Kommt die Weinheimer Weststadt an ihre Grenzen?

Verein "Pro West" kritisiert Kreis: 250 weitere Menschen sollen ins Ebert-Park-Hotel - Weinheim und seine Helfer müssen nun umdenken

18.09.2015 UPDATE: 19.09.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden

Platz für bis zu 250 Flüchtlinge: Das Ebert-Park-Hotel in der Freiburger Straße soll zur Gemeinschaftsunterkunft werden. Foto: Dorn

Von Maren Wagner

Weinheim. Die Ankündigung des Rhein-Neckar-Kreises, weitere rund 250 Flüchtlinge in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Weststadt unterbringen zu wollen, stößt beim Stadtteilverein "Pro West" auf Kritik. "Wir müssen schauen, dass die Weststadt nicht an ihre Grenzen kommt", sagt Vorsitzende Stella Kirgiane-Efremidis.

Der Kreis teilte gestern mit, dass die Zweiburgenstadt bis Dezember rund 500 Menschen mehr aufnehmen solle. Das Ebert-Park-Hotel in der Freiburger Straße und das ehemalige Druckhaus Diesbach in der Bergstraße sollen mit jeweils rund 250 Menschen belegt werden.

Während das frühere Druckhaus als Notunterkunft nur vorübergehend Menschen beherbergen soll, ist das Hotel als Gemeinschaftsunterkunft geplant und damit wohl auf Dauer angelegt, sagte Oberbürgermeister Heiner Bernhard in einer Stellungnahme.

Die Verwaltung habe dafür nur "eingeschränkt Verständnis". Mit der Belegungszahl werde das "Weinheimer Modell", ein von Bürgerinitiativen, NAWI (Netzwerk Asyl Weinheim zur Integration), Gemeinderat, städtischen Mitarbeitern mit Unterstützung des Rhein-Neckar-Kreises entwickeltes System, gebrochen.

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Dieses sieht vor, dass in der Zweiburgenstadt nur maximal 80 Menschen an einem Standort untergebracht werden sollen. "Das ist schade und den ehrenamtlichen Helfern schwer zu erklären", so der OB.

Mit dem Ebert-Park-Hotel würde die vierte Unterkunft im Weinheimer Westen entstehen - geplant sind bereits seit Längerem Unterbringungen in der Stettiner Straße und der Heppenheimer Straße, seit Juli leben Flüchtlinge im ehemaligen G.U.P.S.-Hotel auf der "Waid".

Während es dort laut Stefan Becker, Leiter des Ordnungsamts des Rhein-Neckar-Kreises, bei den jeweils maximal 80 Menschen bleiben soll, könnten in der Freiburger Straße dreimal so viele Flüchtlinge einziehen.

Eine Zahl, die all das übersteigt, was in den vorigen Monaten diskutiert wurde, so Stella Kirgiane-Efremidis. Der Verein "Pro West" habe sich immer dafür eingesetzt, dass Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht werden, und werde das auch weiterhin tun. Sie sehe aber ein Ungleichgewicht in der Verteilung. Man dürfe nicht die Weststadt die gesamt Last tragen lassen, sondern müsse alle Stadtteile miteinbeziehen. "Bisher hat die Bevölkerung sehr gut mitgemacht, wir müssen bloß aufpassen, dass wir das nicht überreizen."

Abschied von bisheriger Willkommenskultur

Kirgiane-Efremidis appelliert an die Behörden, zu einem Dialog einzuladen. "Der Kreis sollte die Bereitschaft im Hinterkopf behalten, Ausweichmöglichkeiten zu suchen, wenn die Ängste bei den Menschen zu groß sind. Vielleicht kann man die Flüchtlinge verteilen."

Eine "Herausforderung für alle, die wir uns noch nicht vorstellen können", befürchtet Albrecht Lohrbächer, einer der Sprecher des Weinheimer Arbeitskreises Asyl. "Die Weststadt grummelt allenthalben, das wird sicher schwierig werden", sagte er.

Große Sorge bereitet ihm das als vorübergehende Notunterkunft geplante ehemalige Druckhaus in der Bergstraße - "eine dunkle Halle faktisch ohne Fenster", so Lohrbächer, in der rund 250 Flüchtlinge, "nur Einzelpersonen und nur Männer", unterkommen sollen. Spannungen seien bei so einem Raum vorprogrammiert. Er hofft, dass die Fluktuation so groß ist, wie vom Kreis angekündigt.

Weinheim und seine Helfer müssten nun umdenken: "Wir müssen Abschied nehmen von unserer bisherigen Willkommenskultur", so Lohrbächer. Fahrräder zum Beispiel seien für Flüchtlinge sehr wichtig, damit sie einkaufen gehen können; diese für so viele Menschen bereitzustellen, sei aber so gut wie unmöglich. Dazu kommt, dass dem Kreis qualifizierte Sozialarbeiter fehlten. Bereits jetzt seien die Mitarbeiter im G.U.P.S.-Hotel an ihren Grenzen angelangt.

Der Arbeitskreis müsse nun ein neues Konzept entwickeln. Lohrbächer: "Wir müssen für die einzelnen Einrichtungen Teams bilden, Leute, die tagsüber regelmäßig vor Ort sind und Mittler zu den Hauptamtlichen sein können." In Weinheim gebe es noch immer viele Bürger, die den Flüchtlingen helfen wollten. "Aber in Relation zu den 500 Menschen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

OB Heiner Bernhard kündigte am gestrigen Freitag an, die Stadt wolle von Oktober an die ehrenamtliche Arbeit durch die Einrichtung einer hauptamtlichen Koordination bei der Stadtverwaltung unterstützen.