Von Micha Hörnle
Grüne mögen keinen Tunnel? Stimmt nicht ganz, es kommt ganz darauf an, wo er gebaut werden soll. In Heidelberg beispielsweise freuen sich die Grünen als heftige Tunnelgegner, dass Landesverkehrsminister Winfried Hermann ihn unlängst begraben hat. Endlich werde das viele Geld, gut 145 Millionen Euro, nicht in der Erde vergraben, sondern stehe für "wirklich wichtige" Stadtaufgaben zur Verfügung. In Freiburg hingegen sehnen sich die Grünen geradezu nach dem sogenannten "Stadttunnel" für satte 320 Millionen Euro.
Man traut seinen Augen kaum, wenn man das Kommunalwahlprogramm der Freiburger Grünen liest: "Wir setzen uns für den Bau des Stadttunnels zwischen Ganter-Brauerei und Kronenbrücke ein. Durch Bündelung des oberirdisch fließenden Restverkehrs auf den südlichen Dreisamuferstraßen kann am nördlichen Ufer westlich der Schwabentorbrücke ein verkehrsberuhigter Boulevard mit direktem Zugang zur Dreisam (ein 29 Kilometer langes und wenige Meter breites Flüsschen, Anm. d. Red.) entstehen. Freiburg würde endlich eine ,Stadt am Fluss' mit neuen innenstadtnahen Freizeit- und Erholungsangeboten."
Die Grünen, die in Freiburg den Oberbürgermeister stellen, sind mit ihrem teuren Tunnelwunsch nicht allein, er ist Konsens in der Stadt, vor allem CDU und SPD schieben den Tunnel immer wieder an, zwei Bürgerinitiativen fordern das fast zwei Kilometer lange Bauwerk (übrigens in zwei Röhren) lautstark. Und selbst der beim Heidelberger Neckarufertunnel so kritische grüne Verkehrsminister Hermann sagte im November bei einem Besuch in Freiburg, der Tunnel sei "zwingend für eine bessere Stadtqualität". Er habe als Bundestagsabgeordneter vor einem Jahrzehnt mit dafür gekämpft, dass das Vorhaben in die oberste Priorität des Fernstraßenplans gehievt wurde. In einem allerdings bleibt Hermann bei seiner Linie, die er schon im Oktober beim Interview mit der RNZ vorgegeben habe: Ein Tunnelbau an sich sei schon arg teuer, das Geld sei knapp, das Land könne wenig dazugeben.
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Man wundert sich als Heidelberger: Grüne im Land und in der Kommune verkämpfen sich für einen Tunnel? Ja, wenn auch mit einer langen Vorgeschichte: In den achtziger und neunziger Jahren tobte in Freiburg ein kleiner Bürgerkrieg um die Verlegung der viel befahrenen B 31 vom Südschwarzwald über Freiburg zur A 5. Der damalige OB Rolf Böhme (SPD) setzte durch, dass im Freiburger Osten der Kappler- und der Schützenalleetunnel mit einer Gesamtlänge von 2,2 Kilometern gebaut wurden und die B 31 einen anderen Verlauf nahm. Dagegen wehrten sich die Grünen und die Umweltverbände, teils mit Baumbesetzungen.
Nun, da seit 2002 die neuen Tunnel fertig sind, ist für die Grünen der geplante Stadttunnel nur die logische Konsequenz, den gesamten Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu bekommen, da bisher nur die Vororte profitierten. Und auch der grüne OB Dieter Salomon findet: "Für die Stadtentwicklung Freiburgs und die Lebensqualität der Menschen ist der Stadttunnel ein Schlüsselprojekt. Letztá endlich kann nur so ein gordischer Knoten durchgeschlagen werden, der zum Beispiel die Vorgaben der Luftreinhalteplanung und die Lärmrichtlinien betrifft. All diese Vorgaben können wir nur mit dem Stadttunnel einhalten."
Die Idee an sich ist alt, schon Alt-OB Böhme wollte sie gern im Bundesverkehrswegeplan haben, aber noch die alte schwarz-gelbe Landesregierung - seit 2002 ist der Grüne Salomon in Freiburg OB - machte keinerlei Anstalten. Erst unter Grün-Rot in der Landesregierung kommt neue Bewegung ins Projekt. Der vor einem Jahr neu gewählte Baubürgermeister Martin Haag, der den Grünen nahesteht, machte es zu seiner Herzenssache. Mittlerweile hat sich Freiburg bereit erklärt, die Planungskosten für den Tunnel, gut fünf Millionen Euro, erst einmal alleine zu schultern.
Da bliebe die Frage, was ist in Freiburg anders als in Heidelberg. Freiburgs Rathaussprecherin Edith Lamersdorf klärt auf: Die B 31 verläuft mitten durch die Innenstadt, nicht etwa, wie in Heidelberg, am Rande; sie ist besonders eng und stauanfällig; es gibt keinerlei Alternativrouten von Ost nach West; die Verkehrsbelastung ist hier deutlich höher (B 31: 40.000 Fahrzeuge am Tag; B 37: 20.000 Fahrzeuge) und hat mehr Transitverkehr; und schließlich ist der Anteil des Schwerlastverkehrs besonders hoch; zudem seien die Potenziale des Öffentlichen Nahverkehrs ausgereizt, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu holen. Und, vielleicht ein weiterer wichtiger Unterschied zu Heidelberg: An der B 31 wohnen viele Leute, in Heidelberg hat die B 37 relativ wenig direkte Anwohner, die sich für einen Tunnel mobilisieren lassen.
Kurzum: "Bei uns in Freiburg ist die Situation offenbar noch ein bisschen verschärfter." Und vor allem ist sich Freiburg viel einiger als Heidelberg, dass man den Tunnel unbedingt braucht.
Und, am Rande bemerkt: In Freiburg gab und gibt es keine Diskussion um einen möglichen städtischen Eigenanteil beim Tunnelbau. Man setzt schlicht darauf, dass der Bund der hoch verschuldeten Kommune alles bezahlt. Freiburg war Ende 2010 mit 414 Millionen Euro in den Miesen (1900 Euro pro Einwohner), Heidelberg übrigens "nur" mit 162 Millionen (1115 Euro pro Einwohner).