Zu viel und schneller Verkehr auf sowie ein kurioser „anderer Radweg“ neben der Fahrbahn der Ringstraße sorgen in Walldürn für Unmut. In der Einwohnerfragestunde des Gemeinderats haben am Montag zwei Anwohnerinnen Kritik geübt. Foto: Janek Mayer
Walldürn. (jam) "Die Ringstraße wurde im Jahr 1990 als Entlastungsstraße ausgewiesen. Mittlerweile ist sie aber eine Belastungsstraße für die Anwohner." Carmen Stumpf fand in der Einwohnerfragestunde der Gemeinderatssitzung am Montag deutliche Worte für die Situation entlang der zentralen Walldürner Verkehrsader. Mit ihren Sorgen steht sie nicht alleine da. Eine weitere Anwohnerin, Christa Kilian, schlug in ihrem Redebeitrag in die gleiche Kerbe, richtete den Fokus aber vor allem auf das Radfahren. Sie moniert, "wie gering der Radverkehr in Walldürn geschätzt wird".
Beide hadern vor allem mit dem gestiegenen Verkehrsaufkommen. Eine Verkehrszählung des Gemeindeverwaltungsverbands im Herbst habe laut Carmen Stumpf ergeben, dass mittlerweile täglich 5000 Fahrzeuge die Ringstraße nutzen. Das führe nicht nur zu mehr Lärm, sondern gefährde Radfahrer, Schüler und Fußgänger. "Häufig benutzen Lastwagen, Busse und große Traktoren den Gehweg als Ausweichstrecke, um bei Gegenverkehr nicht anhalten zu müssen", sagt Stumpf. Und Kilian bestätigt: "Unseres Erachtens ist diese Straße nach dem Ausbau vor zehn Jahren für diesen starken Verkehr zu schmal." Beobachtungen der Anwohner zufolge rasen zudem vor allem in den Abend- und Nachtstunden viele Verkehrsteilnehmer auf der Strecke.
Bei einem Gespräch mit Bürgermeister Markus Günther vor zwei Jahren habe man auf die angespannte Verkehrssituation hingewiesen und eine Unterschriftenliste übergeben. "Seit dieser Zeit ist nichts geschehen und man wartet immer noch auf Antwort", sagt Carmen Stumpf. Günther bestätigte in der Sitzung, dass er eine Prüfung signalisiert habe: "Ideen nehmen wir gerne entgegen."
Den Wunsch der Anwohner hat die Stadt allerdings bereits vor zwei Jahren entgegengenommen. Damals wie heute fordern sie, auf der Ringstraße und – als ihre Verlängerung – auf dem Theodor-Heuss-Ring Tempo 30 einzuführen. Aktuell gilt diese Geschwindigkeitsbegrenzung lediglich auf Höhe des evangelischen Kindergartens und des Auerberg-Schulzentrums.
Für Christa Kilian sind die beiden kurzen 30er-Zonen ebenfalls zu wenig. Sie sei bereits in mehrere "unschöne Zwischenfälle" mit Autofahrern geraten. Dabei hätten diese die Anwohnerin "aggressiv" angegangen, weil sie mit ihrem Fahrrad auf der Ringstraße selbst fuhr. Trotzdem empfiehlt sie Radlern, die Fahrbahn zu benutzen, weil man dort eher wahrgenommen werde.
Stein des Anstoßes ist für sie der ungewöhnliche, weil zweifarbige Gehweg entlang der Ringstraße. Vielen Walldürnern sei nicht bekannt, dass es sich bei der inneren der beiden Spuren mitnichten um einen ausgewiesenen Radweg handelt. Denn dafür fehlt die entsprechende Beschilderung. Eine solche gab es zwar vor mehr als einem Jahrzehnt, aber: "Nach einem Unfall vor über zehn Jahren mussten die Radwegschilder auf dem Gehweg wieder abgebaut werden", erinnert sich Christa Kilian. Seitdem bezeichnet die Verwaltung den rotbraun markierten Radstreifen als "anderen Radweg". Radfahrer können diesen nutzen, müssen es jedoch nicht. "Was sich beidseitig neben der Fahrbahn befindet, ist weder ein sicherer Radweg noch ein sicherer Gehweg", schätzt Anliegerin Erna Neckermann die Verkehrssituation ein.
Beide, Neckermann und Kilian, fordern neben der Einrichtung von Tempo 30 eine Beschilderung für Autofahrer, um diese darauf aufmerksam zu machen, dass Radfahrer die Fahrbahn der Ringstraße benutzen dürfen. "Weitere Fahrrad-Piktogramme auf dem Radstreifen helfen da nicht weiter, da sie noch mehr rabiate Autofahrer animieren, uns von der Straße zu entfernen", warnt Kilian.
Eine pauschale Geschwindigkeitsbeschränkung auf Vorfahrtsstraßen ist jedoch gar nicht so einfach umzusetzen. Laut Straßenverkehrsordnung können Kommunen Tempo 30 nur für klar geregelte Bereiche anordnen. Dazu bedarf es einer konkreten Gefahrenlage und eines erhöhten Unfallrisikos ohne Möglichkeit, die Verkehrssicherheit anderweitig zu verbessern. Eine Gefahrenlage besteht zudem, wenn sich Unfälle häufen.
Alternativ kommt ein Tempolimit in Betracht, wenn die Lärmwerte tagsüber den Schallpegel von 70 dB(A) und nachts 60 dB(A) überschreiten. In diesem Fall ist das Regierungspräsidium zuständig, wie Pressesprecherin Irene Feilhauer bestätigt. Dafür muss die Stadt Walldürn jedoch zuerst einen Lärmaktionsplan einreichen. "Von der Gemeinde liegt uns nichts vor", lässt das Regierungspräsidium wissen.
Dass zumindest bei Kindergarten und Schule Tempo 30 gilt, ist einer relativ neuen Verwaltungsvorschrift geschuldet. Im unmittelbaren Bereich von Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern soll Tempo 30 angeordnet werden – und das ohne den früher dafür notwendigen Nachweis einer besonderen Gefahrenlage.
Ein Blick ins Archiv zeigt, dass es in der Ringstraße immer wieder zu Unfällen mit Rad- und Autofahrern kommt. Im September übersah ein Audifahrer einen 15-Jährigen, der daraufhin von seinem Rad stürzte und sich leicht verletzte. Ähnlich gelagerte Unfälle finden sich zum Beispiel im November 2019 und August 2013. In all diesen Fällen haben Autofahrer in der Ringstraße die Vorfahrt eines Radfahrers missachtet, der daraufhin stürzte und sich leicht verletzte.
Ob diese einzelnen Unfälle ausreichen, um für die übrigen Streckenabschnitte in der Ringstraße Tempo 30 anzuordnen, wollte die RNZ am Montag beim Gemeindeverwaltungsverband und der Stadtverwaltung erfahren. In beiden Behörden waren die zuständigen Ansprechpartner jedoch nicht erreichbar.