Höpfingen

Bekommt der Schlempertshof den neuen Milchviehstall?

Streit zwischen Familien - Nach langer Diskussion erteilt Höpfinger Gemeinderat Bauantrag

09.10.2018 UPDATE: 09.10.2018 19:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Der Ort des Geschehens: rechts die Rundbogenhalle der Familie Ott. Auf dieser Seite des Weges soll der moderne Milchviehstall gebaut werden. Links im Hintergrund ist der Ferienbauernhof Gerig zu sehen. Foto: Adrian Brosch

Höpfingen. (adb/rüb) Dass es eine bemerkenswerte Ratssitzung werden würde, war am Montagabend schon zehn Minuten vor Beginn klar: Bürgermeister Adalbert Hauck schaffte eilig noch einige Stühle herbei, um dem großen Ansturm der Zuhörer gerecht zu werden. Doch auch diese reichten am Ende nicht aus, so dass der ein oder andere die lebhafte Diskussion um den umstrittenen Neubau eines Milchviehstalls auf dem Schlempertshof stehend verfolgte.

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Die Familie Ott plant den Bau eines innovativen Milchviehstalls

"Wir möchten der nächsten Generation einen modernen, zukunftsorientierten Betrieb übergeben", sagt Klaus Ott, "und die ganze Familie arbeitet mit Herzblut an der Vision eines neuen

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Die Familie Ott plant den Bau eines innovativen Milchviehstalls

"Wir möchten der nächsten Generation einen modernen, zukunftsorientierten Betrieb übergeben", sagt Klaus Ott, "und die ganze Familie arbeitet mit Herzblut an der Vision eines neuen Stalles." Über 200 Jahre lässt sich die landwirtschaftliche Tradition der Familie Ott auf dem Schlempertshof zurückverfolgen. Die Zeit ist aber nicht stehengeblieben: Damit auch die Hofnachfolge, die in Person von Sohn Wolfgang schon in den Startlöchern steht, eine Perspektive hat, möchten die Otts einige hundert Meter von ihrem Hof entfernt einen innovativen Stall für mehr als 250 Kühe bauen. Das Bauvorhaben wurde sogar als Modellprojekt für die Verbesserung des Umwelt- und Tierschutzes in der Rinderhaltung ausgewählt - als eines von nur zwei im Regierungspräsidium.

Seit zehn Jahren beschäftigt sich die Familie Ott mit der Frage eines möglichen Neubaus. Auf ihrem Hof ist keine Expansion möglich: Für die Tierhaltung existiert zwar ein Bestandsschutz, aber eine Ausweitung könnte dort nicht genehmigt werden - unabhängig davon, dass auch kein Platz vorhanden ist. "Seit 2008 sind wir auf Standortsuche, und wir waren dabei immer im Austausch mit den Fachbehörden, aber auch mit der Familie Gerig", erklären die Otts. Die Vorgaben waren dabei klar: Der neue Stall soll so weit vom Schlempertshof entfernt wie möglich errichtet werden, um mögliche Belästigungen zu minimieren.

Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Windrichtung bei der Suche nach dem idealen Standort eine elementare Rolle spielt, erklärt Wolfgang Ott, der in Triesdorf Landwirtschaft studiert. Und so seien die Flächen im Gewann "Hofäcker" in den Fokus gerückt. An der nördlichen Grenze der zwölf Hektar, direkt an der Gemarkungsgrenze zu Dornberg, sei sowohl die vorausgesetzte Erschließung als auch der notwendige Abstand zum Schlempertshof gewährleistet.

Intensiviert wurden die Planungen, als vor einigen Jahren die Entscheidung fiel, dass Sohn Wolfgang in den elterlichen Betrieb einsteigt: "Der jetzige Standort ist extrem eingeschränkt und die Arbeitsbelastung sehr hoch, so dass der nächsten Generation nur mit einem Neubau eine Perspektive gegeben ist." Bereits 2014 wurde mit dem Bau der Güllegrube der Grundstein für die neue Hofstelle gelegt. Eine Rundbogenhalle als Strohlager zeigt die weitere Betriebsentwicklung. Zudem hat die Familie Ott das ehemalige Ste᠆chert-Gebäude erworben, um es künftig als Wohnhaus zu nutzen - denn direkte Nähe sei in der Tierhaltung Voraussetzung.

Zentrales Element des Konzepts ist der Bau eines Milchviehstalls mit integrierter Gülleveredelungsanlage. Dabei handelt es sich um eine Biogasanlage, die ausschließlich mit betriebseigenem Mist und eigener Gülle betrieben werden soll. Die Altgebäude werden weiter genutzt. Dort soll nun das Jungvieh gehalten werden, insgesamt aber deutlich weniger Tiere als bisher. Hier wäre dann ausreichend Platz, um alle Maschinen und Fahrzeuge für den Ackerbau unterstellen zu können.

Der neue Stall besteht aus zwei Liegehallen für ca. 250 Kühe und einem Melkhaus. Zur Steigerung des Tierwohls soll zwischen den Liegehallen ein für die Kühe frei zugänglicher Laufhof entstehen. Geplant ist außerdem ein automatisches Fütterungssystem. Der elektrisch angetriebene Fütterungsroboter füttert mehrfach am Tag und fast geräuschlos. "Bei der Planung eines neuen Stalls lassen sich kurze Wege und modernste Technik einbauen, um die Betriebsabläufe zu optimieren", erklärt Wolfgang Ott. Davon profitierten letztlich die Umwelt, die Tiere und die Landwirte, die ihre Arbeitskraft zielführender einsetzen können.

Dieses Konzept hat auch die Verantwortlichen im Ministerium für Ländlichen Raum sowie im Regierungspräsidium überzeugt. Anfang August erhielten die Otts die Zusage für das EIP-Programm (Europäische Innovationspartnerschaft). Hinter dem von der EU finanzierten Projekt steht das Ziel, innovative Bauprojekte in der Rinderhaltung zu planen, umzusetzen und wissenschaftlich zu begleiten. Der Fokus liegt darauf, die positiven Folgen für Tierwohl, Umweltschutz und Emissionsminderung unter Praxisbedingungen zu erproben. Die Begleitforschung wird von der Universität Nürtingen durchgeführt. Vorgesehen ist auch ein Besucherlehrpfad, der sich, so die Hoffnung von Andrea Ott, zu einem Besuchermagneten entwickeln könnte. Doch die Zeit drängt: Für die Förderung muss das Vorhaben innerhalb von zwei Jahren realisiert sein.

Der Knackpunkt ist etwa 200 Meter vom geplanten neuen Standort des Stalls entfernt: der Ferienbauernhof der Familie Gerig. Die Otts sind sich sicher, dass es durch ihr Projekt zu keinen wesentlichen Beeinträchtigungen für die Feriengäste kommen wird. Laut des von ihnen in Auftrag gegebenen Emissionsgutachtens sei auf Grund der vorherrschenden Windrichtung davon auszugehen, dass ein Großteil der Gerüche Richtung Dornberg weggeweht wird. Was den zusätzlichen Verkehr angeht, würden hauptsächlich Fahrten für Futteranlieferung und Gülleausbringung anfallen - jedoch auf wenige Tage im Jahr beschränkt.

Auch wenn der Gemeinderat sich nun mit knapper Mehrheit für ihren Bauantrag ausgesprochen hat, sieht sich die Familie Ott "nicht als Gewinner". "Wir hoffen vielmehr darauf, dass das eine Chance ist, dass wieder aufeinander zu gegangen wird", sagt Klaus Ott. Denn: "Wir sind nach wie vor an einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis interessiert und sind überzeugt, dass Ferien auf dem Bauernhof und moderne Tierhaltung voneinander profitieren können." (rüb)

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Der Vorschlag des Bürgermeisters, das Thema zu vertagen, wurde mit neun zu fünf Stimmen abgelehnt. Das Baugesuch erhielt dann mit acht zu sechs Stimmen (bei je einer Enthaltung) eine knappe Mehrheit. Damit ist das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Über den Bauantrag selbst wird die Baurechtsbehörde des Gemeindeverwaltungsverbands entscheiden.

Bürgermeister Hauck stellte das Bauvorhaben vor und hob auch die Notwendigkeit eines Neubaus für den "aus allen Nähten platzenden" Betrieb Ott heraus. Das Vorhaben passe auf den landwirtschaftlich geprägten Schlempertshof.

Durch die dann entstehenden zwei Betriebsstätten und das einhergehende erhöhte Verkehrsaufkommen seien aber Belästigungen der Feriengäste des Hofs Gerig zu befürchten. Er maße sich jedoch kein Urteil an: "Das müssen Fachleute und Gutachten klären."

Klaus Ott (r.) und seine Familie - Ehefrau Andrea, die Kinder Wolfgang, Martin und Johanna sowie Wolfgangs Freundin Fabienne - freuen sich auf den neuen Milchviehstall. Foto: Rüdiger Busch

Hauck regte ein Gespräch zwischen den Beteiligten an, um eine gütliche Lösung zu finden - etwa einen anderen Standort oder eine neue Zufahrt. Denn: "Das Schlimmste, was passieren kann, wäre, wenn das Thema die Gerichte beschäftigen würde!"

Er stellte den Antrag, den Beschluss um ein, zwei Monate zu vertagen, bis alle Gutachten vorliegen. "Ein schneller Entschluss bringt keine Gewinner", sagte Gemeinderat Andreas Fürst und teilte damit Haucks Ansicht. Schließlich müsse man vor Ort über Generationen mit den Tatsachen leben.

Sein Amtskollege Herbert Frisch sah dies dagegen völlig anders: "Die Rollen sind klar verteilt: Über die Einwendungen des Nachbarn hat die Baurechtsbehörde zu befinden und nicht der Gemeinderat!" Maßgeblich seien für ihn zwei Dinge: Das Vorhaben liegt im Außenbereich, so dass es grundsätzlich zulässig sei.

Zudem habe der Gemeinderat im Mai 2017 der Bauvoranfrage zugestimmt. "Daran ist der Gemeinderat gebunden - außer bei wesentlichen Veränderungen, und die sehe ich hier nicht", so Frisch, der auch auf die zugesagten EU-Gelder hinwies. Bei einer Verzögerung drohe der Wegfall der Zuschüsse.

Auch Thomas Greulich wies auf den Vorbildcharakter des Projekts hin. "Das Konzept überzeugt und lässt den Schluss zu, dass die mögliche Mehrbelastung im Verkehr zumutbar ist", sagte er und bezeichnete die Befürchtungen der Familie Gerig als "verständlich, aber zu pessimistisch". Der Antragsteller dürfe deshalb nicht unnötig hingehalten werden.

Hintergrund

Die Familie Gerig befürchtet gravierende Auswirkungen auf ihren touristischen Betrieb

"Wir haben nie vorgehabt, die Entwicklung des Betriebs Ott zu verhindern", erklärt Stefan Gerig, "aber wir sehen in dem neuen Standort ein riesiges Konfliktpotenzial,

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Die Familie Gerig befürchtet gravierende Auswirkungen auf ihren touristischen Betrieb

"Wir haben nie vorgehabt, die Entwicklung des Betriebs Ott zu verhindern", erklärt Stefan Gerig, "aber wir sehen in dem neuen Standort ein riesiges Konfliktpotenzial, das die Zukunft unseres Ferienbetriebs und damit meiner Generation in Frage stellt." Den 27-jährigen studierten Landwirt treibt die Sorge um, dass sein Hof künftig zwischen den beiden Betriebsstätten der Familie Ott eingekeilt wäre. Die mögliche Folge: Die direkt an den Ferienhäusern liegende Straße wäre viel stärker als bislang befahren, worunter die Gäste leiden würden.

Um dies zu verhindern, habe seine Familie den Otts bereits vor Jahren eine 5,8 Hektar große Ackerfläche südlich des Hofs Ott zum Tausch angeboten. "Damit hätte jeder leben können", sagt Stefan Gerig. Dieser Standort hätte auch eine Reihe von Vorteilen für die Familie Ott mit sich gebracht wie etwa kürzere Wege oder die Möglichkeit einer Weidewirtschaft. Auf diesen Vorschlag sei aber nicht eingegangen worden. Weshalb, das ist für Stefan Gerig ein Rätsel.

"Wir haben immer das Gespräch gesucht und nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht", unterstreicht der Junglandwirt. Dieser Wunsch sei aber von der Gegenseite abgeschlagen worden. Auch Vermittlungsversuche durch Bürgermeister Hauck seien verweigert worden.

Um die möglichen Auswirkungen auf den Ferienbetrieb zu untersuchen, hat die Familie Gerig bei mehreren Tourismusexperten nachgefragt. Die seien sich alle einig: "Wird das Großprojekt Ott so wie geplant verwirklicht, hat unser Ferienbauernhof keine Zukunft."

Seit mehr als 50 Jahren gibt es bei den Gerigs "Urlaub auf dem Bauernhof", in drei Ferienhäusern und einer Ferienwohnung. 2500 Übernachtungen zählt der als familienfreundliche Betrieb ausgezeichnete Bauernhof im Jahr - dies könnte aber schon bald vorbei sein, befürchtet Stefan Gerig. Die Schlafzimmer der Gästehäuser würden direkt an der Straße liegen - mit der Urlaubsruhe wäre es schnell vorbei, wenn sich der Verkehr so entwickelt, wie von ihm prognostiziert. Mit 30 Fahrten zum neuen Stall mit Traktor, Radlader oder Lkw rechnet er pro Tag im Durchschnitt.

Beeinträchtigungen befürchten die Gerigs aber nicht nur den Verkehr. Schon eine schlechte Bewertung in einem Internetportal könne gravierende Folgen für den Betrieb haben. "Ich sehe meine Zukunft im Ferienbetrieb", betont Stefan Gerig. "Diese Zukunft wird aber durch die Pläne gefährdet."

Den Kopf in den Sand steckt die Familie Gerig nun aber nicht: "Wir sind nach wie vor bereit für Gespräche." Bei der Suche nach Lösungen wäre eine mögliche Option die von Bürgermeister Hauck in der Ratssitzung vorgeschlagene Schaffung eines neuen Verbindungswegs zwischen den beiden Betriebsstätten der Familie Ott. "Das würde auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung bedeuten", meint auch Stefan Gerig. Ihm geht es darum, einen Konflikt zu verhindern, der möglicherweise über Generationen den Frieden zwischen den beiden Familien und des gesamten Schlempertshofs bedrohen könnte. Sein Appell: "Lasst uns deshalb gemeinsam einen Kompromiss für alle finden!"

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"Niemand will den Bau bewusst verzögern", sagte Bürgermeister Hauck. Es handle sich aber um ein sehr komplexes Baugesuch, für dessen Genehmigung den Behörden noch nicht alle Unterlagen vorlägen. Gemeinderat Stefan Michel sprach sich deshalb für eine Vertagung aus. Sein Wunsch: "Wir wollen den Frieden auf dem Schlempertshof erhalten." Herbert Frisch sagte, dass er dieses Ziel teile. Seiner Ansicht nach wäre ein Beschluss des Gemeinderats aber wichtig, um den Frieden wiederherzustellen.

Die Gäste schätzen die Ruhe und Idylle des Ferienbauernhofs. Die Familie Gerig befürchtet aber, dass es damit bald vorbei sein könnte. Foto: Rüdiger Busch

Helmut Häfner monierte, dass ursprünglich geplant gewesen sei, den alten Betriebsstandort aufzugeben. Dass davon nun keine Rede mehr sei, stelle eine deutliche Abweichung von der Bauvoranfrage dar, weshalb er mit Nein stimme. Grundsätzlich sei er dem Vorhaben gegenüber aber positiv eingestellt.

Jürgen Kuhn erinnerte an die Gefahr für Kinder durch das erhöhte Verkehrsaufkommen. Er bedauerte die "Interessenkollision" zweier Betriebe, die "für uns beide sehr wichtig sind". Schließlich appellierte Josef König an die beiden Familien: "Geht aufeinander zu!"

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