"Schüler machen Zeitung"

Jugendliche Reporter recherchierten beim Amtsgericht Heidelberg

"Im Namen des Volkes" lautete der Titel der Veranstaltung im Rahmen des gemeinsamen Zeitungsprojekts von Sparkasse Heidelberg und Rhein-Neckar-Zeitung

20.02.2018 UPDATE: 21.02.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden

Im Schwurgerichtssaal durften die Reporter von "Schüler machen Zeitung" vor und auf der Richterbank Platz nehmen. Mit dabei: Justizwachtmeister Wolfgang Baumann (hinten, 2. v.r.), Amtsgerichtsdirektorin Jutta Kretz (2. v.r.) und RNZ-Redakteur Holger Buchwald (r.). Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Beinahe hätte Claudia Zimmer-Odenwälder nicht zum Interviewtermin mit den Nachwuchsreportern kommen können. Denn die Richterin musste am gestrigen Dienstagnachmittag erst einmal den Haftbefehl gegen sechs Beschuldigte eröffnen. Die Männer sollen kiloweise Marihuana nach Deutschland gebracht haben, jetzt sitzen sie in unterschiedlichen Untersuchungsgefängnissen. Das war nur eine der Geschichten, die die Jungjournalisten von "Schüler machen Zeitung" gestern bei ihrer Recherche im Heidelberger Amtsgericht zu hören bekamen.

"Im Namen des Volkes" lautete der Titel der Veranstaltung im Rahmen des gemeinsamen Zeitungsprojekts von Sparkasse Heidelberg und Rhein-Neckar-Zeitung. 19 Schüler der St. Raphael-Realschule, des Kurt Lindemann-Hauses, des Kurfürst-Friedrich-, Helmholtz- und Hölderlin-Gymnasiums nahmen daran teil. Und von der Amtsgerichtsdirektorin Jutta Kretz, dem Obergerichtsvollzieher Karlheinz Brunner, Justizwachtmeister Wolfgang Baumann sowie Haftrichterin Claudia Zimmer-Odenwälder erfuhren sie, dass die Justiz viel mehr zu bieten hat, als nur Strafprozesse. Trotzdem fehlte natürlich auch dieser Aspekt nicht: Bei einer kleinen Führung durch das Gebäude durften die Schüler einmal selbst auf der Richterbank im Schwurgerichtssaal Platz nehmen. "Bis zu 60 Zuschauer passen hier in den Raum", klärte Baumann auf. Die zehn Plätze auf der Anklagebank reichten häufig nicht aus, zumal jedem Angeklagten auch ein eigener Strafverteidiger zustehe.

Die Arrestzellen wollten sich die Schüler eigentlich auch ansehen. Doch diese waren gerade mit den Häftlingen von Zimmer-Odenwälder belegt. Stattdessen demonstrierte Justizwachtmeister Baumann, wie im Saal 6 Publikum und Prozessbeteiligte mit einer Wand voneinander getrennt werden können.

"Wenn Ihr jemandem ein Fahrrad für 100 Euro verkauft, der aber nicht zahlt, könnt Ihr das von ihm einklagen" - an diesem Beispiel erläuterte Amtsgerichtsdirektorin Kretz den Schülern, was ein Zivilverfahren ist. Zugleich sei ihre Behörde aber auch für familienrechtliche Streitigkeiten zuständig. "Wenn sich zum Beispiel Eheleute scheiden lassen wollen."

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Wenn er einer Familie ein Kind wegnehmen muss, geht das Obergerichtsvollzieher Karlheinz Brunner auch nach 32 Dienstjahren an die Nieren: "Das ist etwas ganz Schlimmes." Er und seine Kollegen treten aber auch auf den Plan, wenn Einkommen von Schuldnern gepfändet werden sollen oder das Gericht die Räumung einer Wohnung oder eines Hauses anordnet. Brunners Hauptgeschäft ist das aber nicht. Vielmehr geht es meist darum, das Geld einzutreiben von Leuten, die im Internet zu viel bestellt haben und dies nicht mehr bezahlen können. Brunner: "Unsere Hauptkunden sind Amazon, Zalando und Co." Häufig gehe es auch um nicht bezahlte Handyrechnungen. "Ihr glaubt ja gar nicht, wie viele Schüler sich wegen ihres Smartphones verschulden."

Justizwachtmeister Baumann hat auch schon eine wilde Schlägerei bei Gericht erlebt, bei der sogar Polizisten verletzt wurden. Meist können er und seine Kollegen aber recht problemlos für Ordnung sorgen. Seit ein paar Jahren dürfen er und seine Kollegen auch Schlagstöcke und Pfefferspray einsetzen. Bislang war das aber noch nicht nötig. Dabei ist die Sicherheit bei Gericht ein Riesenthema. Als Jutta Kretz noch Betreuungsrichterin am Amtsgericht Sinsheim war, ging einmal einer ihrer Klienten mit einem Messer auf sie los. Als er gerade das Kabel ihres Telefonhörers durchschnitt, konnte die Richterin fliehen.

Interessante Anekdoten erzählte auch Zimmer-Odenwälder. So sei es ein neuer Trend, dass Georgier Hunderte von Rasierklingen oder Bürstenköpfe für elektrische Zahnbürsten klauten und außer Landes schafften. "Das war echt cool", meinte eine Schülerin angesichts solcher Geschichten. Sie und ihre Reporterkollegen dürfen nun eigene Artikel über den Recherchetermin schreiben.

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