Kampf gegen Armut beginnt bei den Jüngsten
Ab Montag gibt es warmes Mittagessen und ein Spielangebot für Schulklassen. Das Projekt finanziert sich durch Spenden.
Von Volker Endres
Mannheim. "Können wir die Kindervesperkirche während der Pandemie verantworten?", stellte Dekan Ralph Hartmann die rhetorische Frage und beantwortete sie gleich selbst: "Wäre es verantwortungsvoll, Kinder und Jugendliche in der jetzigen Situation allein zu lassen?" Vom 29. November bis zum 10. Dezember lädt deshalb die Kindervesperkirche ganze Klassenverbände ein, um gemeinsam zu essen, zu spielen und zu basteln.
"Wir sind froh, dass wir die Kinder wieder in Präsenz bei uns haben", unterstrich Organisator Lutz Wöhrle. Denn zwar werde kein Kind stigmatisiert, weil eben jeweils die gesamte Schulkasse zum Mittagessen eingeladen ist, "aber durch genaues Beobachten können betroffene Kinder herausgefunden werden". Ihnen kann dann gezielt geholfen werden. Das sei im Vorjahr nicht möglich gewesen. Da hatten die Organisatoren mit ihren Helfern und Unterstützern – besonders der Verein "Adler helfen Menschen" ist von Anfang an mit dabei – zwar insgesamt rund 3000 Vesperbeutel in den Schulen verteilt, aber pandemiebedingt ohne den so wichtigen persönlichen Kontakt, ohne das Gefühl von Gemeinschaft und ohne das Kindervesperkirchenlied.
Das alles soll in diesem Jahr wieder möglich sein, wenn auch in ausgedünnter Form. Maximal drei Schulklassen sind an den zehn Veranstaltungstagen im Kirchenschiff der evangelischen Jugendkirche im Stadtteil Waldhof zu Gast. Circa 60 Kinder werden dabei verpflegt.
Die Speisekarte beginnt am Montag mit Käsespätzle, Gurkensalat und frischem Obst. Und im Anschluss gibt es jeweils im Klassenverbund das beliebte Spiel- und Bastelangebot. Bis zu 600 Kinder werden damit erreicht, rechnete Wöhrle vor. Und nach 13 Uhr kommen die Kinder aus dem Stadtteil hinzu, die ansonsten beim Mittwoch-Mittagstisch zu Gast sind. "Das sind weitere 300 Kinder." Außerdem hat die Kindervesperkirche seit zwei Jahren mit der Rheinau-Grundschule im Mannheimer Süden auch eine zweite Niederlassung. Dort ist das Angebot allerdings ausschließlich auf die Schule begrenzt.
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Doch neben der reinen Verpflegung, die sich wie immer ausschließlich aus Spenden finanziert, hat die Veranstaltung auch eine politische Dimension, verdeutlichte Hartmann. Viel zu viele Kinder und Jugendliche in Mannheim – laut städtischem Sozialatlas ein Viertel – sind von Armut betroffen oder leben in Familien mit geringem Einkommen. Die Corona-Pandemie hat die Kinder besonders hart getroffen.
Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, lädt die evangelische Jugendkirche seit 2008 zu sich ein. "Wer in Armut aufwächst, hat diese Armut in seiner Biografie. Es geht deshalb um weit mehr als ein Mittagessen. Es geht um eine Verbesserung der Startchancen. Es geht darum, ob wir in einem Land leben wollen, in dem Kinder ein Armutsrisiko sind." Immerhin das sei mittlerweile in der Politik angekommen, betonte der evangelische Stadtdekan. So sei im neuen Koalitionsvertrag die Kindergrundsicherung festgeschrieben: "Das freut uns."
Matthias Binder, Vorsitzender des Vereins "Adler helfen Menschen" und damit von der ersten Stunde an Unterstützer der Kindervesperkirche, nannte dies aber nur einen ersten Schritt: "Das Wichtigste ist nicht die Sicherung, sondern dass diese Hilfe auch unbürokratisch gewährt wird." Doch von all dem sollen die Kinder und Jugendlichen nichts mitbekommen. Für sie stehen Spiel, Spaß und Mittagessen bei der Kindervesperkirche im Vordergrund.