Der Stadtteil Rheinau ist bekannt wegen seines Hafens. Foto: Gerold
Von Marco Partner
Mannheim. Sie hat Gewerbe und Industrie, aber auch Wald und viel Wasser. Sie kann ihre sozialen Brennpunkte kaum kaschieren, ist aber auch für ihr sehr reges Vereinsleben bekannt. Die Rheinau markiert den südwestlichen Eingang nach Mannheim. 26.000 Menschen leben in dem Stadtbezirk, so viele wie in kaum einem anderen Quartier. Nicht nur auf den ersten Blick erscheint das Arbeiterviertel als hartes Pflaster. Schaut man aber hinter die manchmal raue Fassade, ist auch viel Herz und Hingabe bei den Bewohnern zu erkennen. "Es ist ein großer Zusammenhalt und ein sehr lebendiger Stadtteil. Ich lebe gern hier", sagt SPD-Bezirksbeiratssprecherin Ulrike Kahlert.
Seit Anfang der 1990er-Jahre wohnt die Vorsitzende des Vdk-Sozialverbands in der Rheinau. Zudem arbeitet sie in einem Kinderhort und ist somit nicht nur politisch, sondern auch sozial ganz nah dran an der Bevölkerung. Ob Kanu, Ruderer und Angler am Rheinauer Hafen, Turn-, Tennisclubs oder die TSG, aus deren Fußballabteilung einst der Edeltechniker Maurizio Gaudino hervorging: Mehr als 60 Vereine stecken in dem Bezirk. "Es gibt wirklich viele Aktivitäten, die Vereine unterstützen sich bei Festen gegenseitig", betont Kahlert, die eigentlich aus der Nähe von Dortmund stammt. Doch die Dame aus dem Ruhrgebiet fühlt sich im Mini-Pott sichtlich wohl.
Hauptstraße des Quartiers ist die Relaisstraße. Foto: GeroldDie Hauptverkehrsader ist die Relaisstraße. Dort nimmt die Linie 1 ihren Anfang und ihr Ende bei den Fahrten quer durch Mannheim. Es gibt Imbissbuden, Supermärkte, Bäcker und Friseure. Alles eher einfach gehalten. Ins Auge stechen bei einem Rundgang vor allem die Kirchen: die kegelförmige St.-Konrad-Kirche in der Doppelhaus-Siedlung Casterfeld. Oder die sehr künstlerisch gestaltete St.-Theresia-Kirche im Ortsteil Pfingstberg, welche laut dem "Baedeker"-Reiseführer zu den schönsten Gotteshäusern Deutschlands gehört. Und dennoch sind auch bei den Rheinauer Kirchen die Mitgliederzahlen rückläufig, weshalb sich einige Gemeinden zusammenschlossen.
Die Wohnstruktur ist gemischt: Es gibt Reihenhäuser im Süden und kasernenartige Wohnblocks an der Lärmschutzwand der Zuggleise. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG hat in den vergangenen Jahren viele ihrer Immobilien saniert, aber es entsteht auch neuer Wohnraum. Unter dem Bautitel "Wohnen am See" sollen in der Stengelhofstraße über 40 schicke Wohnungen sowie ein Komplex für Betreutes Wohnen entstehen und eine Kita integriert werden.
"Manche sagen, wir fallen bei der Stadt hinten runter, aber ich habe dieses Gefühl nicht", betont die SPD-Sprecherin. 2019 wurde in den barrierefreien Kompaktbahnhof investiert. Auch das Herzstück, der Marktplatz, wird gerade saniert. In der Plankstädter Straße wird ein Mehrgenerationenspielplatz entwickelt, eine Million Euro lässt sich die Stadt die Aufwertung kosten. Mit Christiane Rudic ist seit September zudem eine Quartiersmanagerin im Einsatz.
Ulrike Kahlert. Foto: GeroldGesprächspartner hat sie viele, denn soziale Institutionen sind in der Rheinau fast so stark vertreten wie das ehrenamtliche Engagement: "Familienzentrum mit Kinderbetreuung und Seniorentreff, Kinderheim, Betreutes Wohnen für junge Menschen, sozialpsychologische Beratung, offene Jugendarbeit, Nachbarschaftshaus und Lebenshilfe. Die Übergänge sind fließend", zählt Ulrike Kahlert auf. Als Freizeitangebot locken neben Vereinsvielfalt, Rhein oder den Backofen-Riedweisen auch ein Wildgehege sowie ein BMX-Parcours. Im Sommer sind das Parkschwimmbad und der Rheinauer See mit Angelzonen, Tauchbereich und Wasserskianlage sehr beliebt.
Der Rheinauer See lockt im Sommer Menschen aus der ganzen Umgebung an. Foto: Gerold"Was die tägliche Versorgung betrifft, wirkt Pfingstberg etwas isoliert, dort gibt es nur einen kleinen Laden", möchte Kahlert aber die Schattenseiten nicht verbergen. Auch beim Thema Sicherheit. "Nicht jeder fühlt sich sicher, es passiert schon mal was", sagt sie und erinnert an den SEK-Einsatz im vergangenen März, als ein Mann mit einem Luftgewehr am Fenster hantierte. Als "Schandfleck" bezeichnet die Vdk-Vorsitzende das Relaishaus in der gleichnamigen Straße. Seit einer Brandstiftung im Oktober 2015 steht die Gaststätte leer und droht zu verfallen. Der Hauptangeklagte wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das Problem: Er ist gleichzeitig der Eigentümer und steht einem städtischen Erwerb im Wege. Dabei wäre man bei der Suche nach einer neuen Polizeistation genau im Zentrum Rheinaus wohl an der richtigen Adresse. "Der Stadtteil wird von seinen Bewohnern wertgeschätzt. Wenn ein Juwelier schließt, schaut jeder, was als Nächstes kommt. Ich bin stolz auf die Rheinau, es steckt viel Herzblut drin. Langweilig wird einem nicht", betont Ulrike Kahlert.