Junge Leute fordern Alternativen zum Aufenthalts- und Alkoholverbot
Kundgebung auf der Neckarwiese. "Das Problem verlagert sich nur".
Von Marie Böhm
Heidelberg. Kein Aufenthaltsverbot auf der Neckarwiese. Kein nächtliches Alkoholverbot in der Altstadt. Mehr Alternativen für junge Menschen. Das waren die Kernforderungen eines Protests am Samstag auf der Neckarwiese. Ein paar Stunden vor der 21-Uhr-Räumung kamen rund 80 vor allem junge Menschen zusammen, um ihren Unmut zu äußern. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Initiative "Zero Covid".
Gekommen war auch der Student Jochen Stadler. Er findet: Die Räumung ab 21 Uhr, mit der die Stadt die Situation auf der Wiese befrieden will, mache wenig Sinn. "Das fordert Spannungen geradezu heraus. Und die Polizisten kriegen das dann alles ab." Das Aufenthaltsverbot bestrafe die friedliche Mehrheit der Besucher mit. Die Strategie der Stadt sei ineffektiv: "Man kann doch nicht so naiv sein und glauben, die Leute würden dann nach Hause gehen. Die ziehen zu Dutzenden in die Untere Straße, wo es die Anwohner abkriegen. Das Problem verlagert sich einfach nur."
Neben der mangelnden Effektivität der Verbote kritisierten viele Redner auch allgemein, dass jüngere Leute in Heidelberg nicht gehört würden. "Anwohner und Ladenbesitzer wurden in die öffentliche Diskussion miteinbezogen. Aber diejenigen, die hier normalerweise unterwegs sind, wurden gar nicht erst gefragt", kritisierte Michèle Pfister vom Studierendenrat der Universität (Stura). Dabei sei gerade die Situation Jüngerer in Corona-Zeiten besonders schwierig, auch die der Studenten: "Wir haben mehr soziale Probleme als je zuvor. Gleichzeitig gibt es einen enormen Leistungsdruck, den man trotz Onlinelehre erfüllen muss." Da sei es auch kein Wunder, dass ein Ventil dringend nötig wäre.
Die momentane Regelung sei keine Dauerlösung: "Diese Symptombehandlung bringt auf Dauer überhaupt nichts! Wir brauchen eine strukturelle Lösung statt immer mehr Repressionen und Verboten." Natürlich stelle man sich gegen die Gewalt der letzten Wochen. Doch sei diese die Ausnahme, nicht die Regel.
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Die meisten Leute wollten sich einfach nur mit Freunden treffen – und das vielleicht auch mal etwas länger. Student Leander von Detten sagte: "Monatelang konnten wir nichts machen und saßen mehr oder weniger isoliert in winzigen Wohnungen fest. Und jetzt, wo die Lockerungen endlich mal Treffen zulassen, wird die einzige einigermaßen sichere Möglichkeit dazu eingeschränkt."
Zudem gebe es kaum Ausweichmöglichkeiten, erklärte Franky Hund von der Partei "Die Linke": "Für junge Leute werden keine Alternativen geschaffen. In den letzten Jahrzehnten werden Kulturorte, die eher für Jüngere ausgelegt sind, zunehmend abgebaut. In Heidelberg ist das auch so. Wo sollen wir denn noch hin, wenn die Neckarwiese auch gesperrt wird?"
Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Grüne) stimmte zu: "Es braucht vor allem mehr freie Flächen. Ob das jetzt neue Gebiete wie das Airfield sind, oder ob man die Besitzer der Freibäder bezahlt, damit sich dort nachts Leute im Freien aufhalten können." Man dürfe aber nicht vergessen, dass es ein zweiteiliges Problem sei: "Einerseits gibt es die Randalierenden, die Krawall machen. Andererseits gibt es die jungen Leute, denen es an alternativen Aufenthaltsorten mangelt. Das kann man nicht so einfach gleichsetzen."
Auch ein jüngerer Mann, noch keine 20, meldete sich zu Wort. Er fand: "Solange ich niemandem schaden will, will ich mich unangemessen lange auf der Neckarwiese aufhalten und dabei auch unangemessen viel trinken dürfen."