Weinheim will dem Verkehrslärm zu Leibe rücken

Öffentlicher "Lärmspaziergang" an der Mannheimer Straße - Verwaltung: Tempo 30 brächte hier spürbare Verbesserungen

08.11.2013 UPDATE: 08.11.2013 05:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden
Experte Dietmar Schmittiner (3. von re) erläutert das Messverfahren. Fotos: Dorn
Von Philipp Weber

Weinheim. Man muss schon sehr deutlich sprechen, um verstanden zu werden. Selbst wenn der Gesprächspartner direkt neben einem herläuft. Sonst geht jedes Wort im Lärm unter. Es ist Mittwochabend, 18 Uhr. Gut 30 Fußgänger sind an der Mannheimer Straße unterwegs. Im Rhythmus der Ampelschaltungen rollen hier ganze Autopulks vorbei. Ungeduldige Pkw-Fahrer drücken auf die Hupe - und kräftig aufs Gas. Besonders die älteren Exemplare der OEG-Straßenbahnen fahren quietschend durch die Kurven.



"In der 24-Stunden-Mittlung ist hier ein Wert von über 70 Dezibel erreicht", erklärt Sven-Patrick Marx, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung. Denn der Gruppe um Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner geht es um Erkenntnisgewinn. Die Anwohner, Gemeinderäte und Mitarbeiter der Stadt wollen sich einen Eindruck von einem der Straßenabschnitte verschaffen, an denen die Schallmessungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz kritische Werte erreichen. Diese Messungen sind Teil des Lärmaktionsplans, den die Stadt derzeit gemäß der EU-Richtlinien umsetzt (siehe weiteren Bericht).

Beim Spaziergang und in der nachfolgenden Diskussion in der nahe gelegenen Karillonschule sollen die Betroffenen zu Wort kommen und die Mandatsträger mehr erfahren über das zum Teil abstrakte Thema Schall- und Lärmschutz - und die Stadt will, zumindest für diesen Bereich, Lösungen vorstellen.

Auch Peter Thunsdorff von der Bürgerinitiative "Schutz vor Bahnlärm" ist dabei. Er hat ein Schallmessgerät und einen Laptop samt passender Software mitgebracht - und vor dem hell erleuchteten Schaufenster eines Matratzengeschäfts aufgebaut. Wenn der Verkehr dichter wird, Lkw und Straßenbahnen kommen, erreicht der Schall Werte von über 80 Dezibel (dB). Schon mehr als 70 dB gelten als gesundheitsgefährdend, in den Nachtstunden ist die Grenze spätestens bei 60 dB erreicht.

Zurück in der Schule liefert Dietmar Schmittinger, ebenfalls Planungsexperte, Zahlen nach: 118 Anwohner des am stärksten belasteten Abschnitts der Mannheimer Straße sind tagsüber von gesundheitsgefährdendem Lärm betroffen, nachts sind es 138. "Als der Saukopftunnel gesperrt war, ist es besonders schlimm gewesen", ärgert sich der junge Familienvater Stefan Luck (33). Andere sprechen von eklatanten Tempoüberschreitungen, lauter Musik aus Autoradios und sanierungsbedürftigen OEG-Gleisen. Auch die Awo, die eine Einrichtung an dieser Straße unterhält, ist unter anderen mit dem Kreisvorsitzenden Bruno Sauerzapf vertreten.

Schmittinger und Marx sind ehrlich darum bemüht, die Kritikpunkte aufzunehmen. Schmittinger plädiert entschieden für eine Verringerung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf auf 30 Stundenkilometer. Hierzu liegen Berechnungen vor, außerdem wäre diese Maßnahme rechtlich möglich. Die Vorteile: Der Schall verringert sich bei Tempo 30 um sechs dB - was in etwa einer Halbierung des subjektiv empfundenen Lärms entspricht. Die Zahl der Betroffenen würde sich bei ergänzenden passiven Schutzmaßnahmen tagsüber auf 24, nachts auf 68 Personen verringern. Während Stadträtin Elisabeth Kramer (GAL) gleich ein allgemeines Limit von 30 Stundenkilometern in der Stadt fordert, bleiben andere skeptisch: Stimmt es, dass sich die Durchfahrzeit für Autofahrer - eine Veränderung des Ampelrhythmus vorausgesetzt - nur auf der West-Ost-Route, und dort lediglich um 11 Sekunden (also praktisch gar nicht!) verlängert?

Stadtrat Ditmar Flothmann (FW) hofft jedenfalls, den Autofahrern die Vorteile einer gefühlt langsameren Durchfahrt vermitteln zu können. Zweifel hat er bezüglich der OEG, für die ein Zeitverlust von immerhin 20 Sekunden schwerer zu stemmen sein könnte. Anwohner Luck ist dennoch zufrieden: "Die Fragen wurden sachlich beantwortet. Der Knackpunkt ist die Ampelschalte." Ob es funktioniert, wird sich vielleicht schon 2014 zeigen: Nach dem Willen der Stadt soll die neue Ampelschalte bis zur Änderung des Busfahrplans laufen.

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