Die Mimen simulierten "Verletzungen", um die sich die Rettungskräfte kümmern mussten. Foto: Dorn
Von Florian Busch
Weinheim. Ein Großaufgebot von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften rückte am Freitagabend gegen 20 Uhr in den Norden der Zweiburgenstadt aus. Im Saukopftunnel war ein Brand an einem Bus ausgebrochen. Dieser hatte zuvor schon einen technischen Defekt erlitten und kam durch eine Vollbremsung zum Stehen. Schaulustige verursachten daraufhin mehrere Auffahrunfälle.
Der Brand konnte relativ schnell gelöscht werden, allerdings kam es im Anschluss zu einer Rauchentwicklung im Tunnel. Viele der Unfallbeteiligten mussten sich durch den angrenzenden Fluchtstollen nach draußen retten. Zunächst gingen die Einsatzkräfte von 15 Leicht-, sechs Mittelschwer- und acht Schwerverletzten aus. Insgesamt waren 53 Personen am Unfall beteiligt. Die Feuerwehr Weinheim war mit 40 Kräften im Einsatz, und auch das Deutsche Rote Kreuz hatte gut 50 Rettungskräfte vor Ort.
Tunnelzentrale kann Autoradios ansteuern
Auch wenn es sich bei dem Einsatz nur um eine groß angelegte Evakuierungsübung handelte: So ähnlich könnte sich das Geschehen auch in Wirklichkeit abspielen. "Das ist eine Riesen Hausnummer", sagte der Sprecher der Feuerwehr Weinheim, Ralf Mittelbach, über die Anzahl der Beteiligten. Auch die Feuerwehr Birkenau war bei der Übung dabei. Der Tunnel verbindet das baden-württembergische Weinheim mit der hessischen Nachbarkommune. Deswegen sind beide Wehren zuständig. Die Einsatzleitung hatte Weinheims Feuerwehrchef Sven Lillig.
Gemeinsame Einsätze in solchen Fällen richtig zu koordinieren, fällt nicht immer leicht. Ein großes Problem ist laut Mittelbach vor allem die unterschiedliche Kommunikationstechnik. Das Land Hessen sei schon vor Jahren auf den Digitalfunk umgestiegen, Baden-Württemberg habe dies bis heute noch nicht gemacht. Trotzdem habe man untereinander ein "sehr gutes Verhältnis" und arbeite gern zusammen. Die Übung am Freitagabend war größer angelegt als sonst üblich. Der Unterschied bestehe darin, dass bei den bisherigen Übungen zwar der Unfall simuliert wurde, nicht aber die Evakuierung der Menschen, so Mittelbach. Die selbstständige Rettung Vieler durch den Fluchtstollen sei eine Besonderheit. Dieser verläuft parallel zum Tunnel und ist durch feuersichere Türen abgetrennt. Durch ihn können sich Menschen ins Freie in Sicherheit bringen, wenn zum Beispiel durch Rauch im Tunnel Gefahr besteht.
Bei der Übung kamen auch etwa 40 "Mimen" als Unfallbetroffene zum Einsatz. Mit vorgetäuschten Beschwerden mussten sie zunächst gerettet und im Anschluss ärztlich untersucht und versorgt werden. Dabei versuchte man, so realistisch wie möglich vorzugehen. Eine Mutter mit Kinderwagen, ein Rollstuhlfahrer und sogar ein blinder Mann waren mit Beschwerden wie Schürfwunden, Hyperventilation oder einem Schock unter den Verletzten.
Man versuche, solche Übungen etwa vierteljährlich zu organisieren, sagte Mittelbach. Ein Tunnel müsse sowieso in regelmäßigen Abständen wegen Wartungsarbeiten gesperrt werden. Dies nutze man, um zu verhindern, dass die Verbindung ausschließlich wegen der Übung gesperrt werden muss.
Auch wenn es im Saukopftunnel selbst seit seiner Eröffnung im Jahr 1999 noch keinen größeren Zwischenfall gegeben hat, ist man trotzdem für den Ernstfall vorbereitet. Neben den regelmäßigen Übungen gibt es im Tunnel zwei Technikzentralen, eine im Westen auf Weinheimer Seite und eine im Osten auf Birkenauer Seite. Dort kann die gesamte Technik im Tunnel gesteuert werden, etwa Kameras oder Schleusentore. Sogar das Autoradio aller Fahrzeuge im Tunnel kann übernommen werden, zum Beispiel um eine Durchsage oder einen Warnhinweis mitzuteilen.
Eine Tücke hat der Saukopftunnel allerdings: Der kleinere Fluchtstollen ist für Feuerwehrautos zu eng. Deswegen gibt es für ihn ein eigenes Fluchtstollenfahrzeug. Es ist deutlich kompakter gebaut als herkömmliche Einsatzfahrzeuge und hat eine Ladefläche, mit der zum Beispiel Ältere oder Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung nach draußen transportiert werden können.
Es sind Aspekte, die wohl den wenigsten Autofahrern bewusst sind: "Der Tunnel hat deutlich mehr zu bieten, als es den Anschein hat", sagte Mittelbach.