Der Mindestlohn sorgt auch in Heidelberg für Sorgenfalten

Die neue Regelung betrifft auch die Hotellerie und das Taxigewerbe - Zwei Heidelberger Beispiele:

31.12.2014 UPDATE: 31.12.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Taxifahrer Zeki Ates hofft noch, dass er seine beiden Angestellten weiterbeschäftigen kann. Fotos: Alex/Hentschel
Von Holger Buchwald

Gewerkschafter jubeln und auch der Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding feiert das Mindestlohngesetz als Etappensieg gegen Lohndumping. Doch einige kleinere und mittlere Unternehmen sind verunsichert: Ab 1. Januar müssen sie allen Beschäftigten mindestens 8,50 Euro pro Stunde bezahlen. Neben anderen Branchen trifft das Gesetz vor allem die Hotellerie und Gastronomie sowie das Taxigewerbe. Zwei Heidelberger Beispiele zeigen, dass es bei der Umsetzung durchaus Probleme geben kann. Die größten Sorgen bereiten den Unternehmen aber nicht die gestiegenen Lohnkosten, sondern die schärfere Überwachung der bestehenden Arbeitszeitgesetze.

> Maik Neuhaus ist Geschäftsführer des Arthotels und des "Bergheim 41". Der Mindestlohn an sich bereitet ihm kein Kopfzerbrechen. "Die Gastronomen in Heidelberg zahlen schon jetzt deutlich mehr als 8,50 Euro", glaubt er. Viel schlimmer ist für ihn, dass er nun bei der Arbeitszeiteinteilung darauf achten muss, dass kein Mitarbeiter länger als zehn Stunden am Tag im Dienst ist. Das treffe vor allem kleine Betriebe, die einen großen Teil ihres Umsatzes mit Hochzeitsgesellschaften oder anderen Veranstaltungen machten. Beim Arthotel mache dieses Geschäft von April bis September rund die Hälfte des Umsatzes aus.

"Gerade bei einer Hochzeit geht die Feier schon um 15 oder 16 Uhr los. Und wenn die Gäste gut drauf sind, hocken sie morgens um 5 Uhr immer noch beisammen. Da kommen für die Mitarbeiter mit Vor- und Nachbereitungen schon mal 15 bis 16 Stunden zusammen." Bisher sei es für die Gastronomen möglich gewesen, diese Überstunden der Beschäftigten mit Freizeit auszugleichen, also ihnen zum Beispiel für ihre Mehrarbeit einen Tag freizugeben. Doch dies soll nun nicht mehr gelten. Der Zoll wird personell deutlich aufgestockt und soll die Einhaltung der maximalen Arbeitszeit strikt überwachen. Nun müssen die Wirte und Hoteliers also auch genau dokumentieren, wann welcher Mitarbeiter wie viel Pause gemacht hat. Für Neuhaus ein unglaublicher "Dokumentationsaufwand".

Im "Bergheim 41" beschäftigte Neuhaus bisher vier Aushilfen, die sich zusätzlich zu ihrem Hauptjob als Bedienung im Café noch ein paar Euro zusätzlich verdienen wollen. Diesen Mitarbeitern musste Neuhaus zum Jahresende kündigen. Denn wenn sie abends bei ihm ihre Schicht beginnen, haben sie tagsüber ihr Stundensoll schon längst erfüllt. Neuhaus: "Das ist für uns blöd, aber auch für die Mitarbeiter." "Das Arbeitszeitgesetz gab es schon vorher", gibt Neuhaus zu: "Es gab aber eine Grauzone." Bisher sei es möglich gewesen, die Mitarbeiter zu starken Zeiten viel zu beschäftigen und ihnen zu umsatzschwachen Zeiten freizugeben.

Kein kleinerer oder mittlerer Betrieb könne es sich leisten, extra für Hochzeitgesellschaften einige Mitarbeiter in Reserve zu halten. Und es sei weder erlaubt noch praktikabel, nachts um ein Uhr die zweite Arbeitsschicht für eine Hochzeitgesellschaft zu bestellen. Neuhaus: "Ich bin sehr dafür, dass die Mitarbeiter anständig behandelt und gut bezahlt werden." Bisher habe aber noch niemand einen praktikablen Lösungsweg für das Arbeitszeitproblem aufgezeigt.

> Zeki Ates ist seit 1993 Taxiunternehmer in Heidelberg. Er hat ein Fahrzeug und beschäftigt zwei Fahrer, einen tagsüber, einen nachts. Er glaubt zwar, dass er "ganz gut vorbereitet" sei auf den Mindestlohn. Allerdings muss auch er tiefer in die Tasche greifen. Er ist einer der wenigen im Taxigewerbe, die jetzt schon Stundenlohn bezahlen. Statt der bisherigen 7,50 Euro muss er seinen Mitarbeitern künftig 8,50 Euro geben. "Ich hoffe nicht, dass ich nun existenzielle Probleme bekomme", sagt Ates. Aber auch er kennt die Sorgen der Kollegen. Bundesweit rechnet die Branche mit 70.000 arbeitslosen Taxifahrern.

Schwarz sieht auch Michael Käflein, Geschäftsführer der Heidelberger Taxizentrale. Derzeit verdienten die meisten angestellten Fahrer in Heidelberg zwischen 6,50 und sieben Euro die Stunde, glaubt er. Denn einen großen Teil ihres Lohns erhalten sie über Umsatzbeteiligung. Abends am Wochenende sei es kein Problem, den Chauffeuren 8,50 Euro zu bezahlen, von Montag- bis Mittwochnacht sei eine Bezahlung nach Mindestlohn aber ein Minusgeschäft, so Käflein. Schließlich müssten die Unternehmer ja noch 22 Prozent Sozialabgaben auf den Lohn draufschlagen.

"Wir gehen davon aus, dass die Zeit der Taxiunternehmen mit mehreren Wagen vorbei ist", sagt Käflein. 20 solcher Betriebe gebe es derzeit bei der Heidelberger Taxizentrale. Käflein: "Der Größte hat 15 Autos, drei haben vier, die anderen zwei oder drei." Der Geschäftsführer der Taxizentrale hat auch schon von den ersten Entlassungen in Heidelberg gehört: Zwei Betriebe, die bislang zwei Limousinen hatten, fahren inzwischen nur noch mit einer.

Eine weitere Konsequenz aus dem Mindestlohngesetz ist, dass der Taxitarif deutlich angehoben wird. Zusammen mit der Stadt hat die Taxizentrale eine zwölfprozentige Erhöhung in zwei Schritten abgestimmt. Zunächst steigt der Tarif zum 1. April um fünf Prozent, die weitere Anpassung folgt 2016. Käflein: "Das ist das Maximale, was auf dem Markt vertretbar ist."

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