aufwendig es ist, professionell zu Rösten und mit wie vielen Hürden man zu kämpfen hat." Schmitt brauchte einen Platz, er brauchte Startkapital und viele Genehmigungen. Warum der Gründer sich für das Plätzchen auf dem Neuberg entschied? Er suchte einen Ort, an dem er niemanden mit seinem Rauch störte. Damit es nicht riecht, müsse man in der Stadt mit Filteranlagen arbeiten, erklärt er. Das kam für ihn anfangs finanziell nicht in Frage.
Doch das Problem räumte Schmitt aus dem Weg, als er vor drei Jahren die Hütte auf dem Neuberg ergatterte. Sie stand damals kurz davor, abgerissen zu werden. Er musste sich beeilen, um das romantische Häuschen im Grünen zu retten. Das Engagement für seinen Betrieb wird dem Röster nie zu viel. Die Liebe zum Kaffee und das Bedürfnis nach Freiheit treiben ihn an. Er ist sein eigener Chef und darf sich bei jedem Cappuccino verkünsteln.
Sein heutiger Partner entfloh ebenfalls dem grauen Alltag. Die beiden lernten sich 2016 kennen, als Gregor Reithner auf dem Weihnachtsmarkt eine Kaffeemühle bei "Beans of Joy" kaufte. Ein Barista-Seminar und ein paar Aushilfsschichten später, entdeckte Reithner seine neue Leidenschaft. Bald zog der Doktor der Biologie die Genuss bringende Arbeit seiner Stelle an der Uni vor. Heute ist er Partner.
Kaffeeröster Beans of Joy - die FotogalerieDas Rösten hat der 36-Jährige nach und nach von Schmitt gelernt. Mittlerweile hat meistens Reithner die Hände an der Röstmaschine. Auch wenn die beiden kaum einen Tag freihaben, sind sie ihrer Beschäftigung nie überdrüssig.
Bei "Beans of Joy" ist die Stimmung heiter, auch wenn Regenwetter das Rösten erschwert. Die Bohnen verhalten sich an solchen Tagen anders in der Maschine. Außentemperatur und Luftfeuchtigkeit müssen dann bei der Arbeit miteinkalkuliert werden. Schwierig, aber nicht unmöglich. Die beiden Röster halten auch bei schwierigen Bedingungen an ihrem Anspruch fest: Den besten und freundlichsten Kaffee für Kunden und Mitarbeiter zu machen.
Das wissen nicht nur die Dossenheimer zu schätzen. Der einstige Geheimtipp "Neuberg 10" ist mittlerweile in der ganzen Region bekannt. Werbung muss "Beans of Joy" heute kaum noch machen. Die Kaffee-Liebhaber pilgern gerne den steilen, kurvigen Hang hoch. Heidelberger, die den Weg nach Dossenheim scheuen, können das Röster-Duo auf dem Wilhelmsplatz in der Heidelberger Weststadt treffen. Samstags von 10 bis 14 Uhr sind sie mit ihrem rosa Verkaufsmobil auf dem Markt.
In Zukunft könnte es auch einen Laden in Heidelberg geben. Andreas Schmitt hatte dort schon mal ein Geschäft. Er weiß, dass die Nachfrage nach gutem Kaffee groß ist. Das gibt ihm heute Sicherheit.
Früher fragten Leute ihn, warum man denn noch ein weiteren Röster brauche, der teuren Kaffee macht. Schmitt antwortete da immer: "Man muss die Tasse einfach probieren." Seine Überzeugung war stets, dass sein Kaffee den Leuten so gut schmecken wird, dass sie wieder kommen werden. Heute zeigt die treue Kundschaft, dass seine Rechnung aufging. Ob es am Duft lag, der vom Neuberg her weht, weiß der Röster nicht. Aber er bestätigt: "Es hat sich tatsächlich rumgeschmeckt."