Das Holz lockte auch die Denkmalsmuffel

Beim "Tag des offenen Denkmals" ging es um das älteste Baumaterial der Welt - Hunderte Heidelberger besuchten 17 Programmpunkte

10.09.2012 UPDATE: 10.09.2012 09:18 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden
Das Haus in der Mittelbadgasse 10 (Altstadt), dessen Originalsubstanz erhalten ist, wird gerade saniert. Fotos (3): Schnur
Von Denis Schnur

Alles drehte sich gestern beim "Tag des offenen Denkmals" um das älteste Baumaterial - und das einzige, das man datieren kann. "Nichts ging ohne Holz", so kündigte das Kurpfälzische Museum seine Sonderführung an. Und das galt auch bei den 16 weiteren Programmpunkten in Heidelberg, zu denen Hunderte strömten. Es waren vor allem Heidelberger, die Altbekanntes neu entdecken wollen. Und überraschend viele "Neue", die sich sonst kaum für Denkmäler interessieren, kamen erstmals. Die RNZ schaute sich an den ungewöhnlichsten Orten um.

> Lang Holzbau (Wieblingen): Schon um 11 Uhr ist die Halle gut gefüllt mit mehr als 20 Besuchern, deutlich mehr, als man um diese Uhrzeit erwartet hätte. Lang ist das einzige Unternehmen, das zum Denkmalstag eingeladen hatte. Als Spezialist für Holzrestaurierungen kein Wunder, schließlich machten sich die Zimmermänner am Großen Fass in Heidelberg und am Wasserwerk im Schwetzinger Schloss zu schaffen, wie Tobias Lang erklärt. Den Besucher Wolfgang Reinhard interessiert besonders, wie man früher und heute die Holzteile verbindet: Einst waren es Keile, heute wird vor allem geschraubt. Schon als Student interessierte er sich sehr für das Thema, er bastelt seitdem in seiner Freizeit. Ihn hat heute das Thema angelockt, mit den klassischen Denkmälern hat er sonst wenig am Hut: "Mich fasziniert mehr das Praktische". Andere treibt das Berufsinteresse her, so zum Beispiel einen jungen Schreiner und seine Freundin. Auch ihnen waren Kirchen und Musen "relativ egal", sie kamen wegen des Themas "Holz". Überhaupt wussten die Besucher bei der Holzbaufirma schon ziemlich viel, es war gewissermaßen ein Gespräch unter Experten.

Gipsabgüsse lagern im Dachstuhl des Friedrichsbaus

> Kurpfälzisches Museum: Hierher zieht es eher das Publikum, das sich auch sonst für Museen und Denkmäler begeistert. Die Führung des Restaurateurs Jürgen Koch geht durch die Dauerausstellung des Palais Morass, zeigt jeden Raum noch einmal mit Blick auf das Thema Holz und dessen Verzierungen: Einst verwandte man schweres Holz, bis man auf das billige Furnier zurückgriff. Besonderer Blickfang war ein Sekretär mit unfassbar vielen Schubladen, von dem Dr. Enno Krüger ganz angetan war. Als Kunsthistoriker hat er eine Vorliebe für das Museum, schon vor Jahren begeisterte Koch ihn bei einer Führung, weshalb er auch dieses Mal wieder dabei sein wollte. Wie er sind viele Zuhörer Stammgäste und freuen sich, dass der Thementag ihnen einen neuen Blickwinkel auf die bekannte Ausstellung liefert. Andere sind zum ersten Mal hier und sind erstaunt, "wie ruhig es sein kann", so nah an der vollen und hektischen Hauptstraße. Wie auch die "Lange Nacht der Museen" lockt der "Tag des offenen Denkmals" viele Menschen in das Museum, die sonst nie gekommen wären. Museumssprecherin Ulrike Pecht freut sich über jeden neuen Gast, "denn viele von ihnen kommen danach wieder".

> Schloss: July Sjöberg freut sich über die Besuchermassen, aber sie kann beim besten Willen nur eine Führung für 15 Teilnehmer anbieten - obwohl mehr Interesse da wäre: "Doch dafür gibt das Land zu wenig Geld." Apropos Geld: Die Führung ist für die Teilnehmer umsonst, doch müssen sie Eintritt für den Schlosshof zahlen - was die meisten zwar überrascht, aber nicht abhält. Auch wenn "Holz" kein so richtig schlosstypisches Thema ist, findet Sjöberg den richtigen Dreh - es geht zum Beispiel in den hölzernen Dachstuhl des Königsaals, in den man sonst nie reinkommt. Besonders spektakulär ist das nicht, hier verbergen sich die Be- und Entlüftung der "Eventstätte" und ein Fahrstuhl voller Stühle. Anders im Gebälk des Friedrichsbaus, das im 19. Jahrhundert durch eine Stahlkonstruktion stabilisiert wurde: Hier lagern recht wild Gipsabgüsse, die vor über 100 Jahren Figuren am Schloss und am "Hotel Ritter" abgenommen worden waren. Zum Schluss geht es aufs Dach des Apothekenturms - mit einer imposanten Aussicht auf den Schlossgarten.

> Haus Mittelbadgasse 10: Das Privathaus der beiden Brüder Mike und John Metz öffnet heute ausnahmsweise seine Türen für die Öffentlichkeit. Das Besondere am 1731 erbauten Haus ist seine weitgehend original erhaltene Substanz. Anhand der Holzbalken konnten die Restauratoren durch Dendrochronologie das Alter des Materials und so des Gebäudes herausfinden. Im Hinterhaus entdeckten sie sogar ein 280 Jahre altes Bleiglasfenster, das auch so erhalten bleibt. Die beiden Metz-Brüder und Denkmalpfleger Peter Knoch, der die Sanierung leitet, loben die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Und deswegen war es fast Ehrensache, dass sie beim Denkmalstag mitmachen. Über 100 Besucher schauten sich das Gebäude an, das im nächsten Frühjahr fertig sein soll: "Immerhin schneller als der Berliner Flughafen", frotzelt eine Frau. Die Kinder machen dasselbe wie ihre Artgenossen vor fast 300 Jahren: Sie spielen im kleinen Innenhof.

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