Premiere im Zwinger1: Traumziel Schwangerschaft

Vier Rollen für zwei Schauspieler: Stefan Reck inszeniert Carmel Winters' "B for Baby" im Heidelberger Zwinger1

15.04.2013 UPDATE: 15.04.2013 05:40 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Intensiv gespielt und packend inszeniert: Volker Muthmann und Marie-Therese Futterknecht in Carmel Winters' 'B for Baby', gezeigt als deutschsprachige Erstaufführung in der Studiobühne Zwinger1 des Heidelberger Theaters. Foto: Florian Merdes


Von Volker Oesterreich

Irland ist ein kleines Land, aber eine große Literatur- und Theater-Nation - man denke nur an George Bernard Shaw, Oscar Wilde, Brendan Behan, Sean O'Casey oder, unter den Jüngeren, an Enda Walsh. Als neues Talent in diesem vielstimmigen Dramatiker-Chor meldet sich nun Carmel Winters zu Wort. Die beste Schule, sagt die Autorin, sei für sie die eigene Familie gewesen: "Als zweitjüngstes von zwölf Kindern" ist sie in Cork aufgewachsen, für sie das beste "Training als Dramatikerin", das man sich nur denken könne. Gut vorstellbar, dass dies so ist. Das lautstarke Geplapper, die Streitereien und die Glücksmomente, die absurden Situationen, aber auch die vielen Überraschungen, die sie in dieser Großfamilie erlebt haben mag, dürften gelebtes Theater gewesen sein.

Carmel Winters' preisgekröntes Stück "B for Baby" strotzt nur so vor Momenten schöner Poesie und sprachburlesker Spielereien. Der Heidelberger Chefdramaturg Jürgen Popig hat diese differenzierten Sprachebenen in seiner Übertragung für die deutschsprachige Erstaufführung im Zwinger1 auf schöne Weise herausgearbeitet. Und das Ensembleá †mitglied Stefan Reck bringt die Dialoge als Inszenator im geschützten Raum einer Zeltkonstruktion (Bühnenbild und Kostüme: Pia Dederichs) mit psychologischem Feingefühl zur Geltung.

Das Stück handelt vom Liebesbedürfnis zweier geistig leicht Behinderter in einer betreuten Wohneinrichtung und vom zunächst unerfüllten Kinderwunsch eines Doppelverdiener-Paars um die Vierzig. Vier Rollen für zwei talentierte Schauspieler, die mal die liebenswürdigen Macken zweier Behinderter spielen, mal die seelischen Nöte eines Ehepaars, dessen weiblicher Teil die innere Uhr immer lauter ticken hört: Kann es noch klappen mit dem Wunsch nach einem eigenen Baby, oder ist der hormonelle Zug schon abgefahren? Klar, dass sich die Wege dieser vier Figuren kreuzen. Die Ehefrau mit dem Kinderwunsch ist zugleich Betreuerin in jener Einrichtung für geistig Behinderte, in der B und Dee untergebracht sind: er ein schüchtern-verklemmter Schwärmer, sie ein raubeiniger Tollpatsch mit unverkennbarer Eifersucht, weil sie zu Recht erkennt, dass sich zwischen B und seiner Betreuerin Mrs. C etwas zu entwickeln scheint. Es entwickelt sich sogar so viel, dass Mrs. C ihren Kinderwunsch mit B erfüllt, weil ihr Ehemann Brian offensichtlich zeugungsunfähig oder -willig ist. Der Clou: Carmel Winters lässt offen, ob die Figuren Brian und Mrs. C nur Wunsch- bzw. Angstprojektionen von B und Dee sind. Ein Stoff von jener Art, nach dem sich auch das Publikum des Heidelberger Zimmertheaters alle zehn Finger lecken würde. Er wirft Fragen nach der Missbrauchsthematik, nach dem Umgang der "Normalos" mit geistig Behinderten und nach den familienfeindlichen Mechanismen in unserer auf stetigen beruflichen Erfolg getrimmten Gesellschaft auf.

Volker Muthmann spielt die beiden männlichen Rollen mit großer Sensibilität. Wie er mit den Augen rollt, in hektische Übersprungshandlungen verfällt und so das gesamte Seelenkaleidoskop des ebenso verunsicherten wie liebebedürftigen B verdeutlicht, hat hohes Niveau. Marie-Therese Futterknecht ist ihm als eifersüchtige Dee (Rollentypus: raue Schale, weicher Kern) eine ebenso kongeniale Bühnenpartnerin wie als Verführerin Mrs. C. In mancherlei Hinsicht erinnert "B for Baby" an "Elling" oder an "Einer flog übers Kuckucksnest". Man sollte sich Karten sichern!

Fi Info: Die nächsten Vorstellungen: 19. April, 11., 16. u. 26. Mai sowie 6. Juni. Kartentelefon: 06221 / 58-200 00. www.theaterheidelberg.de

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