Elsenz und Schwarzbach

Wie nach den Überflutungen der Hochwasserschutz ausgebaut wurde

Ein Experte vergleicht die Hochwasserlage in Westdeutschland mit den Überflutungen von 1993 und 1994 in der Region. Es sei zwar eine andere Dimension, aber verursache das gleiche Leid.

19.07.2021 UPDATE: 20.07.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde
Verhinderte 2008 ein schlimmeres Hochwasser: das randvoll gelaufene Rückhaltebecken des Lobbach bei Mönchzell. Fotos: privat

Von Benjamin Miltner

Region Heidelberg. Die dramatischen Bilder von den Hochwasserlagen im Westen Deutschlands erinnern viele Menschen rund um Heidelberg an die Jahre 1993 und 1994: Damals entstanden besonders im Einzugsgebiet der Elsenz Schäden in dreistelliger Millionenhöhe – und wenig später der Zweckverband Hochwasserschutz Elsenz-Schwarzbach. Dessen Geschäftsführer Gerold Werner vergleicht im RNZ-Interview die aktuelle Lage in Westdeutschland mit der damaligen und dem Status Quo in der Region.

Herr Werner, inwiefern beschäftigt Sie als Fachmann die aktuelle Hochwasserlage im Westen und weiteren Teilen Deutschlands?

Natürlich sehr. Gerade heute im Kollegenkreis haben wir etwa die Bilder von der Gemeinde Schuld an der Ahr in Rheinland-Pfalz besprochen. Dort wo der Fluss natürlich durchrauschen müsste und vor Jahrhunderten noch keine Häuser standen, ist nun alles zerstört. Jede Gemeinde, bei uns auch, hat sich über die Zeit immer mehr den Gewässern genähert. Da sind solche Extremlagen programmiert – und darauf müssen wir reagieren.

Reagiert wurde in der Region nach den schweren Überflutungen im Dezember 1993 und Juni 1994 etwa in Meckesheim, Bammental und Waibstadt mit der Gründung des Hochwasserzweckverbands Elsenz-Schwarzbach. Sind die Ereignisse vergleichbar?

Auch interessant
Hilfe für Hochwasser-Opfer: Für die Betroffenen der Katastrophe spenden
Rheindamm-Sanierung Mannheim: "Altern von Dämmen wird oft ignoriert"
Waldhilsbach: Es soll nicht noch eine Flutwelle durchs Dorf schießen
Überflutungskatastrophe: Warum der Rhein-Neckar-Kreis sich "sehr gut vorbereitet" sieht
Geschäftsführer Gerold Werner.

Die Dimensionen in der aktuellen Lage sind sicher ganz andere. Dort sind wohl viele Tausend Gebäude betroffen, bei uns waren es viele Hundert. Rund um Heidelberg waren es 1994 zwei Todesopfer. Aber bezogen auf einzelne Häuser ist es der gleiche Schlamm, die gleiche Zerstörung, das gleiche Leid für die einzelnen Bewohner. Auch was die Niederschläge angeht, sind die rund 140 Liter pro Quadratmeter binnen drei Tagen 1993 und die bis zu 250 Liter binnen drei Stunden 1994 vergleichbar.

Sind solche Regenmengen beherrschbar?

Nein, Hochwasser wie 1994 bei uns oder jetzt in der Eifel sind außerhalb jeder Kategorie und nie zu 100 Prozent zu beherrschen. Wir sind aber auch bei solchen Extremlagen heute deutlich besser aufgestellt und haben etwa durch die Rückhaltebecken mehr Zeit, um Vorbereitungen zu treffen, Sandsäcke zu füllen und Leute zu evakuieren. Und ein statistisch 100-jährliches Hochwasser wie zum Beispiel 1993 sollte nun in den Griff zu bekommen sein.

Die ganz großen Überschwemmungen blieben in den vergangenen Jahren aus. Wurde die Region zuletzt verschont?

Nein, das System hat sich einfach schon oft bewährt. Auch wenn etwa Rückhaltebecken bei Starkregen nur halb voll laufen: Mit der gespeicherten Wassermenge wäre die Ortschaft darunter trotzdem überflutet gewesen.

Hintergrund

> Der Zweckverband Hochwasserschutz Elsenz-Schwarzbach mit Sitz in Waibstadt hat 23 Kommunen als Mitglieder. Er wurde nach den Überflutungen im Einzugsgebiet im Dezember 1993 und Juni 1994 mit Schäden von über 300 Millionen D-Mark gegründet. Erstmals 1997 wurde ein

[+] Lesen Sie mehr

> Der Zweckverband Hochwasserschutz Elsenz-Schwarzbach mit Sitz in Waibstadt hat 23 Kommunen als Mitglieder. Er wurde nach den Überflutungen im Einzugsgebiet im Dezember 1993 und Juni 1994 mit Schäden von über 300 Millionen D-Mark gegründet. Erstmals 1997 wurde ein Hochwasserschutzkonzept verabschiedet mit dem Ziel, einen gleichwertigen Schutz vor 100-jährlichen Hochwassern sicherzustellen. Dies soll geschehen durch Rückhaltebecken vor allem an den Zuflüssen und Oberläufen von Elsenz und Schwarzbach sowie durch Dämme, Mauern oder Flussaufweitungen. "Aktuell sind 80 Rückhalte vorgesehen, wovon rund 60 Becken fertiggestellt sind", so Zweckverband-Geschäftsführer Gerold Werner. Durch neue Daten und Erfahrungen wird das Konzept immer wieder erweitert. So waren bei der Überarbeitung 2008 durch neue Berechnungen bereits 50 Prozent der 1997 geplanten Becken nicht mehr für ein 50-jährliches Hochwasser ausgelegt. Bis heute wurden rund 60 Millionen Euro investiert, wovon das Land 70 und die Kommunen 30 Prozent der Kosten tragen. bmi 

[-] Weniger anzeigen

Können Sie Beispiele geben?

In Mönchzell und Waldwimmersbach standen etwa die jeweiligen Rückhaltebecken des Lobbachs im März 2008 randvoll. Im Januar 2011 gab es erneut in Mönchzell und am Biddersbach in Wiesenbach das gleiche Bild. Ohne Becken hätten die Gemeinden wieder unter Wasser gestanden. Diesmal blieben die Bäche großteils in ihrem Bett und so haben es viele Bürger gar nicht wahrgenommen – was ja auch im Sinne der Sache ist.

Ist das Schutzkonzept also komplett umgesetzt oder wo liegen die aktuellen Aufgaben?

Wir sind mit der Konzeption noch nicht am Ende. Es sind noch einige Becken zu bauen, bevor ein umfassender Schutz gegen ein 100-jährliches Hochwasser erreicht ist. Der Ausbau ist nie fertig, das ist eher ein dynamischer Prozess. Dieses Jahr noch soll es etwa neue Bemessungsniederschläge des Deutschen Wetterdienstes geben.

Und neue Daten bewirken neue Maßnahmen?

Genau. Bereits die Aktualisierung unseres Konzepts 2008 hat im Vergleich zur Erstversion 1997 einige Beckenerweiterungen und -neubaupläne bedingt. Das Volumen des Staubeckens in Wiesenbach wurde vor etwa zehn Jahren bereits verdoppelt, in Mönchzell steht diese Maßnahme noch bevor. Das müssen wir alles nach und nach abarbeiten, sonst stehen uns die Bürger zu Recht und im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Damm. Zunächst einmal stehen aber noch einige Neubaumaßnahmen gerade im oberen Schwarzbachtal an, wo einige Ortslagen noch über gar keinen Rückhalt verfügen.

Zumal von Maßnahmen im Oberlauf und bei Zuflüssen die Gemeinden im Unterlauf ja genauso profitieren.

Exakt. Hochwasser muss man dort zurückhalten, wo sie entstehen: also die Oberläufe drosseln. Für Rückhaltebecken an der Elsenz bei Mauer oder Neckargemünd stünde gar nicht der benötigte Platz für so ein großes Volumen zur Verfügung.

Welche Maßnahmen sind dort vor Ort möglich?

Dort ergänzen Gewässerausbaumaßnahmen die Rückhaltungen. In Bammental etwa wurden vor einiger Zeit Mauern und Dämme neu gebaut oder erweitert. Dort waren aus Platzgründen nur solche künstlichen Maßnahmen möglich. Die Erweiterung der Gewässer und der Ausbau des Volumens ist – wo möglich – immer die bessere Entscheidung.

Erhoffen Sie sich mit der verstärkten Aufmerksamkeit für das Thema nun mehr Mittel?

Die waren nie und sind bei uns nicht das Problem, eher die lange Verfahrensdauer. Wir haben zwar schon viele Maßnahmen umgesetzt, aber der Prozess wird zurzeit immer schleppender. Immer mehr Beteiligte haben immer mehr Einwände und Corona war natürlich auch nicht gerade hilfreich und hat vieles verzögert. Wenn sich die Genehmigungsvorgänge beschleunigen, wäre uns viel geholfen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.