ARD Krimi

Solider Makatsch-Tatort greift Tabu-Thema auf

Der letzte Tatort vor der Sommerpause: Solide mit überraschenden Wendungen und einem Tabu-Thema.

23.06.2022 UPDATE: 26.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Kommissarin Berlinger (Heike Makatsch) nimmt ihren Verdächtigen, Hannes Petzold (Klaus Steinbacher), fest. Sieht man in seinen Augen, dass er ein Schurke ist? Foto: ARD/SWR

Von Alex Wenisch

Mord oder Unfall? Instinkt oder Beweise? Späte Liebe oder junger Lügner? Der Tatort aus Mainz verhandelt einige grundsätzliche Themen – lässt am Ende aber leider auch ein paar Fragen offen. "In seinen Augen" mit Heike Makatsch als Ellen Berlinger und Sebastian Blomberg als Martin Rascher trägt trotzdem.

Was ist passiert? In einer schicken Villa am Rhein liegt die Witwe Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel). Auf den ersten Blick ist der Fall eindeutig: Sie war Diabetikerin, hatte Alkohol getrunken (eine schwierige Kombination) und neben ihr liegt eine Insulinspritze. Quasi Überdosis. Die Pathologin untersucht die Leiche zufällig, weil gerade vermehrt Tote auf Folgen einer Covid-Impfung obduziert werden. Und sie entdeckt Schürfwunden, die zumindest Zweifel an der Unfall-Theorie aufkommen lassen.


Worum geht es wirklich? Um Liebe im Alter. Im Mittelpunkt stehen die beiden Freundinnen Dubinski und Charlotte Mühlen (Michaela May). Letztere ist mit dem deutlich jüngeren Hannes Petzold (Klaus Steinbacher) zusammen. Mühlen bezeichnet sich selbst als "alte Schachtel", glaubt aber an ihr "spätes Liebesglück". Die Ermittler fragen sich: "In welchem Alter hört das sexuelle Verlangen auf? Hört das je auf?" Oder geht es gar nicht um Sex, sondern eher um die Sehnsucht nach Geborgenheit? Die betuchte Freundin Dubinski wiederum betreibt vor allem Sex- und Machtspielchen. Und Petzold? Meint der Mittdreißiger es ernst oder ist er ein Liebes-Schwindler?

Wie schlagen sich die Kommissare? Vor allem Berlinger glaubt nicht an einen Unfall. "Es war Mord!", ist sie überzeugt. Und zwar nicht unbedingt wegen der entdeckten Hautabschürfungen, sondern weil sie dem Gigolo (und Ex-Knacki) Petzold in die Augen gesehen und darin erkannt hat: Er war es. Das sagt ihr ihr Instinkt. "Ich weiß es. Jetzt muss ich es nur noch beweisen!" Doch eben weil sie so fixiert ist, passieren ihr Fehler beiden Ermittlungen. Kollege Rascher wiederum glaubt an Berlingers Bauchgefühl und verteidigt sie auch gegen Staatsanwältin Jasmin Winterstein, die den Fall möglichst sofort zu den Akten legen will.

Was ist die Stärke dieses Tatorts? Wie viele Tatorte greift auch dieser ein gesellschaftliches Tabu-Thema auf. Michaela May (70) und Ulrike Krumbiegel (60) trauen sich auch an gewagte Szenen heran. Zudem ist die Geschichte handwerklich gut erzählt (Drehbuch: Thomas Kirchner). Sie spielt mit verschiedenen Zeitebenen, die optisch teils schön ineinander überleiten. Es gibt immer wieder neue Wendungen und bleibt bis zum Schluss spannend. Die Handlung ist raffiniert ausgedacht und lässt den Zuschauer bis zum Schluss im Ungewissen, ob Petzold ein Schurke oder ein gar nicht so übler Kerl ist. Das liegt auch an dem virtuosen Spiel von Klaus Steinbacher, dem man beide Varianten abnimmt.

Was sind die Schwächen? Makatsch spielt weiterhin etwas zu steif. Wird aber noch übertroffen von Abak Safaei-Rad als Staatsanwältin, die mal hölzern, mal völlig übertrieben agiert.

Und sonst noch? "Wenn man mir mit Anwälten kommt, werde ich erst recht zickig!" (Ellen Berlinger)

Was kann man von diesem Tatort fürs Leben lernen? Was ist schlimmer: Schmerzen oder Hunger?

Sonntag, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Ja. Gutes Thema, solide erzählt.

Wie geht es weiter? "In seinen Augen" ist der letzte Tatort vor der Sommerpause (kommende Woche gibt es aber noch einen Polizeiruf). Voraussichtlich Ende August geht es dann mit neuen Fällen weiter.