Zoologisches Museum Heidelberg wird wohl erst 2021 wieder eröffnet

"Die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen" - Das Museum ist fest geplant

15.11.2016 UPDATE: 16.11.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 20 Sekunden

Blick in das ehemalige Zoologische Museum im Neuenheimer Feld. In neuer Form soll es ab dem Jahr 2021 wieder auferstehen, diesmal den Zeitlinien der Evolution folgend. Foto: Universität Heidelberg

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Fast 200 Jahre lang existierte die Zoologische Sammlung im Zoologischen Institut der Universität Heidelberg (heute: Centre for Organismal Studies, COS), seit 1979 war sie öffentlich zugänglich. Mit dem Start der Umbauarbeiten im Gebäude im Frühjahr 2012 musste sie abgebaut und eingelagert werden. Seitdem warten die Heidelberger auf die Wiedereröffnung des Zoologischen Museums. Warum das so lange dauert, erklärt der Biologe Prof. Thomas Holstein, der das neue Museum plant, im RNZ-Interview.

Prof. Thomas Holstein. Foto: privat

Herr Prof. Holstein, die Sanierung des Gebäudes - des ehemaligen Zoologischen Instituts - wird möglicherweise 50 Millionen Euro kosten und nicht vor 2020 fertig sein. Warum diese Verzögerung?

Der Zeitpunkt der Fertigstellung wurde von 2018 auf 2021 verschoben. Wir sind selbst ziemlich betroffen. Nach der Sanierung der Labore und Arbeitsräume im fünften und sechsten Stock umfasste der erste Bauabschnitt die komplette Sanierung aller Stockwerke inklusive der Außenwände und Fenster. Außerdem entstanden im Bereich des Museums neue Lehr- und Seminarräume. Im zweiten Bauabschnitt ist die vollständige Sanierung aller Praktikumsräume einschließlich des Hörsaaltraktes geplant. Der muss nun warten, weil die Kosten der Maßnahme aus dem Ruder gelaufen sind.

Hintergrund

Der Förderverein löste sich auf

bik. Das Zoologische Museum im Neuenheimer Feld wurde vor mehr als vier Jahren geschlossen, weil das Gebäude renoviert wird, die Exponate warten auf neue Räumlichkeiten. Jetzt hat sich auch der 430 Mitglieder starke

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Der Förderverein löste sich auf

bik. Das Zoologische Museum im Neuenheimer Feld wurde vor mehr als vier Jahren geschlossen, weil das Gebäude renoviert wird, die Exponate warten auf neue Räumlichkeiten. Jetzt hat sich auch der 430 Mitglieder starke "Verein der Freunde und Förderer des Zoologischen Museums der Stadt Heidelberg" in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung aufgelöst. "Der Vereinszweck ist nicht mehr da", begründet dies Prof. Volker Storch, Zweiter Vorsitzender des Vereins und in dieser Eigenschaft auch Museumsleiter.

Das Vereinsvermögen in Höhe von etwa 30.000 Euro wird laut Beschluss der Mitgliederversammlung abzüglich noch fälliger Honorare für die Referenten der Sonntagsmatineen dem Heidelberger Zoo zur Verfügung gestellt. "Der Zoo ist die Institution, die dem Museum am nächsten kommt", erklärte Storch gegenüber der RNZ und meinte dessen Aktivitäten für ein Biodiversitätszentrum und die bestens funktionierende Zooschule.

Der Förderverein war 1979 mit Unterstützung der Universität und der Rhein-Neckar-Zeitung gegründet worden. Ein Drittel der Ausgaben für das Museum wurde in den vergangenen Jahren vom Verein beglichen - mehrere Hunderttausend Euro -, vor allem die feststehenden Vitrinen, die bei der Auflösung des Museums zerstört werden mussten. Die spannenden wissenschaftlichen Vorträge in Sonntagsmatineen wurden ebenfalls vom Verein finanziert, denn die Bedeutung der Biologie in die Öffentlichkeit zu tragen, war der zweite Vereinszweck.

Die Zoologische Sammlung der Universität wurde 1819 von dem Anatomen Friedrich Tiedemann mit dem Erwerb einer Kollektion europäischer Vögel gegründet. Zusammengetragen wurden später unter anderem Insekten, eine Kollektion von Muschel- und Schneckenschalen, eine Vogelbalgsammlung sowie Präparate ausgestorbener Tierarten wie Wandertaube, Beutelwolf und Javanashorn. Auch die erste deutsche Ausgabe von Darwins "Origin of Species" aus dem Jahr 1860 war zu sehen.

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Warum das?

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Das geht hauptsächlich auf neue Vorschriften im Rahmen der Versammlungsstättenverordnung und des Brandschutzes zurück. Für den zweiten Bauabschnitt bedeutet dies, dass vor Baubeginn die Finanzierung sichergestellt werden musste, um die Ausbildung unserer Studenten gewährleisten zu können. Der Beginn wurde also auf August 2018 verschoben. Bisher wurden um die 30 Millionen Euro verbaut, und allen ist klar, dass ein Neubau vermutlich billiger gewesen wäre.

Gibt es im Gebäude überhaupt noch einen Platz für ein Zoologisches Museum?

Unser Konzept sieht noch immer vor, dass die Sammlung in Form einer "Evolutionären Timeline" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Hierbei sollen die Besucher schon außerhalb des Gebäudes aufmerksam gemacht und in das Gebäude hineingeführt werden, wo sie im großzügig gestalteten Bereich vor den Lehrräumen dann die jeweiligen Vitrinen und Erläuterungen finden - auch Bezug nehmend auf die aktuelle Forschung.

Schadet es den Exponaten nicht, wenn sie in den Fluren verteilt sind? Da kann man Feuchtigkeit und Lichteinfall vielleicht nicht kontrollieren.

Ich glaube nicht, dass es hier Probleme geben wird. Entgegen den Gerüchten ist die Sammlung in der ehemaligen Kinderklinik auch in der Zwischenzeit hervorragend gelagert. Wöchentlich wird sie inspiziert, regelmäßig kontrolliert und mit Insektiziden behandelt. Ich hatte 2012 einen bekannten Präparator aus Darmstadt gebeten, sich die Lagerungsbedingung vorher anzuschauen. Er hat sie in einem vierseitigen Gutachten ausdrücklich gutgeheißen.

Kann man sagen, dass nun Geld fehlt, um die Sammlung entsprechend wieder zu präsentieren? Hätte die Uni das Geld? Oder das Land? Oder braucht es Sponsoren?

Das hängt ganz davon ab, wie weit man gehen möchte. Ursprünglich hatte die Sammlung einen rein wissenschaftlichen Charakter, bevor sie mit neuen Exponaten der 1960er Jahre im Neuenheimer Feld zu einer Schausammlung wurde. Die wichtigen Stücke dieser Sammlung werden bei uns im Haus wieder zu sehen sein. Aber Heidelberg hätte für ein künftiges naturkundliches Museum viel zu bieten, auch von botanischer oder geologischer Seite her. Und dann gibt es den in Mauer gefundenen Unterkiefer des Homo heidelbergensis, der in einer neuen Präsentation im Mittelpunkt stehen könnte. Man könnte so die gesamte Evolution und Zukunft des Lebens auf unserem Planeten Erde darstellen. Nie war vergleichende Anatomie so aktuell wie heute. Wir beginnen zu verstehen, auf welchen Ebenen die Evolutionsprozesse wirkten und was die molekularen Grundlagen sind. Nehmen Sie zum Beispiel die Frage, wie die Schlange ihre Gliedmaßen verloren hat. Hier sind es kleinste Abschnitte des Genoms, in denen regulatorische Bereiche verändert sind.

Man könnte also tolle Dinge in diesem Museum darstellen, die sonst nirgends zu sehen sind. Dafür bräuchte man aber wohl ein eigenes Gebäude.

Ich möchte mich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass ich mit einem solch umfangreichen Konzept die Eröffnung des Museums hinausschieben will. Wir sind mit der Bausituation schon genug belastet. Es ist jedenfalls Konsens bei uns im Zentrum, dass wir die Sammlung brauchen und dass wir auch gegenüber der Öffentlichkeit eine entsprechende Verantwortung haben.

Eigentlich hatten Sie das neue Museum klein und mit Wechselausstellungen geplant ...

In Grundzügen sieht das Konzept der Sammlung so aus, dass Kernexponate dauerhaft ausgestellt werden und Wechselausstellungen dazukommen. Und dass wir die Besucher durch die "Timeline" anziehen wollen. Die biologische Evolution würde dann im Gebäude abgehandelt. Denkbar sind dann auch Verweise auf die Astronomie oder andere Sammlungen, etwa auf die medizinische Sammlung im Neuenheimer Feld, in der derzeit Exponate unserer Sammlung stehen, wie die von Carl Gegenbaur, der im 19. Jahrhundert Skelette präparierte und in einem evolutionsbiologischen Kontext kolorierte.

Auch die Sonntagsmatineen im Winter sind eine erfolgreiche Einrichtung des COS/Zoologischen Instituts seit den 1970er Jahren. Gibt es jemanden, der die Reihe weiterführt, wenn Volker Storch als Organisator im Frühjahr aufhört?

Professor Storch hat das großartig gemacht. Die Sonntagsmatineen sind eine der attraktivsten naturkundlichen Reihen in Heidelberg. Hier gibt es auch eine ungewöhnlich große Zahl an Wissenschaft interessierter Bürger. Es wäre ein Jammer, wenn die Serie nicht weitergeführt würde. Die Fortsetzung ist unser Ziel, möglicherweise mit mehreren Organisatoren, denn die Vorbereitung macht viel Arbeit.

Müsste das Programm des nächsten Wintersemesters nicht längst geplant sein?

Die Zeit reicht noch. Wir sollten die Vorträge jedenfalls ohne Pause weiterführen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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