Weihnachtsbaumabholung

Der letzte Weg führt in die Mannheimer Müllpresse

Mitarbeiter der Abfallwirtschaft Mannheim sammeln die Weihnachtsbäume ein – Über eine Woche dauert die Aktion

15.01.2018 UPDATE: 16.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Lassen sich weder von Eiseskälte noch von den spitzen Tannennadeln aus der Ruhe bringen: die Müllwerker Roberto Delagusta (von links), Danilo Votaro und Berufskraftfahrer Luigi Brock. Foto: Gerold

Von Jan Millenet

Mannheim. Sie sind sozusagen die letzten Engel der vergangenen Weihnachtszeit. Ohne Flügel, dafür aber in knalligem Orange. Die Müllwerker und Berufskraftfahrer der Stadt Mannheim, die die ausgedienten Weihnachtsbäume einsammeln und damit auch das sichtbare Ende der heiligen Zeit einläuten, haben in Mannheim einiges zu tun. Über eine Woche waren sie unterwegs, um die Bürger von den grünen Gesellen mit den vielen Nadeln zu befreien, bevor sie diese in der Wohnung verlieren. Ein Knochenjob, der manchmal sogar zu brenzligen Situationen führt.

Seit 6.45 Uhr sind Luigi Brock, Danilo Votadoro und Roberto Delagusta schon unterwegs. Ihr Einsatzgebiet ist der Stadtteil Lindenhof. Es weht ein eisiges Lüftchen. Wenigstens regnet es nicht. Nur Luigi Brock darf ständig im gut beheizten Auto sitzen, denn er steuert es. "Ich bin kein Müllwerker, sondern Berufskraftfahrer", erklärt er. "Die Jungs haben heute früh schon ganz schön gezittert", sagt er lächelnd, aber nicht schadenfroh, während er seine beiden Kollegen, die wiederum Müllwerker sind, durch die Rückspiegel und -kamera des Müllautos ganz genau beobachtet. Er kontrolliert sie nicht, sondern passt höllisch darauf auf, sie nicht mit dem orangenen Laster zu verletzten.

Votadoro und Delagusta steigen nur selten zu ihm in die Fahrerkabine, laufen meistens neben dem Wagen her oder stellen sich auf die beiden Trittbretter des Fahrzeugs. Ganz hinten, dort wo der riesige Schlund immer wieder die teilweise schon eher bräunlich anmutenden Tannenbäume erst zerquetscht, dann genüsslich verschlingt. Der 25-jährige Danilo Votadoro und sein 43-jähriger Kollege Delagusta füttern das unersättliche Monster fast pausenlos. Sie sind dick eingepackt, bewegen sich viel und bemerken dennoch die kühlen Temperaturen. "Ist das kalt heute", sagt Delagusta, der mal kurz zusteigt.

"Die Innenstadt ist brutal", erzählt Brock von seinen Touren der letzten Woche. Während der tonnenschwere und etwa zwei Meter breite Brummer im Lindenhof kaum Probleme hat, sich durch die recht breiten Straßen zu schlängeln, sei es in der Innenstadt manchmal sehr eng. "Außerdem sind dort viele Menschen unterwegs. Man muss auf sehr viel achten. Das strengt an", sagt der Fahrer. Immer wieder bremst er, wenn er einen Baum am Straßenrand entdeckt, oder wenn ein schrilles Signal ertönt, das seine Kollegen von hinten auslösen können, wenn er einen übersehen hat. Die Jungs brauchen Adleraugen. Manche scheinen ihre alten Bäume regelrecht zu verstecken, legen sie nicht - wie eigentlich von der Stadt erbeten - gut sichtbar an den Straßenrand. "Doch wenn wir einen Baum übersehen, kommen gleich die Beschwerden", erklärt Brock und aktiviert per Knopfdruck die Presse im Fahrzeugbauch.

Um keinen Weihnachtsbaum zu verpassen und seine beiden Kollegen nicht abzuhängen, schleicht der 50-Jährige im Schneckentempo durch die Straßen, hält immer wieder an. Das bringt manche Autofahrer, die nicht überholen können, zur Weißglut. "Viele sind sehr aggressiv. Das ist schlimmer geworden", bestätigt Brock. Der gelernte Dachdecker hat schon 25 Jahre als Fahrer auf dem Buckel und dabei öfter Unschönes erlebt. "Mir wurden schon Schläge angedroht, Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Ich wurde auch schon mit der Pistole bedroht. Und einer wollte mich aus dem Auto zerren." Doch das passiere eher auf den Sperrmüll-Touren, wenn die Müllkolonnen länger Halt machen müssen, um einzuladen. Heute sieht er das eher gelassen. Man lerne sogar in Kursen, nicht darauf zu reagieren und ruhig zu bleiben. "Mit dem Alter wurde ich geduldiger", fügt er hinzu. Hinten rumpelt es derweil immer wieder, wenn die beiden Lader neues Futter anliefern.

Rund 800 Bäume, schätzt Brock, sammeln er und seine Kollegen pro Tour ein. Ein Exemplar wiegt im Schnitt 15 Kilo. Die Christbaumsammlung verlaufe recht ruhig, die Bäume seien zügig eingesammelt. Dennoch habe sich einiges im Lauf der Jahre verändert, sagt er. "Früher hatte man mit den Menschen getratscht, hatte mehr Kontakt zu ihnen. Heute ist alles schnelllebiger. Das ist wirklich schade."

Info: Im Stadtgebiet werden laut Eigenbetrieb Abfallwirtschaft der Stadt Mannheim jährlich rund 1500 Tonnen an Weihnachtsbäumen eingesammelt. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 15 Kilogramm sind das circa 10.000 Tannenbäume. Diese werden an sieben Tagen eingesammelt und für die Kompostierung durch das Erdenwerk Mannheim vorbereitet. An diesen Tagen sind jeweils sechs Kolonnen unterwegs.

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