Heidelberg. (kö) An Werktreue ist Marco Tezza bei seinen Klavierabenden kaum interessiert. Der italienische Pianist, der bei der Heidelberger Klavierwoche im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) auftrat, machte etwas ganz Eigenes aus den gespielten Werken. "Nachtstücke" überschrieb er sein Programm mit Nocturnes von Chopin und dazwischen gestreuten Stücken aus Schumanns Fantasiestücke op. 12. Deren nächtlichen Charakter verstärkte er durch die extrem langsamen Tempi, die er dafür wählte. Die ruhigen Stücke wurden mit halber Geschwindigkeit angegangen, mit sehr weiten Rubati ließ der Pianist den Fluss innehalten, brachte er die Klänge bisweilen zum Stillstand.
Poetisch und träumerisch
Klanglich und geistig ging der Klavierprofessor aus Vicenza sehr in die Tiefe, entwickelte eine eigene Poesie aus den Werken. In sehr leise Sphären tauchte er die Klänge dabei gerne, ließ die Musik ganz träumerisch werden. Das klang dann oft mehr nach Morton Feldman als nach Romantik. Interessant war es allemal. Delikate Klänge ließ Tezza aus den Saiten schweben, den Kopf oft tief über die Tasten gebeugt, lauschte er den Tönen lange nach. Die Texturen der Stücke wurden freilich zerlegt durch die Langsamkeit, Phrasen erhielten einen eigenen schwebenden oder ruhig pendelnden Fluss. Aus innigen Melodien wurden traumversunkene, zarte Arabesken.
Dämonisch und fantastisch
Ein irrealer Zauber lag dabei über den Klängen. Andererseits begann er mit Stücken in gewöhnlichem Tempo, um dann in die Zeitlupe zu wechseln, die Musik aus Zeit und Raum heraus zu katapultieren. Die schnellen Stücke von Schuman, wie "Aufschwung" spielte er in gewöhnlich raschem Tempo und gab ihnen dafür noch schönste nächtliche Dämonie und nachtschwarze Fantastik.
Schönbergs sechs kleine Klavierstücke op. 19 erhielten gleichfalls schönsten Reiz durch das sehr klangintensive Spiel des Pianisten. Dabei spielte er nur die langsamen Stücke extrem gedehnt, die raschen Stücke kamen in originalem Tempo als flüchtige Gespinste und immer von zarter Poesie erfüllt.
Info: Bei der Klavierwoche im Heidelberger DAI, Sofienstraße 12, ist heute um 20 Uhr die Pianistin Jee Eun Franziska Lee zu hören mit Werken von Schubert, Münch und Poulenc.