Architektinnen des Heidelberger Tanzbooms
Nanine Linning und Jai Gonzales beim "Freundeskreis-Talk" - Tänzer sprechen eine eigene Sprache
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Seit Nanine Linning mit ihrer Dance Company in der Stadt ist und seit Jai Gonzales für ihr Unterwegstheater in der Hebelhalle einen festen Raum für die Aufführungen gefunden hat, boomt der Tanz in Heidelberg. 2014 stellten sie erstmals eine Tanzbiennale auf die Beine, vom 24. Februar bis zum 4. März 2018 folgt die dritte Auflage, das Budget in Höhe von 150.000 Euro wird von Land, Stadt und Manfred-Lautenschläger-Stiftung finanziert.
Zwei charismatische und kraftvolle Persönlichkeiten - so zeigten sich die beiden Frauen beim "Freundeskreis-Talk" im Alten Saal des Theaters, wo Gabriele Wiedemann vom Freundeskreis des Theaters und Orchesters mit ihnen über das Festival, aber auch über die Sprache des Körpers, das Entstehen von Choreografien und Innovationen im Tanz sprach. Das Ganze war so animierend, dass jeder Zuhörer sofort beschloss, Festival-Karten zu kaufen.
Konkurrenz - das ist für beide Frauen gar kein Thema. Jai Gonzales erlebt sie nur positiv. "Ich brauche Konkurrenz, um mich selbst zu verbessern", sagt auch Nanine Linning. Wie die beiden ihre Stücke erarbeiten, das ist völlig unterschiedlich. Die Holländerin Nanine Linning, seit 2012 mit ihrer Company am Theater Heidelberg, bespricht das Konzept zuerst mit ihrem künstlerischen Team. Etwa zwei Monate vor der Premiere fängt sie an, die Visionen zusammen mit den Tänzern zu entwickeln. Sie probt täglich sechs bis sieben Stunden mit ihnen, schaut sich nachts die Videos an, schreibt dann an ihrem "Buch" für den nächsten Probetag weiter.
Dass ihre Tänzer häufig wechselten, bekennt Linning, mache sie manchmal traurig, doch sie hat Verständnis: "Tänzer haben eine Karriere von zehn bis 15 Jahren, sie finden es spannend, mit verschiedenen Choreografen zu arbeiten und verschiedene künstlerische Prozesse kennenzulernen." Ihre Erfolgsstücke wie etwa "Hieronymus B." muss Linning dann mithilfe von Videos von Neuem erarbeiten.
Auch interessant
Bei Jai Gonzales, ehemals Tänzerin des Nationaltheaters Lima, entsteht das Stück bei der Probe. "Der Tänzer macht aus der Struktur eine eigene Sprache". Sie arbeitet seit Jahren mit einer Gruppe freier Tänzer zusammen: "Wir kennen uns so extrem, dass ich nichts erklären muss."
Drei Videosequenzen von den internationalen Gastspielen zur Biennale vermittelten dem Publikum, was Tanz heute kann. "All Ways" von Sharon Fridman aus Madrid führt ein Netz von Bewegungen vor, keine Erzählung. "Risikobereit und körperlich", nennt es Gonzales. "Pixel", eine Arbeit des Choreografen Mourad Merzouki mit der "Compagnie Käfig" aus Frankreich, zeigt, wie die Körper der Tänzer völlig in einer Videoanimation aufgehen können. "Voronia" von "La Veronal" aus Barcelona erzeugt magische Bilder und Assoziationen, wird fast wie eine Oper präsentiert.
Was die beiden noch empfehlen? Zum Beispiel den Israel-Abend am 2. März im Zwinger. Die Tanzgala Baden-Württemberg am 3. März, bei der die Gäste mit Bussen von der Hebelhalle zum zweiten Teil im Theater gefahren werden. Oder "Remembering Tanja Liedtke" am 1. März im Alten Saal - eine Hommage an die junge deutsche Choreografin, die 2007 in Sydney infolge eines Unfalls starb.
Muss man ein Tanzstück verstehen? Nein, finden die Choreografinnen. "Ich genieße es, wenn ich in eine Welt mitgenommen werde, die ich nicht kenne", sagt Nanine Linning. Und Jai Gonzales meint, dass man sich dem Tanz einfach öffnen muss und nicht ungeduldig werden darf.
Für die Holländerin wird es die letzte Tanzbiennale in Heidelberg sein, die sie mitveranstaltet. Doch wenn sie das Theater im Sommer verlässt und frei arbeitet, bleibt sie in Heidelberg wohnen. Sie sei neugierig auf ihren Nachfolger und werde zu Premieren der Tänzer ins Theater kommen, versprach sie. Sie kündigte sogar an: "Ich habe so viele Kreationen im Kopf. Die will ich in Heidelberg mit dem Publikum teilen."