"Crazy Diamond" Heidelberg

Das langsame Ende eines Plattenladens

"Crazy Diamond" in der Poststraße schloss für immer seine Pforten - "Totales Sterben" der Branche - Vielleicht kommt Onlineshop

31.07.2017 UPDATE: 01.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Eine Heidelberger Institution ist verschwunden: Nach 26 Jahren Betrieb schlossen Birgit und Werner Girrbach am Samstag ihren CD-Laden "Crazy Diamond" in der Poststraße in Bergheim. Foto: Philipp Rothe

Von Jonas Labrenz

"Wind of Change" von den Scorpions führt die deutschen Singlecharts an, die Band Nirvana veröffentlicht ihr legendäres Album "Nevermind" - und Miles Davis, der den Jazz wie kaum ein anderer prägte, erliegt in Kalifornien den Folgen eines Schlaganfalls. In eben diesem Jahr - 1991 - gründete Werner Girrbach mit seiner Frau Birgit in der Poststraße den Plattenladen "Crazy Diamond". Am Samstag öffnete er seine Pforten nach 26 Jahren zum letzten Mal.

"Es geht eine Institution verloren", kommentierte Klaus Albert, der fünf Jahre lang regelmäßig im Geschäft vorbei schaute. Er erinnert sich: "Old Ideas" von Leonard Cohen und ein Album von Bartmes seien seine ersten CDs aus dem Laden gewesen. Die Auswahl war riesig: "In guten Zeiten hatten wir 30.000 bis 40.000 CDs und bis zu 10.000 LPs in den Regalen", weiß Birgit Girrbach. Der Platz in den Räumen in der Poststraße reichte dafür nicht aus: "Wir hatten eigentlich immer zwei Läden", erinnert sich die 55-Jährige. Denn 1996 kamen noch Räume in der Plöck dazu, "wo heute das Tattoo-Studio ist", so Birgit Girrbach. Dort fanden die Kunden das Klassik-, Jazz- und Weltmusiksortiment des "Crazy Diamond", doch die Wege wurden irgendwann zu zeitraubend, und so suchten sich die beiden anno 2001 weitere Räume in der Poststraße. Außerdem wurden Büroräume hinter dem Geschäft angemietet und damit die Fläche vergrößert. Drei ausgebildete Angestellte und fünf studentische Aushilfen halfen den Girrbachs dabei, alles am Laufen zu halten. Doch die Nachfrage nach CDs hatte bald ihren Zenit überschritten.

Mp3s und das Internet als neuer Vertriebsweg machten es der CD schon schwer, doch den letzten Stoß versetzte eine neue Technologie: "Ungefähr vor drei Jahren haben wir festgestellt, dass das Streaming überhandgenommen hat", so Birgit Girrbach über die neue Form des Musikhörens. Zum Schluss übernahm sie mit ihrem Mann die Arbeit im Geschäft allein - und sie beschränkten sich wieder auf die Räumlichkeiten, mit denen sie begonnen hatten. Ihr Sohn Leander ist mit dem Laden aufgewachsen und erinnert sich noch daran, wie spannend es für ihn war, wenn CD- oder Plattensammlungen aufgekauft wurden und er sich etwas aussuchen konnte. Doch er erinnert sich auch daran, wie das eigene Sortiment immer kleiner wurde.

Schon lange bevor Leander seine erste CD auswählte, war Thorsten Ehrenberger regelmäßiger Gast im "Crazy Diamond". "Für die Region ist es der wichtigste Laden gewesen", findet er. Für ihn spielte dabei auch Werner Girrbachs "allumfassendes Wissen" eine Rolle, so der 52-Jährige. Dazu kam der "Anhör-service": "Die Leute standen Schlange", erinnert sich Ehrenberger. Etwa um die Jahrtausendwende stand der Laden sogar auf Platz sieben der 100 besten Plattenläden in der ganzen Bundesrepublik. Zu dieser Zeit kam auch Jan Wölfer das erste Mal vorbei. Der Hamburger war damals der Liebe wegen nach Heidelberg gezogen und hatte sich gleich auf die Suche nach einem Plattenladen gemacht. Als er das "Crazy Diamond" gefunden hatte, war er zufrieden: "Alles klar, Heidelberg ist ok", habe er damals gedacht. Mittlerweile hält den 48-Jährigen auch seine Band, "The Peejays", hier, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Mit seinen Bandkollegen spielte Wölfer am Samstag noch einmal für die Girrbachs und alle Gäste.

Das "Crazy Diamond" ist mit seinem Schicksal nicht allein. "Ein totales Sterben" attestiert Werner Girrbach der Branche. Doch der 60-Jährige bleibt der Musik auch weiterhin treu. Vielleicht komme schon im Herbst ein kleiner Onlineshop "mit Spezialitäten", so der Musikliebhaber.

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