Bei der rechten Brache auf dem Turley-Gelände an der B 38 handelt es sich um die Baufelder 4 und 5. Dort sollten eigentlich Wohnungen und Gewerbebetriebe entstehen. Was jetzt passiert, ist ungewiss. Foto: Sommer
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Dieses Geschäft schlägt derzeit hohe Wellen in Mannheim: Der Frankfurter Investor Tom Bock hat die Mehrheit von zwei Baufeldern auf der Konversionsfläche Turley in der Neckarstadt-Ost verkauft - wie bekannt wurde für 36 Millionen Euro. Die Summe ist sechsmal höher als der 2015 mit der städtischen Entwicklungsgesellschaft MWSP, die für die Konversionsflächen zuständig ist, ausgehandelte Kaufpreis von rund 6 Millionen Euro. Bock bleibt mit 15 Prozent beteiligt.
Die Transaktion ging bereits Ende 2018 über die Bühne. Im Rathaus war niemand davon unterrichtet: "Die Verwaltung und die MWSP waren in den privaten Verkauf weder einbezogen noch vollumfänglich informiert", erklärte Stadtsprecher Ralf Walther. "Weder Kaufpreis noch Eigentümerstruktur wurden gegenüber der Geschäftsführung der MWSP oder Stadt bekannt gemacht."
Der Verkaufspreis an sich - auch wenn die Wertsteigerung horrend ist - ist kein handfester Skandal, sondern ein Ergebnis der momentanen Situation am Grundstücksmarkt. Allerdings hat die Stadt bei dieser Transaktion keine gute Figur gemacht, denn in dem mit der Tom-Bock-Gruppe geschlossenen Vertrag gibt es keine - normalerweise übliche - Wertschöpfungsklausel, also die Beteiligung am Gewinn. Das bringt die Stadträte quer durch alle Fraktionen mächtig auf die Palme. "Wenn junge Familien von der Stadt Mannheim ein Grundstück kaufen, dann beinhaltet der Vertrag eine Wiederverkaufsklausel", erklärt Volker Beisel (FDP). Wer das Grundstück innerhalb von zehn Jahren verkaufe, müsse einen Beteiligungserlös an die Stadt zahlen. "Warum hat die Verwaltung dann nicht im Fall von Turley die Hand aufgehalten?"
Auch für CDU-Fraktionssprecher Claudius Kranz ist das die Gretchen-Frage: "Wieso wurde eine solche Klausel nicht aufgenommen? Oder falls sie Verhandlungen zum Opfer gefallen ist, konnte man nicht vorher ahnen, dass der Investor wahrscheinlich vorhat, die Baufelder zu verkaufen?" Jetzt müsse diesbezüglich schnell Transparenz geschaffen werden, verlangt Kranz.
Ein weiteres Problem sehen die beiden Stadträte im Informationsfluss. Für die Vermarktung der Konversionsflächen, die sich im Besitz der Stadt befinden, ist die MWSP zuständig. Über alle relevanten Aktivitäten wird zwar der Aufsichtsrat, in dem alle Fraktionen vertreten sind, informiert. Der Mannheimer Gemeinderat als Gremium bleibt meist außen vor. Lediglich wenn es um Bebauungspläne oder Geld gehe, komme man ins Spiel, bemängelt Beisel.
Im Gemeinderat sind einige Parteien vertreten, die aufgrund ihrer geringen Sitze keinen Fraktionsstatus haben - darunter die Linke, die Bürgerfraktion und die FDP. Wer nicht im Aufsichtsrat sitze, bekomme nichts mit. "Dieses Grundproblem habe ich schon früher kritisiert", merkt Beisel an. Gerüchteweise sei der "Einstieg neuer Investoren" laut Ralf Walther bekannt gewesen. Das "wurde als Chance bewertet, die festgelegten Projekte Wohnungsbau auf Baufeld 4 und Gewerbebau auf Baufeld 5 auf Basis eines städtebaulichen Wettbewerbs nun zu realisieren." Denn gerade in diesem Bereich sei die Entwicklung vor einiger Zeit ins Stocken geraten. "Der Aufsichtsrat hat sich damit zuletzt am 10. Dezember befasst", so Walther.
Einer der Stadträte im Aufsichtsrat ist Reinhold Götz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er bestätigt, dass bei der Dezember-Sitzung der Verkauf zur Sprache gekommen sei. "Allerdings waren weder Käufer noch Summe bekannt." Umso größer ist jetzt der Schock bei den Sozialdemokraten: "Dieses skrupellose Vorgehen des Investors verurteilen wir auf das Schärfste", betonte Götz. Wie Medien berichten, handelt es sich bei den Käufern um die vier Gründer des Sportwettenanbieters Tipico, die mit gleich mehreren Firmen in der Steueroase Malta registriert sind. Das bereitet der SPD zusätzliche Bauchschmerzen. "Das ist natürlich legal", betont Götz. "Wenn Personen sich ihrer Steuerpflicht entziehen, können wir das nur verurteilen, aber nicht verhindern."
Auch die Grünen sind verärgert: "Ich bin entsetzt, dass dies passieren konnte. Ein privater Besitzer versilbert, besser vergoldet, binnen weniger als vier Jahren Grundstücke. Und das in einer Zeit, in der wir alle Mühe haben, die Mieten zu bremsen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese Art von Bodenspekulation ist genau das, was wir nicht wollen", betont der wohnungspolitische Sprecher Gerhard Fontagnier.
Der Aufsichtsrat tagt am Montag, 11. März. Dann werde man "über die Entwicklung" auf dem Turley-Areal informieren, verspricht Ralf Walther.