Ihr Ziel ist ein Navi für Rollstuhlfahrer: Sophie Crommelinck, Steffen John, Sarah Labusga, Adam Rousell, Amin Mobasheri und Stefan Hahmann (v.l.) bei der Mapping-Party. F: Rothe
Von Nils Herzog
Wer den Weg zur Mensa nicht kennt oder nicht weiß, wo das Café ist, in dem die Kommilitonen sitzen, der greift einfach zum Smartphone. Kartenanbieter wie "Google Maps" navigieren den Verirrten ohne Umwege zu seinem Ziel. Einfach die Adresse ins Suchfenster eingeben, auswählen, ob man gerade zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto unterwegs ist, und schon kann es losgehen. Das ist für viele mittlerweile selbstverständlich. Aber ein Fortbewegungsmittel kann man bei den Anbietern für digitale Karten nicht auswählen: den Rollstuhl. Wer auf diesen angewiesen oder einfach nicht gut zu Fuß ist, der findet keinen Hinweis darauf, ob sein Ziel für ihn ohne Weiteres erreichbar ist. Um das zu ändern, lud jetzt eine Mapping-Party ins Geografische Institut der Universität Heidelberg.
"Unser Ziel ist der ,Rollstuhl-Button'", erklärt Stefan Hahmann. Er ist Mitarbeiter des Projekts "Cap4Access" unter der Leitung von Mohamed Bakillah an der Uni Heidelberg. Mit Kollegen und Freiwilligen war er im Neuenheimer Feld unterwegs. Ihre Aufgabe: Barrierefreiheit testen. In kleinen Gruppen verteilten sie sich über den Campus und überprüften, wo Rollstuhlfahrer hinkommen und wo nicht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit übertrugen sie in das Programm "Open Street Map", eine Art "Wikipedia für Karten", wie Hahmann erklärt. Also ein Kartenprogramm, das jeder nutzen und zu dem jeder einen Beitrag leisten kann. Auf der digitalen Karte vermerken die "Mapper", wie zugänglich bestimmt Orte sind. Grün heißt barrierefrei, gelb "teilweise rollstuhlgerecht" und rot unzugänglich für Rollstuhlfahrer. Die Früchte ihrer Arbeit finden sich dann auf www.wheelmap.org.
Auf dieser Seite kann man sehen, dass die "Mapper" schon fleißig waren. Heidelberg ist auf der Karte bedeckt von bunten Punkten. Allerdings auch noch von vielen grauen Stellen, an denen die Barrierefreiheit noch nicht überprüft und das Ergebnis noch nicht in das Programm eingespeist wurde. Um das zu ändern, gibt es "Mapping Partys" wie diese im Neuenheimer Feld. Hier werden Freiwillige mobilisiert und auf das Projekt aufmerksam gemacht. Die Arbeit sieht dabei denkbar unspektakulär aus. Mit Smartphone oder einfach nur Stift und Papier bewaffnet waren die Kartografen auf dem Campusgelände unterwegs, jedes Grüppchen begleitet von einem Rollstuhlfahrer. Und dabei stießen sie auf die eine oder andere Überraschung. "Die ,Zentralmensa' ist nicht für Rollstuhlfahrer zugänglich", erzählt beispielsweise Geografiestudentin Sophie Crommelinck. Sie hat sich gerne die Unigebäude angeschaut.
Wie auch Jessica. Die Schülerin der Stephen-Hawking-Schule findet das Projekt "auf jeden Fall gut". Als Rollstuhlfahrerin hatte sie aber auch ein paar Kritikpunkte: "Die Karte ist noch nicht so klar", sagt sie. Umso mehr freute sie sich aber über die anderen Partyteilnehmer: "Es sind sehr engagierte Leute." Deren Arbeit kommt allerdings einer Sisyphosaufgabe gleich. Wann Heidelberg komplett erfasst sein wird, wagt Stefan Hahmann nicht zu schätzen, das Projekt "Cap4Access" ende jedenfalls 2016, sagt er. Und Studentin Crommelinck ergänzt: "Die Arbeit geht immer weiter." Trotzdem schrecken sie vor den ehrgeizigen Zielen des Projekts nicht zurück: "Wir wollen die Barrierefreiheit über die Grenzen von Heidelberg hinaus, am besten europa- oder sogar weltweit vorantreiben."