Die Nachwuchsfilmer Dominik Prestel (links) und Marko Henn. Fotos: Henn/Dorn
Von Marilena Geugjes
Weinheim. Die Jugend von heute: Partys, Alkohol, Facebook, Smartphones - mehr ist angeblich nicht drin. Die Vorurteile sind gängig. Doch einige Jugendliche leisten Widerstand. Sie lassen sich nicht so leicht einordnen in die Generation der Biernominierungen, Hashtags und Duckface-Selfies.
So wie Marco und Dominik. Die Abiturienten der Johann-Philipp-Reis-Schule haben ein außergewöhnliches Hobby: Sie produzieren Filme. Und zwar nicht irgendwelche Filme, sondern Kurzfilme und Musikvideos mit sowohl künstlerischem als auch inhaltlichem Anspruch. Die Reaktionen auf ihren neusten Kurzfilm "Brave New World" waren so positiv, dass dieser jetzt sogar ins Kino kommt: Am Freitag, 28. Februar, 22.30 Uhr, ist er im Modernen Theater zu sehen. Und diese Filmproduktion war für Schülerverhältnisse fast hollywoodreif. "Eigentlich war es nur ein Schulprojekt", erklärt Marco Henn, Kopf von "MSB-Films" und verantwortlich für Regie, Schnitt und Organisation. Im Fach Literatur sollte ein Kurzfilm zum Thema "Schöne neue Welt" gedreht werden. Die beiden Nachwuchsfilmer wollten das natürlich "richtig aufziehen".
Ein schlecht gedrehter und hastig zusammengeschnittener Handyfilm wäre unter ihrer Würde gewesen. "Ich habe meiner Lehrerin nach wenigen Tagen ein zehnseitiges Drehbuch auf den Tisch gelegt", erzählt Marco grinsend. "Sie war überrascht." Zahlreiche Statisten, Storyboard, Drehbuch, Annahmeerklärungen, Lichtformer, eine Kamera am Kran und professionelle Mikros - selten ist ein Schulprojekt auf so viel Motivation gestoßen. Für den Dreh öffnete der Rektor die Schule eigens an einem Samstag, auch mehrere Lehrer trauten sich vor die Kamera. Diese wurde geführt von Dominik Prestel, bei MSB-Films für Kamera, Ton und Licht zuständig. "Drehbuch, Dreh, Schnitt und Nachbearbeitung haben uns insgesamt etwa 100 Stunden gekostet", erklärt Marco. Für 14 Minuten Kurzfilm.
Doch die investierte Zeit und Mühe zahlte sich aus: Nicht nur 15 Punkte im Fach Literatur sprangen dabei heraus, sondern auch zahlreiche positive Rückmeldungen aus dem Internet und dem Freundeskreis motivierten die beiden Freunde. Und jetzt kommen sie ins Kino.
Dabei begann alles mit einem Zufall. "Am Anfang habe ich nur Musik mit Bildern unterlegt und das auf Youtube gestellt", erklärt Marco. Bald wurde der sportliche 18-Jährige von mehreren DJs angesprochen, ob er ihre Musik nicht mit einem Video promoten wolle.
Es folgten selbst gedrehte Clips mit befreundeten BMXern, Skifahrern und Parcoursläufern, gefilmt mit einer so genannten "GoPro"-Kamera. Schließlich schlossen sich Marco und der musikbegeisterte Fotograf Dominik zusammen, drehten Musikvideos für befreundete Sänger, kauften sich Programme zum Schneiden und eine bessere Kamera - und eröffneten Ende 2012 einen gemeinsamen Kanal auf der Internetplattform Youtube. Seitdem produzieren die beiden professionelle Werbevideos für Discos, Zeitungen, Sänger, Bands, Cheerleader und sogar Parteien. "Wir drehen alles", versichert Dominik lachend. Nach dem Abi sollen sie sogar ein Video über ihre Schule drehen. Und im April und Mai stehen weitere Aufträge an. Das Geld, das sie damit verdienen, stecken sie in neue Ausrüstung. Die füllt mittlerweile zwei Autoladungen.
Filmen, Belichten, Tonaufnehmen, Schneiden und Nachbearbeiten haben sich Marco und Dominik übrigens autodidaktisch beigebracht - mit Büchern und Lehrvideos aus dem Internet. "Wenn ich etwas wirklich will, dann entwickle ich Ehrgeiz", erklärt Marco. So viel Ehrgeiz, dass das Team auch mal bei Minusgraden stundenlang auf den nächsten vorbeikommenden Zug wartet, um die beste Aufnahme in den Kasten zu bekommen.
Ob die beiden das Filmen zum Beruf machen wollen? "Es ist eher ein Traum", findet Marco, "es ist nicht garantiert, dass man in die Branche reinkommt und davon leben kann". Trotzdem möchte er sich nach dem Abi die Darmstädter Filmschule ansehen. Und reisen, nach Afrika, Neuseeland und Australien - natürlich mit Kamera. Dominik möchte erst einmal ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren. Aber am Filmen dranbleiben, das werden die beiden auf jeden Fall. "Allein weil es da draußen so viele Leute gibt, denen es gefällt, was wir machen - und natürlich weil es uns selbst gefällt."