Sound der Woche

Die rührende Heimkehr der Brandi Carlile

Americana-Star Brandi Carlile legt ein intimes Soloalbum vor. Außerdem reingehört haben wir auch bei Tommy Emmanuel, Reis against the Spülmaschine, Sabaton und The Subways.

30.10.2025 UPDATE: 02.11.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Foto: AFP​

Von Daniel Schottmüller

War ganz schön was los bei Brandi Carlile ... Elton John hat sie zum ersten Knaller-Album seit Jahrzehnten gestupst, Joni Mitchell ein würdiges Bühnencomeback beim Newport Folk Festival ermöglicht und mit den Highwomen eine weibliche Country-Supergroup aus der Taufe gehoben. Verständlich, dass die 44-Jährige jetzt auch mal Sehnsucht nach etwas "Me Time" verspürt. "Returning To Myself" lautet der programmatische Titel ihres Zehn-Songs-Soloritts – und: der Opener des Albums.

Zu einer herbstlich gezupften Westerngitarre stellt die in Ravensdale im US-Bundesstaat Washington geborene Carlile direkt essentielle Fragen. "Is there some freewheeling watcher / Shooting marbles in the sky?" / Holding your years between their fingers / Watching it burn till the fire dies ..." Gibt es einen Gott? Langweilt er sich im Himmel? Ergötzt er sich sadistisch an seinen getriebenen Geschöpfen da unten? Nicht nur für diesen Titel holt die Songwriterin das große Metaphernbesteck à la Bob Dylan heraus – unpassend wirkt es nie.

Im Gegenteil packt es einen tief drinnen, wenn die queere Mutter zweier Kinder Trump und seinen Schergen die Leviten liest. So wie in der Rock-Bridge von "Church & State", in der sie mit Walkie-Talkie-Effekt-verzerrter Stimme einen Brief Thomas Jeffersons von 1802 zitiert. Im persönlicheren "War With Time" sagt sie dann zu geschmackvollen Country-Sounds der Zeit höchstselbst den Kampf an.

Dass Brandi Carlile Zweifel und Schmerz so intensiv vertonen kann, liegt natürlich auch an dieser Stimme! Zärtlich und warm wie eine Decke senkt sie sich bei Balladen wie "A Long Goodbye" auf die Hörer herab. Aber mindestens so charakteristisch sind die eleganten Melodieschnörkel, die kraftvollen Aufjauchzer. Mit "A Woman Overseas" unternimmt die Americana-Heldin sogar einen Ausflug Richtung R & B.

Für eine ganz und gar selbstbezogene Scheibe ist sie am Ende aber doch zu sehr Teamplayer. Welcher "wild woman" die Folk-Ode "Joni" gewidmet ist, dürfte klar sein: "When I tell you I love you, and you tell me, ,Okay‘ / I know you believe me, and that’s love in your way", richtet Brandi eine rührende Liebeserklärung an ihr Idol.

Beim Zuhören wünscht man der 44-Jährigen, dass auch sie mal von kommenden Generationen so aufgebaut, motiviert und unterstützt wird. Bis dahin ist aber noch viel Zeit ...



Info: "Returning To Myself" ist bereits erhältlich. Deutschlandkonzerte sind derzeit nicht geplant.








Nico Santos und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Tommy Emmanuel

Living In The Light

Fingerstyle Guitar Vielen gilt er als der beste Gitarrist der Welt. Denn wenn Tommy Emmanuel die Finger an die Saiten seiner akustischen Klampfe der Firma Maton legt, klingt es schnell nach viel mehr als nur einem einzelnen Spieler. Auch auf seinem neuen Album stellt der begnadete Fingerstylist seine Meisterschaft wieder unter Beweis. Hörenswert ist das auch für Nicht-Gitarristen. Denn Emmanuel wartet mit einer Spielfreude und Leichtigkeit auf, die hochtechnische Gitarristen oft vermissen lassen. Im Vordergrund stehen dabei die rein instrumentalen Stücke wie das nach Sonne klingende "Gdansk". Die wenigen Lieder, auf denen der Maestro sich zum Singen hinreißen lässt (etwa "Maxine"), sind dagegen eher Mittelmaß. (juf) ●●

Für Fans von: Chet Atkins 

Bester Song: Gdansk


Reis against the Spülmachine

Tourlaub

Comedy Der Sommer ist rum und die Zeit sowieso elend? Sicher retten "Reis against..." nicht die Welt, aber zumindest für den Moment die Laune. In altem Otto-Stil kalauern und wortspielen sie sich durch neu betextete und folkig eingespielte Pop- und Schlagerhits ("Kräne pflügen nicht!" / "Nur noch kurz den Wels essen"). Thematisch selten alkoholfrei, aber der Ballermann-verdächtige Streaming-Hit "Saufen mal probiert?" zeigt, dass niveaulos auch mit Niveau geht. (hol) ●●

Für Fans von: Till & Obel 

Bester Song: Fische


Sabaton

Legends

Metal Episch wie eh und je vertonen Sabaton auf "Legends" mit treibenden Drums und pumpenden Gitarren historische Schlachten und Helden. Statt Weltkriegen stehen diesmal Dschingis Khan, Johanna von Orléans und Julius Cäsar im Mittelpunkt. Besonders wagemutig sind die Schweden zwar nicht – ihr Konzept bleibt repetitiv, aber konstant. Doch die bewährte Formel aus galoppierenden Melodien und hymnischen Refrains funktioniert erneut, etwa in "Impaler", einer Power-Metal-Hymne über Graf Dracula, effektvoll untermalt von Chorälen. ●●

Für Fans von: Iron Maiden

Bester Song: Impaler


The Subways

When I’m With You

Rock Was haben The Velvet Underground, The White Stripes und The Subways gemeinsam? Genau: Bei all diesen Bands geben Frauen den Takt an. Seit Schlagzeuger und Gründungsmitglied Josh Morgan die Gruppe im Jahr 2021 wegen akuten Lampenfiebers verlassen hat, setzen die Subways mit Camille Philipps auf schlagkräftige Frauenpower. Der von Asperger geplagte Brite kann in diesem Herbst aber noch einmal stolz auf 20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Auf dem neuen Album "When I’m With You" finden sich treibende Klassiker wie "Rock & Roll Queen" und "Oh Yeah", aber auch aktueller, etwas handzahmerer Highschool-Rock in Form von "Taking All The Blame" oder "Just Like Jude". (jubl) ●●

Für Fans von: Queens Of The Stone Age

Bester Song: With You