Mahnen reicht nicht: OB Bernhard rief zum Handeln gegen Rassismus und Antisemitismus auf. Foto: Dorn
Weinheim. (keke) "Es kann immer wieder geschehen": Mit einer eindringlichen Mahnung und der Aufforderung an alle Bürger, sich einem "Bündnis für ein Buntes Weinheim" anzuschließen, gedachte Oberbürgermeister Heiner Bernhard am vergangenen Wochenende der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. In deren Verlauf waren im damaligen Deutschen Reich rund 400 Juden ermordet, über 1400 Synagogen, Betstuben, Versammlungsräume und Friedhöfe zerstört sowie Tausende Geschäfte und Wohnungen geplündert worden.
Rund 100 Weinheimer hatten sich am Mahnmal im Stadtgarten eingefunden, um die Erinnerung an die damaligen Ereignisse wachzuhalten, Solidarität mit den verfolgten und ermordeten Juden zu zeigen und sich der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus heute zu stellen.
"Die Erinnerung an diese Zeit, deren Opfer und an die Menschen, die sich widersetzten und versuchten Leben zu schützen und zu retten, mahnt alle zu Wachsamkeit, Zivilcourage und Widerstand", machte Bernhard deutlich. Wer sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus befasse, werde damit konfrontiert, wohin Vorurteile und Verblendung, Rassenwahn und Hass führen können.
Weil derjenige gleichzeitig aber auch lerne, die Anfänge zu erkennen, denen es zu wehren gilt, kündigte Bernhard an, er werde noch am heutigen Montag verschiedene Organisationen und Institutionen anschreiben und sie zur Mitarbeit im Bündnis einladen. Gerade die Zweiburgenstadt habe in diesem Jahr erfahren müssen, "wie schnell Geschichte wieder geschehen kann", erinnerte der OB. Dass in Weinheim Aktivitäten der NPD "Raum gefunden" hätten, zeige auf, dass Antisemitismus auch aktuell ein ernst zu nehmendes Problem darstellt: "Nicht nur irgendwo in Deutschland, sondern auch in unserer unmittelbaren Heimat, in Weinheim". Dagegen gelte es aktiv anzugehen.
Keiner dürfe sich dem Irrglauben hingeben, dass die Mahnung an Deutschlands jüngere Geschichte bereits genug sei, um Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen, rief Bernhard zum Handeln auf. Die Erfahrung zeige, dass "jede und jeder wichtig" sei, um ein für alle Menschen lebenswertes Umfeld zu schaffen und zu erhalten. Auch Weinheim war damals Schauplatz der Rassen- und Vernichtungsideologie, richtete Bernhard den Blick der Anwesenden auf die Zerstörung der ehemaligen Synagoge in der Ehretstraße. "Das Leben der jüdischen Gemeinde wurde auf grausame Weise beendet." Der nationalsozialistische Terror des 9. November habe den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung markiert: "Wer die Vergangenheit ruhen lassen und den Blick ausschließlich nach vorne richten will, fügt den Opfern bitteres Unrecht zu". Mit der Schilderung des Schicksals des Weinheimer Lederfabrikanten Max Hirsch und dessen Familie schlug Bernhard eine weitere Brücke in die Vergangenheit und freute sich, unter den Anwesenden mit dem heute in Freiburg lebenden Ernst Rapp einen damals vier Jahre alten Weinheimer Überlebenden des Holocaust begrüßen zu können.
"Der Blick zurück tut weh"
Bernhard dankte Rapp für dessen Geste, mit der er auf die Weinheimer zugegangen sei. "Der Blick zurück", so Bernhard, "tut weh. Immer wieder. Aber was noch mehr weh tut, ist, wenn vergessen wird, was hier vor aller Augen passiert ist." Diese Sätze des Schauspielers Günter Lambrecht in der Fernsehdokumentation "Nacht über Deutschland, Novemberpogrom 1938", berührten Bernhard tief.