Die Heidelberger Unternehmen Winterbauer, Breer und Rossmanith sprachen in Madrid mit 42 Interessen. Zwölf Zusagen konnten sie schon geben. Foto: privat
Von Alexander R. Wenisch
Karl-Heinz Winterbauer war überrascht - über die Qualität der jungen Menschen, die sich bei ihm um eine Lehrstelle beworben haben. Denn das ist in seiner Branche keine Selbstverständlichkeit mehr. Wenn er für seinen Dachdeckerbetrieb in Heidelberg-Wieblingen überhaupt noch Azubis findet, dann fehlt es denen meist an Motivation. Die Regel aber ist: Winterbauer schreibt Stellen aus, und keiner meldet sich.
Darum ist der Unternehmer nach Spanien gegangen. Drei Heidelberger Betriebe - Dachdecker Winterbauer, Gebäudereiniger Breer und Fensterbauer Rossmanith - haben sich zusammengetan, um auf der iberischen Halbinsel nach Nachwuchs zu suchen. Denn in Spanien herrscht aufgrund der Eurokrise eine eklatant hohe Jugendarbeitslosigkeit von 50, in der Hauptstadt Madrid gar von 70 Prozent.
In Madrid wiederum waren Vertreter der drei Heidelberger Unternehmen nun, um die ersten Bewerber kennenzulernen. Unterstützt von der spanischen Außenhandelskammer haben Winterbauer, Breer und Rossmanith zusammen 20 Stellen ausgeschrieben. Und die Resonanz war für ihre Verhältnisse gewaltig. 600 Bewerbungen gingen ein. Die jungen Spanier, gut ausgebildet und dank des vergangenen Baubooms sogar mit Arbeitserfahrung, scheinen ihre Chance zu erkennen. 43 Interessenten wurden schließlich zu Vorstellungsgesprächen nach Madrid eingeladen.
Zufrieden zeigt Winterbauer eine Excel-Tabelle auf seinem Computer: Zwölf feste Zusagen haben er und seine Unternehmer-Kollegen aus Madrid mitgebracht. Für die noch offenen Plätze würden sich auch noch Interessenten finden, ist der Heidelberger überzeugt. 20 junge Spanier erhalten dann in Madrid einen Intensivkurs Deutsch; im Frühsommer werden die angehenden Azubis dann nach Heidelberg kommen. Zunächst für drei Monate als Praktikanten "zum gegenseitigen Kennenlernen", sagt Winterbauer. Vorsorglich habe er jeden Bewerber in Madrid schon gefragt, ob die Mutter oder die Freundin mit dem Job in Deutschland einverstanden sind, schmunzelt er.
Im September könnte dann regulär die Ausbildung beginnen. Finanziell unterstützt werden die Azubis dabei von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die drei Unternehmen zahlen einen regulären Azubilohn, zum Beispiel 500 Euro im ersten Dachdecker-Lehrjahr. Die Bundesagentur stockt das Gehalt auf, damit den jungen Spaniern am Ende 800 Euro netto im Monat zur Verfügung stehen.
Das Vorhaben ist ein Pilotprojekt im Rhein-Neckar-Kreis. Der Langstreckenläufer Winterbauer plant und organisiert mit seinen Kollegen dafür seit dem Jahre 2011. Und demnächst will er auf Werbetour gehen und in seiner Funktion als stellvertretender Kreishandwerksmeister die Idee und die Umsetzung auch anderen Unternehmen vorstellen - in der Hoffnung, Nachahmer zu finden. Denn Mangel an guten Azubis, weiß der Heidelberger, herrsche auch in anderen Branchen.
Ein Nebenprojekt haben die Unternehmer indes bereits begraben: das Heidelberger Ausbildungshaus. Eigentlich wollten sie Azubis aus dem Ausland und der Region günstige Unterkunft bieten - ähnlich wie Studentenwohnheime. Die Idee, gibt Winterbauer unumwunden zu, hat sich als kaum realisierbar, weil zu aufwändig erwiesen. Damit die jungen Spanier aber trotzdem kostengünstige Unterkünfte finden, wird jetzt mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH gesprochen.