SAP-Betriebsrat

Reaktionen auf den geplanten Rauswurf des ehemaligen Vorsitzenden

Zurückgetretener Vorsitzender muss mit außerordentlichen Kündigung rechnen - Neuanfang gefordert

30.06.2021 UPDATE: 01.07.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Archivfoto: dpa

Von Matthias Kros

Walldorf. Es war eine ungewöhnliche Aufgabe, der sich Betriebsrat der SAP SE am Mittwoch in einer Sondersitzung stellen musste. Die Unternehmensleitung hatte die Arbeitnehmervertretung um eine Zustimmung gebeten, ihrem gerade zurückgetretenen Vorsitzenden, Ralf Zeiger, außerordentlich kündigen zu dürfen. Am Ende stimmte eine Mehrheit aber zu: "Wir möchten auf diese Weise ein klares Zeichen für Integrität setzen", begründete Nathalie Boulay, die nach Zeigers Rücktritt den Betriebsrat interimsmäßig führt, gegenüber der RNZ den Schritt. "Die betrieblichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte sind ein hohes Gut, das wir mit Nachdruck schützen wollen. Wir haben uns daher für diesen Weg entschieden, um nachhaltigen Schaden vom Gremium abzuwenden und das Vertrauen der Mitarbeitenden zurückzugewinnen."

Dabei gelte das Engagement den Themen, die für die Belegschaft von Bedeutung sind, fuhr sie fort. "Der Betriebsrat der SAP SE bleibt fokussiert auf seine Kernaufgabe, das Wohl unserer Kolleginnen und Kollegen!", versprach Boulay in einem Rundschreiben an die Belegschaft.

Zuvor hatte ein Sprecher bestätigt, was in den vergangenen Tagen bereits durchgesickert war: Zeiger muss mit seiner außerordentlichen Kündigung rechnen. Man werde nun die nächsten Schritte einleiten, sagte er. "Höchste Sorgfalt, Corporate Governance sowie der Schutz der Privatsphäre der Beteiligten stehen hierbei im Mittelpunkt." Sowohl gegen Zeiger als auch gegen ein weiteres Betriebsratsmitglied hatte das Unternehmen bereits Anfang Juni interne Untersuchungen eingeleitet. Der am Freitag zurückgetretene Betriebsratsvorsitzende soll im Zuge einer Untersuchung gegen einen Betriebs- und Aufsichtsratskollegen in "mehrfacher Weise eine Aufklärung erschwert, Indiztatsachen unterdrückt" und dabei versucht haben, "die Ermittlung der Wahrheit zu verhindern", heißt es in der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Unterlagen. Dabei soll Zeiger die Vorwürfe gegenüber der Unternehmensleitung eingeräumt haben.

Eine Kündigung droht in Kürze auch Zeigers Betriebsrats- und Aufsichtsratskollegen, gegen den SAP intern nach dem Hinweis eines Whistleblowers wegen Arbeitszeitverstößen und anderer mutmaßlicher Vergehen ermittelt.

Aufgrund dieser Vorwürfe hatte der Betriebsrat bei seiner Sondersitzung am Mittwoch nicht nur der Kündigung zugestimmt, sondern auch "mit überwältigender Mehrheit" die beiden beschuldigten Mitglieder aufgefordert, von allen Wahlämtern in Betriebs- und Aufsichtsrat zurückzutreten, schrieb Boulay an die Belegschaft. Diese Aufforderung sei aber bis zur Abstimmung über den Antrag unbeantwortet geblieben.

Auch Andreas Hahn, Mitglied im Vorstand der Verdi-Betriebsratsgruppe bei SAP, hätte sich die Rücktritte von allen Wahlämtern gewünscht und erneuerte seine Kritik an dem früheren Betriebsratsvorsitzenden: "Ralf Zeiger hatte viele Gelegenheiten, diese Angelegenheit mit teilweise erheblich weniger Schaden für alle Beteiligten zu beenden", glaubt er. Leider habe Zeiger keine davon genutzt.

Kritik gab es am Mittwoch genauso von der IG Metall Heidelberg: "Durch den Ausspruch von Kündigungen wird es keine nachhaltigen Veränderungen bei SAP geben können", sagte Gewerkschaftssekretär Türker Baloglu. "Wir stellen fest, dass diese Dinge auch zum Teil hausgemacht sind. Sollten die SAP-Verantwortlichen dies tatsächlich ändern wollen, müssen sie ihre ablehnende Haltung gegenüber der IG Metall ablegen und mit uns kooperieren."

Einen Neustart im Betriebsrat der SAP SE forderten Susann Oerding, CGM-Vertrauensfrau und Nachrückerin im Betriebsrat, und Betriebsratsmitglied Ralf Kronig: Man unterstütze eine Neuwahl des Betriebsrats getreu der Informatiker-Idee "Reboot tut gut!", schrieben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme und wünschten sich "eine klare Differenzierung. Beide stellten sich "ausdrücklich hinter das Engagement und die Arbeitsleistung der anderen, unbescholtenen Betriebsräte".

Man empfinde das Fehlverhalten einzelner Mitglieder als falsch, heißt es in der Stellungnahme weiter. Es sei wichtig, dass dies nicht dem Betriebsratsgremium angelastet werde. "Das Engagement des Betriebsrats als Mitbestimmungsorgan zum Wohle aller Beschäftigten ist aller Wertschätzung wert!"