Weinheimer Weststadt-Treff

Wenn die soziale Kälte draußen bleibt

"Wohnzimmer" platzte bei Eröffnung aus allen Nähten - Für Bedürftige gibt’s Weihnachtsbaum auf Rädern

03.12.2018 UPDATE: 04.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Der Treffpunkt in den Räumen eines früheren Friseurgeschäfts erfreut sich großen Ziel ist, den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Knapp zwei Jahre nach seiner Gründung im Juli 2016 hat der Bürgerverein Weinheim-West mit der Eröffnung des Cafés "Wohnzimmer" ein Etappenziel erreicht. Im Stadtteil gibt es jetzt einen (weiteren) Generationentreffpunkt für Jedermann. "Zusammenkunft ist ein Anfang. Zusammenhalt ist ein Fortschritt. Zusammenarbeit ist der Erfolg", nennt Vorsitzende Marion Hördt den obersten Grundsatz des aktuell rund 30 Mitglieder zählenden Vereins, der den Bewohnern der Weststadt eine Stimme geben will.

Die gesellschaftliche und demografische Entwicklung des Stadtteils verlange nach mehr Aufmerksamkeit, gerade im sozialen Bereich, erklärte Hördt vor den Eröffnungsgästen des aus allen Nähten platzenden "Wohnzimmers". Dank der jeweils anteiligen finanziellen Unterstützung der Freudenberg Gruppe und des Lions Club Weinheim stehen 10.000 Euro an Startkapital zur Verfügung.

Darüber hinaus haben private Spender ihr Scherflein beigetragen, etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter der SAP: Sie haben die zuvor als Friseurgeschäft genutzten Räume farblich aufgefrischt. Das Einrichtungshaus Jäger aus Birkenau sorgte für eine ansprechende Ausstattung und Möblierung.

"Ohne den Glauben an unser Projekt hätten wir das Ganze nicht stemmen können", blickte Hördt während der Einweihungsfeier bei Kaffee, Kuchen und Weihnachtsgebäck auf die vorhergehenden Monate zurück. Hintergrund: Eine zunächst an anderer Stelle ins Auge gefasstes "Wohnzimmer" war am Widerstand der übrigen Mieter des Hauses gescheitert.

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Als Glücksfall und Retterin in der Not erwies sich schließlich die jetzige Vermieterin. Sie hatte von der Enttäuschung der Vereinsmitglieder erfahren und bot dem Verein die Räume nach dem Auszug des bisherigen Mieters an. Das Café solle zu einem Ort der Begegnung werden, "in dem man Probleme einfach draußen lassen und Menschen treffen kann, um sich mit ihnen auszutauschen", fasst Hördt die Idee des generationenübergreifenden Treffs zusammen. Es soll ein Raum werden, der soziale Wärme vermittelt, der menschliche Vielfalt zulässt und in dem man einander mit Respekt begegnet, so der Zweite Vorsitzende Günter Pröhl.

Gleichzeitig soll das "Wohnzimmer" Anlaufstelle für Menschen in Not sein. Bei Bedarf sollen die Besucher Erstberatung und Hilfestellung bekommen - und an kompetente Stellen vermittelt werden. In diesem Sinne hat man sich für Thementage mit Vorträgen, für Mitmach- und Kreativangebote oder zur Hausaufgabenbetreuung die "Akademie der Vielfalt" ins Boot geholt.

"Aus verrückten Ideen werden gute Projekte", zeigten sich Erster Bürgermeister Torsten Fetzner und Weinheims OB-Wahlsieger Manuel Just als Eröffnungsgäste von dieser "in Weinheim bisher einmaligen Einrichtung" begeistert. Wer das "Wohnzimmer" betrete, fühle sich hier sofort wohl. Oberster Gedanke sei hier aber nicht das Café an sich, sondern der Aspekt, "soziale Kälte aufzufangen und ein solidarisches Miteinander zu fördern".

Aus der Fülle der Aktionen ragt unter anderem das Angebot "Weihnachtsbaum auf Rädern" heraus. Dabei stellt der Verein für Bedürftige kostenlos ein knappes Dutzend, gut 60 Zentimeter hohe Weihnachtsbäume zur Verfügung. "Wir schmücken sie und holen sie nach den Feiertagen auch wieder kostenlos ab", so Hördt. Darüber hinaus ist das "Wohnzimmer" an Heiligabend bis 21 Uhr geöffnet, es gibt kostenlos Essen und Beisammensein bei Unterhaltung und Spiel. Niemand müsse an diesem Abend allein sein, sagen die Betreiber: "Jeder, der möchte, darf sich dazugesellen."

Ein anderes vorbildliches Beispiel der guten Tat: Beim sogenannten "Caffè sospeso", der aus Neapel stammenden Idee eines "aufgeschobenen Kaffees", geht es darum, dass ein Gast sich eine Tasse Kaffee bestellt, aber zwei bezahlt. Mit einem Strich auf einer Tafel wird hinter der Theke vermerkt, wie viele auf diese Art und Weise vorhandene "unentgeltliche" Kaffees zu haben sind. Kommt ein bedürftiger Mensch ins "Wohnzimmer", so Hördt, "kann er sich mit einem spendierten Kaffee einfach dazugesellen und muss nicht außen vor bleiben".

Info: Das"Wohnzimmer" in der Breslauer Straße 3 hat werktäglich jeweils von 8 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 8 bis 14 Uhr geöffnet. Als Besonderheit gibt es an Sonntagen bis 12 Uhr jeweils ein "Langschläfer-Buffet". An Mittagessen stehen unter anderem Eintopfgerichte, Frikadellen oder Puddingnudeln auf dem Speiseplan. Ein Mittagessen kostet zwischen 2,50 und 4,50 Euro.

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