Heidelberger Archäologe Einhard Kemmet geht in den Ruhestand

Die Jupitergigantensäule war sein größter Fund  – 2007 entdeckte Kemmet sie in der Neuenheimer Uferstraße – Nun ist er als Grabungstechniker des Kurpfälzischen Museums in den Ruhestand gegangen

12.08.2016 UPDATE: 13.08.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 47 Sekunden

Einhard Kemmet vor der Jupitergigantensäule im Kurpfälzischen Museum, die er zusammen mit seinem Team ausgegraben hat. Foto: Philipp Rothe

Von Timo Teufert

Er begann als Quereinsteiger während der Ära des bekannten Archäologen Berndmark Heukemes als Grabungstechniker am Kurpfälzischen Museum. Einhard Kemmet hat seither viele Ausgrabungen in und um Heidelberg geleitet, wichtige Funde wie die Jupitergigantensäule 2007 in Neuenheim ausgegraben und eine Karte mit sämtlichen Funden im Stadtgebiet im Kopf. Nun ist der 65-Jährige in den Ruhestand verabschiedet worden.

Der gebürtige Heddesheimer kam als Student für Bauingenieurwesen über einen Ferienjob als Grabungshelfer für das Reiss-Museum in Mannheim zur Archäologie. Ihm machte die Arbeit Spaß, denn er interessierte sich schon immer für Heimat- und Regionalgeschichte und beschloss, seinen zufälligen Nebenjob zum Broterwerb zu machen. Denn sowohl in Mannheim als auch in Heidelberg suchte man damals gerade Grabungstechniker. "Durch das Studium hatte ich die nötigen Voraussetzungen und konnte sofort anfangen", berichtet Kemmet. Bei Heukemes in Heidelberg war eine Stelle ausgeschrieben. Er bewarb sich - und wurde genommen.

So fing Kemmet 1979 im Kurpfälzischen Museum an, "das Haus der Archäologie in der Schiffgasse wurde am Wochenende vorher eingeweiht. Ich habe noch die Sektgläser gesehen", erinnert er sich. Er bezog sein Zimmer im Dachgeschoss und war seither in Heidelberg für die Baustellenüberwachung zuständig und als Grabungsleiter tätig. Seine erste Grabungsstelle war jedoch weiter neckarabwärts: Die Löwenscheuer in Ladenburg, die heute ein Seniorentreff ist. "Eigentlich war für Ladenburg das Reiss-Museum zuständig, doch Heukemes hatte die entsprechenden Verbindungen und so viele Jahre dort ausgegraben", berichtet Kemmet. Viel habe er von seinem damaligen Chef gelernt, obwohl die Zusammenarbeit mit ihm nicht immer einfach gewesen sei.

Wenn er sich an diese Zeit zurückerinnert, denkt er aber auch an die magere personelle Ausstattung der Abteilung zurück: "Es gab nur Heukemes, eine Sekretärin, den Restaurator und mich." Viel sei deshalb liegen geblieben, weil man oft im Gelände zu tun hatte. "Das Graben ist aber nur ein Bruchteil der Arbeit. Die Teile müssen gewaschen, gesäubert, eingetütet und mit jeder Menge Informationen versehen werden." Je nach Bedeutung des Fundes wird er auch noch gezeichnet und genauer beschrieben. Geändert hat sich die Personalsituation erst, als man sich entschloss, das römische Gräberfeld von Neuenheim wissenschaftlich zu bearbeiten.

Noch heute freut sich Kemmet darüber, dass er ans Kurpfälzische Museum gekommen ist, schließlich ist es eines der wenigen "grabenden Museen" im Land. Normalerweise übernimmt diese Aufgabe das Landesdenkmalamt. Als Grabungstechniker eines Museums macht man auch Ausstellungen und hat die eine oder andere Veröffentlichung. Gerade eben sind in den "Archäologischen Ausgrabungen in Bade-Württemberg 2015" zwei Aufsätze von der Leiterin der Archäologischen Abteilung, Renate Ludwig, und Kemmet über zwei Ausgrabungen des letzten Jahres in Bergheim und Neuenheim erschienen.

"Die Aufgabe, eine Ausstellung mitzugestalten und die Frage, wie man die Funde in Absprache mit den Fachleuten in der Vitrine präsentieren kann, war für mich immer besonders reizvoll und ein schöner Ausgleich für die Arbeit im Gelände." Die meiste Zeit hat Kemmet aber trotzdem im Freien verbracht und so viele wichtige Entdeckungen gemacht - zum Beispiel die erste keltische Viereckschanze im Oberrheingraben in Ladenburg, die Mehrfachbestattung der steinzeitlichen Michelsberger Kultur oder das Haus aus der mittleren Bronzezeit beim Parkhaus des Heidelberger Zoos.

Seine größte Entdeckung war aber der Fund der Jupitergigantensäule im Jahr 2007 in der Uferstraße, die um 190 nach Christus von ihrem ursprünglichen Platz entfernt worden sein muss. "Ich war mit vier Grabungshelfern acht Wochen lang vor Ort, wir hatten eigentlich schon alles dokumentiert. Bis auf einen Befund in einer Ecke der Baugrube, der schließlich auch noch zu bearbeiten war. Nach kurzer Zeit schaute schon der Sockel der Pferdeskulptur heraus", erinnert sich der Grabungstechniker. In dem römischen Brunnen war in drei bis vier Metern Tiefe die Säule abgelegt. "Niemand hat damit gerechnet, dass wir alle Teile der Säule finden. Wir hatten uns schon über das Pferd riesig gefreut", sagt Kemmet. Warum an der Säule noch alles intakt war und sie so in den Brunnen kam, ist nicht nur für ihn bis heute ein Rätsel. "Diese Grabung war das spannendste und aufregendste meines Berufslebens. Im Museum haben wir in der Archäologie nichts Vergleichbares. In anderen Museen mag es größere, bedeutendere Jupitergigantensäulen geben, allerdings nicht in diesem Erhaltungszustand", ist er heute immer noch stolz.

"So haben wir auch das römische Blitzbündel aus Eisen gefunden, das ist was ganz Seltenes", erklärt Kemmet. "Beim Graben hofft man in solch einem Fall, weitere Teile zu finden. Das macht den Reiz des Berufs aus", sagt der 65-Jährige. Allerdings wurde der Jupiter - der eigentlich auf dem Pferd sitzt - als einziges Bauteil der Säule nicht gefunden.

Kemmet hat eine Berufskrankheit: Auch in seiner Freizeit könne er nicht anders, als automatisch in die Baugrube zu sehen, an der er zufällig vorbeikommt. In Hirschberg, Heddesheim und Schriesheim ist er als ehrenamtlich Beauftragter für das Landesdenkmalamt unterwegs.

Doch die Archäologie bestimmt nicht Kemmets komplette Freizeit. Der 65-Jährige interessiert sich auch für Sport und Reisen, wobei der Besuch eines Pferderennens dabei für ihn die interessanteste Kombination darstellt. Zudem geht er gerne auf Flohmärkte, um seine 50er-Jahre Sammlung zu ergänzen. Der passionierte Fotograf will sich zudem mit seiner Frau noch mehr um seine beiden Enkel kümmern. Außerdem schreibt er an einer Chronik für Heddesheim mit, die zur 1100-jährigen Erwähnung im Lorscher Codex erscheinen soll. Und natürlich geht es in seinem Artikel um die Archäologie, und zwar um die Funde, die auf die Zeit vor Christus datiert werden.

Auch an eine alte Leidenschaft will Kemmet nun wieder anknüpfen: Früher organisierte er für Freunde und Bekannte Städtereisen nach Prag, Brüssel, Amsterdam oder Budapest. "Das habe ich gerne gemacht und das wollen wir wieder aufleben lassen." Zudem stehen Reisen mit seiner Frau auf dem Plan. "Ich habe immer was zu tun, da ist mir nicht bange." Den Übergang in den Ruhestand hat er im südenglischen Cornwall genossen. Jetzt hofft er, dass seine Stelle möglichst bald wiederbesetzt wird, um die großen Aufgaben der Bodendenkmalpflege in Heidelberg weiterhin leisten zu können.

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