Pole-Dance Leutershausen

Wie Ballett in Schräglage

Die rund 100 Mitglieder finden aus Worms, Frankenthal, Bensheim oder Schwetzingen ihren Weg nach Hirschberg

28.05.2018 UPDATE: 29.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden

Was den Anschein von Schwerelosigkeit erweckt, erfordert in Wirklichkeit viel Kraft: Hier zeigen die Trainerinnen Julia Stein und Anna Rosak (re.) eine Pole-Dance-Figur. Foto: Kreutzer

Von Marco Partner

Hirschberg-Leutershausen. Graziös schwingt sich die Tänzerin um die silberne Stange, verharrt kopfüber gebeugt in der Senkrechte und breitet die Arme weit zu einem Kruzifix aus - als würde sie schweben. Dann verlagert Julia Stein die Spannung: Die Beine waagrecht nach hinten gedehnt, die rechte Hand weit nach vorne gestreckt, fliegt sie wie von unsichtbaren Fäden getragen auf der Stelle. Was den Anschein von Superman oder federleichter Schwerelosigkeit erweckt, erfordert in Wahrheit viel Kraft und Balance.

Seit vier Jahren ist Julia Stein Pole Dancerin. Im "Pole Dance & Fitness Rhein-Neckar"-Studio in Leutershausen haben sie und ihr Sport eine Heimat gefunden. Ein Sport, der sich längst von seinem Striptease-Image befreit hat und nicht nur kurz davor steht, olympisch zu werden, sondern auch drauf und dran ist, sich zu einem beliebten Breitensport aufzuschwingen.

"Es ist das perfekte Ganzkörper-Workout. Du fühlst dich einfach toll danach", schwärmt die 23-jährige Hirschbergerin nach ihrer intensiven Trainingseinheit an der Stange. Viele Jahre schon hielt Stein in der Region Ausschau nach den artistisch anmutenden Leibesübungen. Fündig wurde die Studentin letztlich in ihrem eigenen Heimatort.

Im November 2014 übernahm Anna Rosak das ehemalige Boxkampfstudio in der Heddesheimer Straße. Für die 38-jährige Mannheimerin das perfekte Ambiente: "Es ist kein typisches Studio mit weißen Wänden. Mir gefällt der Industrie-Style", sagt sie mit Blick auf die Ventilatoren und offenen Rohre an der Decke. Ins Auge stechen in dem mit Spiegeln behangenen Raum aber weniger die waagrechten, sondern die fünf senkrechten Stangen.

Einen bestimmten Namen haben sie nicht. Aber viele bleiben sprichwörtlich an ihnen hängen, wenn sie sie erst mal berühren. 2011 entdeckte Rosak den Stangentanz für sich. "Es ist diese Verbindung von Tanz, Kraft und Akrobatik", sagt die Tochter zweier Tänzer, die in ihrem Leben schon viele Tanz- und Sportarten von Ballett bis Zumba ausübte. "Aber Pole Dance hat von allem etwas. Es ist ganzheitlich, sinnlich, fast elfengleich." Und tatsächlich: Es wirkt ein wenig wie ein Anklettern gegen die Erdanziehung, wie ein Ballett in Schräglage, wenn die beiden Trainerinnen Rosak und Stein ihre schwungvollen Pirouetten um die Stange drehen. Viel Bewegung, sichtbare Ästhetik, große Begeisterung. Ein Tanz zwischen Schwerkraft und Körperbeherrschung.

"Am Anfang kostet es schon Überwindung, wenn man den Boden unter den Füßen verliert", erklärt Rosak. Langsam, aber stetig müsse man deshalb insbesondere in den Handgelenken Kraft aufbauen, um nicht nur wie ein Feuerwehrmann die Stange hinabzurutschen. Doch die ersten Erfolge seien schnell spürbar, nicht nur der Muskelkater.

Körperliche Voraussetzungen gebe es im Grunde keine. "Man muss nicht spindeldürr sein, um bei uns mitmachen zu können", ist ihr wichtig zu betonen. Deshalb sind die Trainingseinheiten in verschiedene Schwierigkeitsstufen eingeteilt. "Es beginnt mit einfachen Übungen. Aber man macht schnell Fortschritte", erklärt Sarah (30), weshalb sie die einfache Stange den unzähligen Geräten in Fitnessstudios vorzieht.

Fast 100 Mitglieder zählt das Studio mittlerweile. Aus Worms, Frankenthal, Bensheim oder Schwetzingen finden die Pole Dancer den Weg nach Hirschberg. Die ältesten Teilnehmerinnen sind über 60, die jüngsten 15 Jahre alt. Vereinzelt üben sich auch Männer an der Stange.

Und ob nicht doch noch etwas dran ist, an dem verruchten Vorurteil? "Bei den ersten Trainingsstunden von unseren Jugendlichen kommen die Mütter meistens mit", verrät Rosak. Um sich vergewissern, was es mit dem Tanz an der Stange überhaupt auf sich hat. Am Ende machen manche Mütter selbst mit. Und genau das mache auch den Charme aus. "Wir haben Hausfrauen, junge Mädels, Studentinnen, Mütter und ältere Frauen, die alle ein ganz normales Arbeitsleben führen. Ich glaube nicht, dass von ihnen eine im Rotlichtmilieu unterwegs ist", sagt die Trainerin lachend.

Pole Dance rücke stattdessen den Alltag wieder ins Gleichgewicht. Wenn durch die Übungen an der Stange Stress abgebaut, Körperspannung aufgebaut und Selbstbewusstsein erlangt wird. "Und sich gut bewegen können, das will doch jeder", weiß Rosak.

Info: Das "Pole Dance & Fitness Rhein-Neckar"-Studio befindet sich in der Heddesheimer Straße 39, Hirschberg-Leutershausen. Neben dem Stangentanz werden auch Aerial Hoop, Stretchkurse, Body Art und weitere Fitness-Programme angeboten. Auch für Junggesellinnenabschiede ist das Studio buchbar. Weitere Informationen gibt es im Internet auf der Homepage www.pole-dance-and-fitness-rhein-neckar.de.

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