Weinheim

"Rache ist Blutwurst"- Krimi-Autorin Ingrid Noll schlägt wieder zu

Sex, Liebe, Lügen, Eifersucht, Enttäuschung - Bestsellerautorin Ingrid Noll spart in ihren Romanen nicht an Emotionen. Da macht auch der Krimi "Kein Feuer kann brennen so heiß" keine Ausnahme.

09.03.2021 UPDATE: 09.03.2021 10:45 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden
Die in Weinheim lebende Bestsellerautorin Ingrid Noll. Foto: B. Kreutzer

Weinheim. (dpa) Es ist eine Art Kammerspiel, in das Ingrid Noll die Leser ihres neuen Romans "Kein Feuer kann brennen so heiß" entführt. Als Bühne hat sie eine wundervolle Villa mit Garten gewählt, ähnlich der, die sie selbst im baden-württembergischen Weinheim bewohnt. Dort lässt Noll, eine der erfolgreichsten deutschen Krimiautorinnen, ihre Figuren agieren. Im Mittelpunkt der Krimikomödie steht Altenpflegerin Lorina Miesebach, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Den engen zeitlichen Vorgaben der Altenpflege entronnen hat sie bei der halbseitig gelähmten Viktoria Alsfelder, Besitzerin des Hauses, ihren Traumjob gefunden. Die Pflegesituation mit ihren Pflichten für die Vollzeit-Betreuerin und ihren Einschränkungen für ihre Patientin bildet den Hintergrund des Romans der 85-jährigen Noll.

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"Das Thema "häusliche Pflege" ist mir schon lange vertraut; meine Mutter wurde 106 Jahre alt und lebte seit ihrem 90. Lebensjahr bei uns im Haus", sagte Noll der Deutschen Presse-Agentur. Die letzten vier Jahre sei sie auf ambulante Pflege angewiesen gewesen, aber sie habe bei der Versorgung der Mutter auch selbst mit angepackt.

Wie in anderen Büchern Nolls ist die Hauptfigur eine eher unscheinbare Frau mit geringem Selbstwertgefühl, die seit ihrer Kindheit als Trampeltier gilt und bei intimen Beziehungen zu Männern eine Spätzünderin ist. Doch das Feuer wird entfacht: Boris, der singende Masseur ihrer Arbeitgeberin, macht ihr Avancen, denen die nach Anerkennung, Liebe und Sexualität dürstende Frau nicht widerstehen kann. Betört von seinem Charme lässt die bislang von Männern verschmähte Frau den Physiotherapeuten ihn ihr Leben und ihr Bett.

Seine heimlichen Besuche beendet er mit dem Volkslied: "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß wie die Liebe von der niemand nichts weiß" - Verse, die die Schriftstellerin im Titel vorwegnimmt. Weitere flicht sie in den Text ein. Ihre Vorliebe für Gedichte geht bis in ihre Kindheit zurück: In China aufgewachsen besaß sie fast keine modernen Kinderbücher. Sie fand Ersatz: "In den Gedichtbänden meiner Eltern habe ich mit großer Freude vor allem Balladen gelesen, die mir bis heute noch sehr präsent sind."

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Was Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über das Werk der "Grande Dame deutschen Krimis" sagt, gilt auch für die Neuerscheinung: "Greift man zu Ihren Büchern, so begegnen einem darin die großen Themen des Lebens: Liebe und Tod, Schuld und Sühne, Jugend und Alter."

Noll wäre nicht die Meisterin des unblutigen Kriminalromans, wenn die geheime Affäre Bestand hätte. Boris zeigt bald sein wahres Gesicht, wird übergriffig und anmaßend. Sein unverzeihlicher Fehler: Er attestiert Lorina Ungeschicklichkeit, die sie bereits überwunden zu haben glaubte. Ihre Achilles-Ferse. "Einmal Dabbes, immer Dabbes (umgangssprachlich Tollpatsch): Das Trauma meiner Kindheit meldet sich zurück." Weitere Beleidigungen wie "mannstolle Vettel" und das Eingeständnis einer Affäre mit einer Minderjährigen besiegeln das Schicksal des Machos. Gemäß dem Sprichwort "Rache ist Blutwurst" bestraft die Betrogene ihren Liebhaber - ohne zu ahnen, dass sie den zweifachen Familienvater nie mehr wiedersehen wird.

Vielschreiberin Noll versetzt sich in ihrem 16. Roman wie stets in die Psyche der Frau und urteilt nicht. Das bleibt dem Leser überlassen - der allerdings nicht viel Mitleid mit dem Schürzenjäger haben dürfte.

Für ihn ist mit einem Balladen deklamierenden Masseur schnell ein Nachfolger gefunden. Der schüchterne junge Mann, eine pfiffige Pudelhündin und ein zurückgelassenes Baby beleben die Villa. Doch die fröhliche Wohngemeinschaft ist dem cholerischen Großneffen der Hausherrin, genannt der Erbschleicher, ein Dorn im Auge. Wie sich dieses Problem löst, sei nicht verraten - nur so viel, dass auf die Pflegerin und die ihr anvertraute Patientin ein Happy End wartet.

Vielschreiberin Noll peilt schon wieder das nächste Projekt an. Als "Botschafterin Weinheims" wählt sie im nächsten Roman ganz explizit ihre Stadt als Ort des Geschehens. Ihre Hoffnung: Vielleicht wird es dann Touristen von nah und fern an die sonnige Bergstraße locken.

Update: Dienstag, 9. März 2021, 10.43 Uhr


Krimi-Autorin Noll vermisst in Corona-Zeiten "geneigtes Publikum"

Weinheim. (dpa) Der fehlende Kontakt mit ihren Lesern ist für Krimi-Autorin Ingrid Noll eine der schmerzlichsten Folgen des Corona-Lockdowns. "Ich vermisse vor allem die Lesereisen und mein geneigtes Publikum", sagte die 85-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Auch geplante Lesungen für ihren neuen Roman "Kein Feuer kann brennen so heiß" mussten gestrichen werden. In den vergangenen Jahren hat Noll, die im baden-württembergischen Weinheim lebt, nach Angaben ihres Verlages Diogenes jährlich zwischen 15 und 23 Lesungen gemacht. Früher waren es sogar 40 bis 60 pro Jahr. Im vergangenen Jahr mussten wegen Corona die meisten Lesungen abgesagt werden.

Bei Diogenes hofft man, dass in diesem Jahr noch einige Veranstaltungen möglich sind - je nach Entwicklung der Pandemie. Zunächst sind sechs Lesungen vorgesehen beginnend im April. Der "Rhein-Neckar-Zeitung" sagte Noll, dass sie "bei öffentlichen Auftritten, in Talk-Shows oder bei der ersten Lesung am Anfang fast gestorben wäre vor Angst". Dann habe sie "gelernt, dass ich nicht auf alle Fragen eine Antwort wissen muss. Und dann wurde es jedes Mal besser, auch weil ich gemerkt habe, man will mir ja nichts Böses."

Die Pandemie hat Noll noch nicht auf der Themenliste für ihre nächsten Werke. Sie sagte: "Ich möchte wenigstens beim Schreiben nicht ständig daran denken müssen." Noll, die erst mit Mitte 50 anfing zu schreiben, arbeitet schon wieder an ihrem 17. Roman. Er soll in ihrer Heimatstadt Weinheim spielen.

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