Mit den UN-Nachhaltigkeitszielen im Hintergrund hielt Oberbürgermeister Peter Kurz seine Neujahrsansprache im Rosengarten. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. "2020 ist das Jahr, in dem wir uns entscheiden sollten, wie es weitergeht!" – diesen Appell richteten die jungen Darsteller des Stücks "27 Jahre" am Dreikönigstag an die Besucher des Neujahrsempfangs im Rosengarten. Nach aktuellen Berechnungen der Forschung bleiben der Menschheit noch 27 Jahre, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und so die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die theatral-musikalische Recherche zur aktuellen Klimaforschung feiert im März Premiere im Nationaltheater. Doch nicht nur kulturell beschäftigt man sich in Mannheim mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit – das ganze städtische Leben soll darauf ausgerichtet werden. Und so stand der Neujahrsempfang 2020 unter dem Motto "Umweltbewusst leben in Mannheim".
Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) stellte passend dazu die Nachhaltigkeit ins Zentrum seiner Neujahrsansprache. Der Begriff sei in Gefahr, zum Modewort zu werden, so Kurz. Er will den Begriff nicht nur auf die Umwelt, sondern umfassend verstanden wissen: "Nachhaltigkeit bedeutet, dass sozialer Zusammenhalt, wirtschaftliche Perspektiven und Ökologie zusammengedacht werden müssen." Dreh- und Angelpunkt sei das Leitbild 2030, das der Gemeinderat 2019 verabschiedet hat. Der Oberbürgermeister fasste zusammen, welche Weichen in der Stadt in Sachen umfassende Nachhaltigkeit bereits gestellt wurden und was noch geplant ist:
> Bundesgartenschau: Durch die Gestaltung des Grünzugs und den Rückbau von 60 Hektar bebauter Fläche sei die Bundesgartenschau, die 2023 in Mannheim stattfindet, ein wichtiger Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaanpassung, betonte Kurz. Zudem sei sie eine Chance, den Blick auf die Stadt positiv zu verändern. "Die Buga hat den Anspruch, all unsere Themen der nachhaltigen Stadt stellvertretend darzustellen und als Beschleuniger zu wirken." Dabei gehe es um Ideen wie Ernährung, Artenschutz, Landwirtschaft, Gärten, Stadtgrün, Energie und Wohnen in Zukunft gestaltet werden können.
> Wissenschaft und Industrie: Firmen wie Mercedes Benz, Roche oder Fuchs Petrolub setzen laut Kurz auf möglichst klimaneutrale Produktionsprozesse. Modernisierungen in den Unternehmen werden ergänzt durch neue wissenschaftliche Einrichtungen, wie das neue Gründerzentrum für Medizintechnologie, das Zentrum für innovative Psychiatrie und Psychotherapieforschung oder das DKFZ Hector Krebsinstitut am Klinikum. Die Planungen für den Bau eines Zentrums für Energie- und Umwelttechnologie beginnen in diesem Jahr.
> Verkehr: Mannheim gehört zu den bundesweit fünf Modellstädten, in denen getestet wird, wie sich die Stickoxid-Belastung in der Luft senken lässt. Die seit Januar 2019 verbilligten Fahrkarten, die Ausweitung des Job-Tickets sowie eine verbesserte Taktung und Streckenführung im Busverkehr haben sechs Prozent mehr Fahrten generiert. Peter Kurz betonte zudem die große Bedeutung eines Mobilitätspakts für die Region mit Länderbeteiligung.
> Bahnverkehr: Bei der Frage, wie der ICE-Verkehr sichergestellt und der Güterverkehr organisiert werden kann, zeichnet sich eine für Mannheim positive Lösung ab: "Unsere Position zur Volleinbindung des Hauptbahnhofs und zur Anbindung des Rangierbahnhofs durch einen Tunnel erweist sich als technisch machbar und absehbar als betrieblich sinnvollste Lösung", berichtete der Oberbürgermeister. Die für den Norden vorgestellte Vorzugsvariante durchschneide nicht den Käfertaler Wald. Eine mit der Stadt und der Region konsensfähige Vorzugsvariante habe gute Chancen. Ab Mitte der 2020er-Jahre soll nach Planungen der Deutschen Bahn der Hauptbahnhof in den ICE-Deutschland-Takt, das heißt im halbstündigen Rhythmus, eingebunden sein.
> Wohnen: Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, lautet das Credo. Bereits im Mai 2018 hat der Gemeinderat deshalb eine Sozialquote verabschiedet, die besagt, dass bei Neubauten mit mehr als zehn Wohneinheiten 30 Prozent preisgünstig angeboten werden müssen. Die Quote findet Anwendung beim zweitgrößten Wohnbauprojekt der Stadt: am Rand des Gartenschau-Geländes Spinelli zwischen Käfertal und Feudenheim. Dort sollen 1800 Wohneinheiten entstehen. Doch auch auf dem Konversionsgelände Franklin sei ein ausgewogenes Verhältnis von preisgünstigem und frei finanziertem Wohnungsbau geglückt, sagte Kurz. Auch die Modernisierung des Bestands spielt eine gewichtige Rolle im Angebot. So hat die GBG allein im vergangenen Jahr 72 Millionen dafür investiert. Der Gemeinderat hat zudem beschlossen, einen Bodenfonds ins Leben zu rufen, der unter anderem dafür sorgen soll, "dass die Stadt ausreichend in Grunderwerb investiert."
> Öffentlicher Raum: Im April wurden die neuen Planken eingeweiht, bald sollen die Seitenstraßen folgen. Auch eine Erweiterung der autofreien Zone liegt in greifbarer Nähe: "Für die Ausweitung der Fußgängerzone besteht nun ein deutlich breiterer Konsens, hier wollen wir 2020 die nächsten Schritte festlegen", kündigte Kurz an. Die Sauberkeit und Pflege des öffentlichen Raums soll optimiert werden. "Ein neuer Bußgeldkatalog und mehr Kontrolle sind ein Ansatz", erklärte der OB. Seit Jahresbeginn sorgt der größte Eigenbetrieb der Stadt mit dem Namen Stadtraumservice für die Unterhaltung des öffentlichen Raums.