Aufgespießt! - Die RNZ-Sportkolumne

Eishockey neu entdeckt

Wie die öffentlich-rechtlichen TV- und Hörfunksender den Sport vereinnahmen

09.03.2018 UPDATE: 10.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden

Von Rainer Kundel

Mannheim. Es ist kaum zu glauben: Die öffentlich-rechtlichen TV- und Hörfunksender entdecken nach olympischem Silber der Eishockey-Nationalmannschaft die Sportart für sich. Hier eine Zusammenfassung von München gegen Iserlohn in der ARD-Sonntagsportschau, dort der Bundestrainer und drei Spieler im Aktuellen Sportstudio (oder besser Fußballstudio?) des ZDF. Auch wenn der Beginn vor einer Woche um 23.40 Uhr war und das Thema Eishockey somit erst zu Beginn des nächsten Tages nach Mitternacht zur Sprache kam. Was sicher die Quoten nicht nach oben schnellen ließ, zumal sich der Moderator trotz einem Vorlauf von fast einer Woche nach dem Ereignis nicht gerade vorbereitet zeigte.

Neben den neugierigen Kamerateams der Boulevard-Privaten wurden zum Abschluss der DEL-Hauptrunde sogar Mitarbeiter regionaler Hörfunkstationen gesichtet, man springt halt auf den Mainstream auf. Seit der geschäftstüchtige ehemalige DEL-Chef Bernd Schäfer Ende der 90er Jahre für die Klubs einen millionenschweren Drei- Jahresvertrag mit Sky-Vorgänger Premiere aushandelte, zogen sich die gebührenfinanzierten Sender trotz des Zugeständnisses der Zweitverwertungsrechte weitgehend ins Mauseloch zurück. Zusammenfassungen aus der Hauptrunde blieben mit Ausnahme des Bayerischen Rundfunks so rar wie das Bedürfnis am Nordpol nach einem Kühlschrank. Auf Verdacht lohnte es sich dennoch, am Montagfrüh mal für 30 Sekunden aufs Frühstücksfernsehen zu spekulieren.

Es gab mal Zeiten - die Älteren werden sich erinnern - in denen es am Freitagabend eine 23 Uhr-Sportschau gab und Herbert Watterott, Fritz von Thurn und Taxis, Jochen Sprenztel und Peter Ziehe (SDR) regelmäßig über die Haie, die DEG, den Berliner Schlittschuhclub und den MERC berichteten und der spätere Kurpfalzradiochef Hannes Liebenstein durchs Telefon während der 22 Uhr-Nachrichten live aus dem Friedrichspark die Torschützen aufzählte.

Wenn sich heute die in der 3. Fußball-Liga heimischen Reporter des SWR in die SAP Arena verirren, werden Fragen wie "Wechseln die Mannschaften in der Pause eigentlich die Bank?" gestellt. Die Rheinland-Pfalz-Schiene des Senders spürte eine Woche nach Ende der Olympischen Spiele den Regionalliga-Klub "EHC Die Bären Neuwied" auf. Der klopfte vor 20 Jahren an die Tür der 2.Liga, ohne dass sich damals und seither jemand für ihn interessierte.

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Am vergangenen Sonntag war eine Adler-Abordnung mit Klubchef Daniel Hopp auf dem Rückweg von Augsburg bei "Sport im Dritten" nach Stuttgart eingeladen. Einst hatte ein Redakteur des Senders, der außer kurpfälzisch keine Sprache beherrschte, beim Besuch des Meistertrainers Greg Poss höchste Bedenken, der Trainer sei nicht der deutschen Sprache mächtig. Dafür wurde der 1989 in Düsseldorf als Sohn deutscher Eltern geborene Nationalspieler David Wolf mit "Dejvid Wuulf" (Lautsprache) angekündigt. Das Klischee von den Deutsch-Kanadiern ist auch vierzig Jahre nach deren Import einfach nicht aus den Köpfen.

Eishockey wird in diesen Tagen behandelt wie ein geheimnisvoller Sport aus dem Himalaja-Gebirge, von dem in Deutschland noch nie jemand außer den gängigen Klischees der fehlenden Zähne und der Schlägereien etwas gehört hat. Die Macher der SWR 3-Morning-Show fragten Daniel Hopp allen Ernstes, ob man seine Kinder statt zum Fußball guten Gewissens zum Eishockey schicken könne. Der vielen Zahnlücken wegen ... Dass im Nachwuchs seit jeher mit einem Vollgitter gespielt wird, ist zu den Fragestellen nicht durchgedrungen - weil nie gesehen. Es gibt stattdessen Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Sender, die kein einziges Mannheimer Hauptrundenspiel besuchen, beim jährlichen Kamin-Abend aber bei den Ersten sind.

Vor dem Hintergrund der gerade stattgefundenen "No Billag"-Volksabstimmung zum Zwangsbeitrag für das gebührenfinanzierte Fernsehen in der Schweiz wurden dessen Gegner auch hier wieder sensibilisiert. Nicht wenige Kommentatoren der deutschen Presselandschaft hinterfragten in den letzten Tagen die Eindimensionalität der quotenorientierten Programmgestaltung, zu der auch die sündhaft teuer erworbenen Fußballrechte zählen. Warum ist eine Sonntag-Sportschau mit den Teamsportarten außerhalb des Fußballs (Handball, Eishockey, Basketball, Volleyball, Wasserball) tabu und wenn überhaupt in Zwei-Minuten-Beiträge der "Dritten" verfrachtet worden?

Kontakt: sportredaktion@rnz.de

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