Der Exorzismus des "Studio Braun" im Heidelberger Schloss

Humorkollektiv im Schloss: Hemmungs- aber auch teilweise lieblos

05.03.2017 UPDATE: 06.03.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 43 Sekunden

Im Königssaal des Heidelberger Schlosses begeisterte das norddeutsche Humorkollektiv "Studio Braun" - bestehend aus Jacques Palminger, Heinz Strunk und Rocko Schamoni (von links) - seine "Kunden". Foto: Philipp Rothe

Von Sebastian Riemer

Paste. Mama. Dörte. Hinter diesen Begriffen stecken die drei größten Probleme der Heidelberger. Fachmännisch auf hundertfachen Zuruf aus dem Publikum herausdiagnostiziert von Jacques Palminger, dem wohl seriösesten Drittel des Irrsinnstrios Studio Braun. Mittels eines kollektivtherapeutischen Exorzismus gelang es ihm am Freitagabend gemeinsam mit seinen beiden "Lebensendpartnern" Heinz Strunk und Rocko Schamoni, den rund 600 Besuchern im Königssaal des Heidelberger Schlosses ihre Pein für immer zu nehmen. Das klang jetzt irre und wenig nachvollziehbar, aber was will man erwarten: Studio Braun, die drei Avantgardisten der besseren Laune, machen seit 20 Jahren Sachen, die sie selber nie so richtig verstanden haben. Wäre so ein Liveauftritt erklärbar, man müsste das "norddeutsche Exzellenzcluster" als gescheitert ansehen.

Die erste Studio-Braun-Tour dieses Jahrzehnts basiert auf ihrer Werkschau "Drei Farben Braun", einem drei Kilogramm schweren Buch, mit dem man laut Palminger "bequem eine Rotte Eichhörnchen erschlagen kann". Der Foliant zeichnet das Schaffen seit den Anfängen Mitte der 90er nach - "diese ganzen erfolglosen Versuche", wie Rocko Schamoni in einem aufrichtigen Moment bekennt. Und es stimmt ja: Der kommerzielle Erfolg von Studio Braun hinkte ihrer kulturellen Wirkung und der ihnen entgegenbrachten Heldenverehrung in den Feuilletons und anderen interessierten Kreisen stets hinterher.

Was sie auf der Bühne bieten, ist eine recht wahllos wirkende Best-of-Auswahl ihres Œuvres - verpackt in einen Diavortrag, der durch Elemente eines Volksmusikabends ("Die Pflaumen sind reif, Manuela"), einer Modenschau ("Bei dieser Kollektion haben wir uns ganz bewusst an den Stil rumänischer Lutschmönche angelehnt") und sogenannter Sexualschmunzeleien angereichert wird. Der Auftritt wirkt unaufgeräumt wie stets: Die Drei gleiten hemmungslos und völlig ohne Brüche "von der Pubertät nahtlos in die Altersexzentrik ab" (Palminger). Da werden lieber noch drei Haken geschlagen, bis endlich die erlösende Pointe ausgelassen wird. Studio Braun schmeißen sich nicht ran an neuere "Kunden", wie die Hamburger Surrealisten die Besucher ihrer Lustbarkeiten nennen.

Für viele noch immer vornehmlich bekannt als Urheber eines eigenen Gag-Genres, des Telefonstreichs, geben Studio Braun an diesem Abend ihren weniger populären Erfindungen mehr Raum. Etwa der "freiwilligen Werbung", die mit Slogans wie "Fanta gibt es" oder "Fanta immer gut auftrinken" ihrer Zeit marketingmäßig um Jahre voraus war. Aus ihrer niemals versiegenden Inspirationsquelle machen sie keinen Hehl: "Wir arbeiten sehr viel mit Alkohol."

Etwas lieblos wirkt manches, vielleicht haben die drei Männer über 50 die Schnoddrigkeit etwas auf die Spitze getrieben. Andererseits: Die drei letzten großen, deutschen Dadaisten lebendig erleben zu dürfen, ist ein Geschenk, für das die 600 Heidelberger im fast ausverkauften Saal dankbar sind. Besingt Rocko Schamoni dann ganz am Ende das "hässliche, alte Polizeiboot Norbert", begleitet von Heinz Strunk auf der Querflöte und betanzt von Jacques Palminger auf Amphetaminen - da wirkt der Eintrittspreis von lächerlichen 30 Euro wie eine grobe Fehleinschätzung des Managements.

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