Hirschberg/Mannheim

Ein Leben als Aufforderung zu Zivilcourage

Hirschberger Rembert Boese und Veronika Drop haben an Schwester Theodolindes 126 Seiten starker Biografie mitgearbeitet

29.08.2018 UPDATE: 30.08.2018 05:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden

Die drei Autoren bei der Vorstellung: Am Dienstag wurde das Buch "Aus der KZ-Hölle in den Einsatz für Christus und Menschenrechte" von Rembert Boese, Veronika Drop und Reiner Albert (v.l.) im Mannheimer Stadtarchiv "Marchivum" vorgestellt. Foto: Dorn

Von Volker Endres

Hirschberg/Mannheim. "Ich war froh, im KZ zu sein - da gehörte ich hin!" Ein erstaunlicher Satz einer erstaunlichen Frau: Schwester Theodolinde, geborene Katharina Katzenmaier aus Heppenheim, die bis 1937 das von den Nazis geschlossene Institut der Englischen Fräulein in Bensheim besuchte und ab 1942 seelsorgerisch tätig war.

Gemeinsam haben Reiner Albert vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung an der Uni Mannheim und die beiden Hirschberger Rembert Boese und Veronika Drop aus dem Arbeitskreis Ehemalige Synagoge Leutershausen der resoluten Ordensfrau mit dem Buch "Aus der KZ-Hölle in den Einsatz für Christus und Menschenrechte" ein Denkmal gesetzt. Schwester Theodolinde war im Jahr 2000 in Mannheim verstorben.

Ein Anruf aus Hirschberg bei Günther Saltin in Mannheim brachte den Stein ins Rollen: "Ich wollte ihn zu einem Vortrag über Alfred Delp zu uns in den Arbeitskreis einladen", erinnerte sich Boese bei der Buchvorstellung im Mannheimer Stadtarchiv "Marchivum". Saltin habe ihn auf Schwester Theodolinde gebracht, die als Heppenheimerin einen noch stärkeren lokalen Bezug zur Bergstraße hat als der Mannheimer Jesuit, der sich ebenfalls am Widerstand gegen die Nazis beteiligte.

"Sie ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie die Nationalsozialisten mit selbstständig denkenden Frauen umgegangen sind", so Boese, Spezialist für katholische Theologie. Als er sich erst einmal tiefer mit der Benediktinerin befasst hatte, war er fasziniert: "Sie gab, wie andere Widerständler auch, wichtige Impulse für die Politik der jungen Bundesrepublik." Schwester Theodolinde, Katharina Katzenmaier, sei ganz aktuell für ein Update der politischen Ethik relevant, erklärte Reiner Albert bei der Buchvorstellung stellvertretend für das Autorenteam.

126 Seiten ist das Werk stark, das Zugänge zu Leben und Wirken der Frau verschaffen soll, die am 24. April in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. Dazu gehört auch ein Geleitwort der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die Schwester Theodolinde beim 50. Jahrestag der Befreiung des KZ-Lagers Ravensbrück im Jahr 1995 persönlich kennengelernt hatte: "Ihr Lebenswerk ist eine Aufforderung: Rechtzeitig Zivilcourage zeigen, Widerstand leisten, Intoleranz, Diskriminierung, Ausgrenzung nicht zulassen und sich nicht schleichend an Verletzungen der Menschenrechte gewöhnen."

Auch Veronika Drop war von Katharina Katzenmaiers Lebensweg fasziniert. Sie hatte Saltins Vortrag vor zwei Jahren gehört. Die Künstlerin rüttelten vor allem die Bilder auf, die im KZ Ravensbrück entstanden und in der Biografie "Vom KZ ins Kloster" abgedruckt sind. "Ich habe begonnen, mich zu interessieren, und kam so auf das Pflegezentrum Maria Frieden", erzählte Drop.

In der Caritas-Einrichtung hängen im Vorraum der Kapelle Bilder eines Kreuzweges, mit dem die betagte Ordensfrau ihre Lebensgeschichte verarbeitet hat. Katzenmaiers Texte und Interpretationen stehen im Buch den Erinnerungen der Heppenheimerin gegenüber. Nicht nur deshalb sei das Werk lesenswert. "Ihr Schicksal bewegt, aber es macht zugleich Mut", erklärte der Historiker Ulrich Nieß als Leiter des Mannheimer Stadtarchivs.

Das Buch fasse beide Lebensgeschichten, die Deportation ins KZ sowie die spätere Annäherung an Gott, zusammen, so Reiner Albert. Er verwies unter anderem auf Katzenmaiers Schriftwechsel mit dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, der ihr bereits seit den Heppenheimer Schülertagen vertraut war.

Nach Boeses Ansicht handelte es sich bei Schwester Theodolinde "um eine Mischung aus Alice Schwarzer, Rosa Luxemburg und Mutter Teresa", so Albert. Sicher sei auf alle Fälle, dass sie eine spannende Biografie hinterließ. "Es lohnt sich, sich diesem Buch zu widmen", erklärte Ulrich Nieß.

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