Alternatives Wohnen in ehemaligen Turley-Kasernen

Die Gruppe "13ha Freiheit" hat das denkmalgeschützte Gebäude 472 gekauft - Wenn das Haus renoviert und bewohnbar ist, sollen dort rund 60 Menschen in 30 Mietparteien einen neuen Lebensmittelpunkt finden

05.09.2014 UPDATE: 05.09.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
Peter Neumann und Britta Schlichting haben sich für das Wohnprojekt 472 der Gruppe 13ha Freiheit entschieden. Der Fokus ihrer Gruppe liegt auf gemeinschaftlichen, selbst verwalteten Wohnformen, wie sie erklären. Foto: vaf
Von Jan Millenet

Die ehemaligen Turley Kasernen in Mannheim-Neckarstadt wandeln sich gewaltig. In Zukunft werden dort keine Soldaten mehr anzutreffen sein, sondern Senioren, Menschen aller Altersklassen, Singles, Familien, Künstler. Es entstehen Gebäude mit betreuten Wohnungen, und es lassen sich auf dem Turley Areal auch Gruppen nieder, die ganz besondere Projekte auf den Weg bringen möchten. "Alternative Wohnformen" ist vielleicht ein Überbegriff dafür. Doch was bedeutet das? Wer sind diese Menschen? Was haben sie vor? Sind das Alt-Hippies, oder einfach nur Menschen, die sich ein wenig Gemeinschaft im oftmals anonymisierten Leben wünschen?

Britta Schlichting und Peter Neumann sind zwei von ihnen. Sie haben sich für das Wohnprojekt 472 der Gruppe 13ha Freiheit entschieden. Der Fokus ihrer Gruppe liegt auf gemeinschaftlichen, selbst verwalteten Wohnformen, wie sie erklären. Vor kurzem erst haben die Mitglieder das denkmalgeschützte Gebäude 472 gekauft. Wenn das Haus renoviert und bewohnbar ist, werden dort - so die Pläne - rund 60 Menschen in 30 Mietparteien einen neuen Lebensmittelpunkt finden, das Gebäude selbst organisieren, sich gegenseitig unterstützen und respektvoll miteinander leben.

"Ich habe so ein gesellschaftliches Projekt hier vermisst", erzählt die 36-jährige Britta Schlichting. Ähnliches kennt die Sozialpädagogin von einer Freundin aus Karlsruhe. Das alternative Wohnen dort gefällt ihr. Dabei verstehen Schlichting und Neumann unter "alternativ" nicht kommunenhaft à la Uschi Obermaier und Rainer Langhans, die Bewohner der legendären Kommune 1 in West Berlin anno 1968.

"Sozialer Wohnraum mit gemeinschaftlichen Aspekten", spezifiziert der 53-jährige Mannheimer Neumann, der in der Heidelberger Stadtbücherei arbeitet. "Einzelne Wohnungen und Gemeinschaftsräume", nennt es die Sozialpädagogin. Also Raum zum Begegnen: Balkone oder Außenflächen zum Spielen oder für die Freizeitgestaltung. Wichtig ist: Die eigene Wohnung bleibt privat, die Türen müssen nicht offen stehen.

Die Menschen, die zukünftig unter dem Dach des Gebäudes 472 leben, kennen sich im Vorfeld meistens nicht, wachsen aber mit der Zeit und der Arbeit am gemeinsamen Projekt als Gruppe zusammen. Interessenten können sich bei den Organisatoren melden und in lockerer Atmosphäre aufeinandertreffen, etwa beim Grillen auf dem Gelände. "Es ist wichtig, dass wir alle einen gemeinsamen Nenner haben", so Neumann. Man müsse offen für Vielfalt, Solidarität, Toleranz und Respekt sein.

Klingt nach normaler, menschlicher Grundausstattung. Und dementsprechend sieht auch die bisherige Bewohnerzusammensetzung aus: Freischaffende, Lehrer, Sozialarbeiter, Beamte, Facharbeiter, Künstler und Studierte haben sich bereits Wohnraum gesichert. "Eine heterogene Gruppe, die durch die Interessen homogen wird", sagt der Bibliotheksangestellte. Die Altersstruktur bewegt sich, Kinder ausgenommen, zwischen 30 bis Mitte 50 Jahre.

Bedenken, dass die Gemeinschaft nicht funktioniert, haben Schlichting und Neumann nicht - oder kaum. "Gemeinschaft heißt auch Reibung. Da muss man Bock drauf haben", meint der 53-Jährige. "Aber die, die da sind, wollen zusammenleben. Ich glaube, wir bekommen das hin." Britta Schlichting fügt hinzu: "Solange wir an einem Strang ziehen." Sie selbst bezeichnet sich als krisenfest. Das haben ihr die letzten zweieinhalb Jahre intensiver Zusammenarbeit gezeigt. Die 36-Jährige ist von Anfang an dabei, gehört zu den Geschäftsführern.

Wenn alles klappt, beginnt der Umbau Ende des Jahres. Im Sommer 2015 sollen die Bewohner dann einziehen können. Peter Neumann freut sich darauf, mit seiner Frau in einer Maisonettewohnung zu leben. "Wir planen da schon richtig, wie das aussehen soll." Britta Schlichting hat sich für ein Zimmer in einer WG entschieden, die über zwei Stockwerke geht und in der Kinder und Erwachsene wohnen. "Ich richte mir das in der Fantasie schon ein", sagt sie. Doch manchmal sei das Ganze gedanklich noch ganz schön weit weg. Und noch einmal kommt Schlichtung auf die Frage zurück, was für Menschen das sind, die sich für eine solche Wohnform entscheiden: "Mich erstaunt, dass es so ganz normale Leute sind, die hier wohnen werden."

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