Cybermobbing im Film und auf der Bühne
Realschüler erarbeiten unter Anleitung von Theaterprofis außergewöhnliches Projekt
Von Martina Birkelbach
Eberbach. "Mobbing ist an allen Schulen ein Riesen-Thema. Damit bin ich jede Woche beschäftigt; viele kommen in der Not zu uns, viele eben auch nicht. Das Thema treibt die Kinder um", sagt Regine Sattler-Streitberg. "Fantastisch", lautet der Kommentar der Rektorin, nachdem der "Wahlkurs Profitheater" gestern die Premiere des Films mit anschließendem Theaterstück "Bilder - Kleine Gesten. Es reicht" präsentierte.
Was die 13 Siebt- und Achtklässler in nur drei Wochen auf die Beine gestellt haben, dafür gab es von allen Schüler einen donnernden Applaus. Die Schauspieler überzeugten mit klaren Stimmen, einer tollen Choreografie und Selbstsicherheit. Zuerst vor den Fünf- und Sechstklässlern und bei einer zweiten Aufführung vor den Siebt- und Achtklässlern.
Es geht um Cyber-Mobbing. Die Schüler haben sich für das außergewöhnliche, einmalige und "freie" Projekt, das aus Spenden und Projektgeldern finanziert wurde, schriftlich beworben. Unterstützt von den Lehrern Jörg Keller und Christina Frischholz haben die Schüler mit "echten Profis" zusammengearbeitet: Mit Bühnenbildnerin Isabelle Semma und dem Schauspieler und Filmemacher David Grimaud (wir berichteten). Drei Projektwochen haben sie insgesamt daran gearbeitet, jeweils eine Woche im November, im Dezember und im Januar wurden sie aus dem "normalen" Unterricht herausgenommen.
Cybermobbing haben alle Nachwuchsschauspieler schon selbst erlebt, sowohl als "Wohltäter" als auch als Opfer. "Weder für den Film, noch für das Theaterstück gab es Textvorlagen", betont Frischholz. "Die Schüler haben alle Texte selbst geschrieben und die Figuren erfunden", bestätigen die Profis, die "nur unterstützend" am Projekt beteiligt waren. Grimaud ist vor der Premiere "total aufgeregt". "Mehr als wenn ich selbst auf der Bühne stehe, weil ich nicht eingreifen kann", gibt er zu.
Der etwa zehnminütige Film spielt in der Realschule und im Hotel Krone-Post. Grimaud hat den Film geschnitten, "die Gruppe war nachher völlig begeistert, dass sie selbst es waren, die darauf zu sehen sind". Fließend ist der Übergang vom Film auf die Bühne. Irena bekommt bedrohliche Bilder auf ihrem Handy, sie wird gemobbt. Vermutet wird, dass der Ex-Freund dahinter steckt, Polizei und Schulleitung werden eingeschaltet. Manche Rollen sind doppelt besetzt, einige Schüler stehen nicht auf der Bühne, haben dafür aber wichtige Funktionen hinter den Kulissen. Eine Schülerin hat fast die Hälfte der Texte geschrieben, eine andere war mithilfe von Semma für Maske und Kostüm zuständig und ein Schüler sorgte für Bühnenbild und Technik.
Auf der Bühne ist zuerst ein Wohnzimmer aufgebaut. Mit Sofa und einem liebevoll mit Decke und Obst dekoriertem Tisch. Der Szenenwechsel in die auf Stoff aufgemalte Schule: fließend. Alle arbeiten Hand in Hand. "Allein der Umbau war gar nicht so einfach. Den haben wir gefühlte zwei Stunden lang geübt", erklärt Grimaud. Donnernden Applaus gibt’s nach der insgesamt rund 45-minütigen Vorstellung.
"Es hat uns sehr gut gefallen", lautet ein Kommentar eines Schülers in der anschließenden "Fragestunde". "Was hat sich für die Schauspieler verändert?", möchte Sattler-Streitberg wissen. "Ich dachte zuerst, dass das voll schwer wird, aber dann war es ganz einfach", berichtet eine Schülerin der Gruppe. Und ein anderer sagt: "Dass es noch einen ganzen Film gab, voll krass". Profi Grimaud bemerkt, dass "die Schüler immer wieder über sich selbst als Schauspieler gestaunt haben". Durch das Projekt "finden sich die Schüler in der Schule" und "sie können an dem Projekt reifen", sind sich die Rektorin, die Künstler und Lehrerin Frischholz einig.
Für Grimaud und Semma ist die Arbeit in der Realschule erst einmal beendet. "Es wird noch Abschlussbesprechungen geben", sagen sie, doch dann ziehen sie weiter. Das Projekt wird aber wohl einmalig an der Schule bleiben. "Wenn wir Geld hätten, würden wir natürlich damit weitermachen", bedauert Sattler-Streitberg.
Ob der Film und Theaterstück noch einmal präsentiert werden, steht noch nicht fest. Die Schulleitung überlegt derzeit, eventuell den Film an einem "Abend der offenen Tür" zu zeigen - vielleicht auch an einem Elternsprechtag.