RNZ-Sommertour: Schriesheimer Tinte fraß sich durchs Papier

Sommertour durch die Grube Anna-Elisabeth, in der der Grundstoff Vitriol abgebaut wurde.

20.08.2013 UPDATE: 20.08.2013 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden
36 Leser fuhren bei der RNZ-Sommertour in zwei Gruppen in die Schachtanlage der Grube Anna-Elisabeth in Schriesheim ein. Hans Barth erklärte den Lesern den Aufbau des ehemaligen Silber- und Vitriolbergwerks. Foto: Bernhard Kreutzer. Fotos: Kreutzer
Von Timo Teufert

"Glück Auf!", hieß es für die 36 Teilnehmer der RNZ-Sommertour am letzten Freitag, die zusammen mit zwei kundigen Bergführern in die Grube Anna-Elisabeth in Schriesheim eingefahren sind. Sie lernten dort die Welt des Silberabbaus im 15. Jahrhundert sowie den Erzabbau und die Vitriolherstellung im 18. Jahrhundert kennen. Rund eineinhalb Stunden waren die Sommertouristen in den Stollen des Bergwerks unterwegs, in dem das ganze Jahr eine konstante Temperatur von zwölf Grad herrscht.

Schon aus dem Tagschacht vor dem Bergwerk, durch den man in den Stollen blicken kann, in dem Silber abgebaut wurde, strömt kalte Luft nach oben. Über verschiedene Wetterschächte – so nennt der Bergmann die Belüftung im Bergwerk – werden die Stollen das ganze Jahr über mit frischer Luft und Sauerstoff versorgt. Die 600 Meter lange Mittelstrecke, die unterhalb des Bereichs liegt, in der Eisenerz abgebaut wurde, existiert seit dem Mittelalter. Um 1473 wurde die Grube erstmals urkundlich erwähnt. 50 bis 60 Jahre lang wurde dort Silber abgebaut. "Ein Prozent von allem, was man aus dem Berg herausgeholt hat, war Silber", berichtet die Bergführerin Lea Sulzbacher, die mit ihrem Kollegen Hans Barth die Sommertouristen durch den Berg begleitete.

Immer wieder wurde seither in der Grube ein wenig abgebaut, bevor Eugen Schulmeister das Vitriolbergwerk im 18. Jahrhundert eröffnete. Vitriol wurde als Grundstoff für die Farbe "Berliner Blau" verwendet, zusammen mit Gallapfelessig konnte man daraus Tinte machen. "Das Vitriol war allerdings von schlechter Qualität, die Tinte war so aggressiv, dass sie sich durch das Papier gefressen hat", weiß Sulzbacher. Schaut man heute auf den langwierigen und arbeitsaufwendigen Produktionsprozess des Vitriols, das im Sudhaus gleich unterhalb des Bergwerks verarbeitet wurde, sei es ein Wunder, dass sich das Bergwerk einige Jahrzehnte gehalten habe, so Sulzbacher.

Tiefer im Berg zeigten Sulzbacher und Barth dann die Arbeitsbedingungen der Hauer und Schieber. Zehn bis zwölf Stunden verbrachten sie pro Schicht im Berg und schlugen mit Schlegel und Eisen – dem sogenannten Gezähe – die Gesteinsbrocken von den Felswänden ab. Einen bis fünf Zentimeter Vortrieb schafften sie so pro Schicht. "Da es keinen vergüteten Stahl gab, wurde das Eisen, der einem Meißel mit Griff glich, schnell stumpf und so musste das Eisen 30 Mal pro Schicht gewechselt werden", berichtete Sulzbacher. Mit dem Frosch – einer kleinen Öllampe – durften die Hauer ihre Arbeitsstelle "beleuchten", den Schiebern stand dieser Luxus nicht zu. Bekleidet waren die Bergleute mit einer Art Kapuzenpulli, einer Jacke mit Zipfelmütze. Da es noch keine Helme gab, wurde der Kopf mit Moos, Stroh oder Heu geschützt.

Auch die Herkunft zweier Sprichworte konnte Sulzbacher klären: "Jemandem ans Leder gehen" stamme aus dem Bergbau, denn die Hauer hatten als Ehrenzeichen so genannte "Arschleder". Wenn ein Bergmann drei Tage nicht zur Arbeit kam, wurde er zum Schieber degradiert, man ging ihm ans Leder, denn das musste er dann abgeben. Er sei dann "auf den Hunt gekommen", schließlich musste er die Loren schieben, die man Hunte nannte.

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