An bewegende Biografien erinnert

Schriesheim. Professor Joachim Maier initiierte eine Gedenkveranstaltung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

28.01.2013 UPDATE: 28.01.2013 06:23 Uhr 1 Minute, 33 Sekunden
Professor Joachim Maier. Foto: Kreutzer
Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. "Öffentliches Gedenken" nannte Professor Joachim Maier die Veranstaltung zum 27. Januar an der Kriegsopfergedenkstätte. 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zum offiziellen Holocaust-Gedenktag erklärt, erinnert der 27. Januar an den Tag, da die Rote Armee 1945 das Konzentrationslager Auschwitz erreichte. 2006 wurden die sieben Gedenktafeln für die Schriesheimer Kriegs- und NS-Opfer an der Kriegsopfergedenkstätte der Öffentlichkeit übergeben. An die bewegenden Lebensgeschichten zweier der dort Aufgeführten erinnerte Maier.

Der eine Name war der von Karola Jojse, geborene Israel, deren Schicksal geprägt war von Ortswechseln und Deportationen. Sie kam 1874 als Tochter von Bertha und Joseph Israel in der Lehrerwohnung des jüdischen Schulhauses in der Talstraße 49 zur Welt, wo die Lehrerfamilie wohl bis nach 1877 blieb. Die nächsten Stationen hießen Karlsruhe, Gelsenkirchen, Russland und Warschau. Hier wurde 1898 Karolas Sohn Benjamin geboren, der 1917 im Ersten Weltkrieg fiel. 1942, auch an einem 27. Januar, wurde Karola Jojse aus einem "Judenhaus" nach Riga deportiert. Maier schilderte die offenbar historisch überlieferten Bedingungen im Zug, der bei bitterer Kälte ohne Heizung fünf Tage durch Deutschland unterwegs war. Die Deportierten wurden in der Landwirtschaft eingesetzt, bevor man 1800 von ihnen nur zwei Monate später unter einem Vorwand in einen Wald transportierte und erschoss.

Ganz anders verlief das Leben von Wilhelm Hauser, der zu den Schriesheimer "Euthanasie"-Opfern gehörte. Mit nur sechs Jahren ist der 1934 geborene Junge das jüngste Nazi-Opfer Schriesheims. Offenbar aufgrund eines Impfschadens entwickelte das Kind Rachitis, eine Geistesschwäche lag ebenfalls vor. Wilhelms Mutter Margarethe entwickelte zwei Jahre nach seiner Geburt eine Depression und kam in die Psychiatrie. Der Vater schickte sein behindertes Kind dann in den "Schwarzacher Hof", eine Einrichtung der evangelischen Inneren Mission. 1940 wurde Wilhelm als einer von 218 Heimbewohnern nach Grafeneck transportiert, wo er noch am selben Tag in der Gaskammer umkam.

Die Busse mit den schwarzen Fenstern galten als "Totenbusse", und auch die Kinder ahnten, dass dieser Transport nichts Gutes bedeuten konnte. "Es war ein großes Geschrei am Bus und in den Bussen, das man 400 bis 500 Meter weit hören konnte. Die Pfleglinge wollten nicht hinein und riefen laut die Namen der Betreuer", schilderte ein Augenzeuge. Zwei Monate später wurde auch Wilhelms Mutter in Grafeneck ermordet.

Für die beiden, so informierte Maier, sollen in diesem Juni vor ihrem Haus in der Entengasse Stolpersteine verlegt werden. Ein Dank für Maiers Recherche kam von Bürgermeister Hansjörg Höfer. Er freue sich über die Initiative zu dieser Gedenkveranstaltung aus der Bevölkerung sowie über die gute Resonanz und hoffe, dass sie auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werde.

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