St. Leon-Rot

Die Perspektive für die Wasserversorgung ist düster

Aber weder der Grundwasserpegel noch die Millioneninvestitionen sind für die Kommune das Problem, sondern die Vorhaben anderer.

17.06.2021 UPDATE: 18.06.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 37 Sekunden
Ihrem Abschluss nähert sich die Kernsanierung des St. Leon-Roter Hochbehälters am Letzenberg, auf Malscher Gemarkung. Foto: Gemeinde

Von Sebastian Lerche

St. Leon-Rot. Die Gemeinde St. Leon-Rot und ihr Eigenbetrieb Wasserversorgung haben viele Sorgen, aber der "Nachschub" aus den Grundwasserleitern in der Rheinebene gehört nicht dazu. Wie Eigenbetriebsleiterin Angelika Laux, Wassermeister Jürgen Dieckmann und Bürgermeister Alexander Eger gegenüber der RNZ berichteten, sind St. Leon-Rot und damit auch Malsch, Mühlhausen und Rauenberg, an die ebenfalls Trinkwasser geliefert wird, "gut versorgt".

Der Bürgermeister erinnert sich an nicht wenige Kontroversen und Gerüchte, der Golfplatz wäre Schuld am gesunkenen Grundwasserspiegel: "Vor 15 Jahren war es umgekehrt, da hieß es, der Grundwasserspiegel wäre gestiegen wegen des Golfplatzes." Die entsprechenden Untersuchungen, die beiderlei Bedenken ausräumten, hätten denn auch "viel Geld" gekostet. Was stimmt: Hat es einst, als das Neubaugebiet "Kirr" im Roter Süden (Richtung Kehrgraben), Probleme mit feuchten Kellern gegeben, weil sie tiefer als erlaubt ausgeschachtet worden waren, macht sich jetzt die Trockenheit der oberen Bodenschichten bemerkbar: Setzungen verursachen beispielsweise auf Wegen breite Risse. "Das habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten nicht erlebt, das ist für mich ein Zeichen, dass sich etwas nachhaltig verändert." Auch die Schäden im Wald durch die Trockenheit der vergangenen Jahre lassen sich nicht leugnen.

Innen ist vom Beton über Fliesen bis zu Leitungen und Elektronik alles neu. Die letzte Sanierung des aus den 60ern stammenden Behälters war vor über 20 Jahren. Foto: Gemeinde

Aber das sind Probleme an der Oberfläche: In den Tiefen, aus denen das Wasserwerk der Gemeinde bis zu 180 Liter die Sekunde holt, sind die noch nicht zu spüren – Dieckmann zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Wassermengen mehr als ausreichend bleiben.

Die St. Leon-Roter Wasserversorgung hat sich zuletzt vielmehr intensiv mit ihrem Hochbehälter am Letzenberg, auf Malscher Gemarkung, beschäftigt. 2019 starteten die Planungen, jetzt nähert sich seine Sanierung dem Abschluss. 2,1 Millionen Euro wurden investiert. Äußerlich sichtbares Zeichen: die Fassadenplatten in Blau- und Grautönen.

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Innen aber hat sich das meiste getan: "Es war eine Kernsanierung", so Laux und Dieckmann. Der Beton wurde abgestrahlt und neu beschichtet, die Fliesen, wurden erneuert. Zugänge für die Wartung, Be- und Entlüftung, Wasserleitungen, Elektrik und Steuerung, Dämmung, Dach: Alles musste modernisiert werden, denn der aus den 1960er-Jahren stammende Behälter war 1999/2000 zuletzt saniert worden. "Jetzt genügt er neusten Standards", so Laux: Im Spätjahr soll alles fertig sein.

Brunnen VI ist ein Meilenstein für die St. Leon-Roter Wasserversorgung, die auch nach Malsch, Mühlhausen und Rauenberg liefert. Foto: Gemeinde

3000 Liter, genauer 2750 Liter Nutzvolumen, hat der Behälter. Er wird laut Dieckmann je nach Tageszeit und Bedarf mit 90 Litern die Sekunde befüllt – , "wenn es gut läuft". Nicht aber in Hochlastzeiten im Sommer, da ist die Wasserversorgung an ihre Grenzen gestoßen. Fachleute haben errechnet, dass das Volumen des Hochbehälters verdoppelt werden muss. "Im Sommer fördern wir Wasser unter Volllast und trotzdem sinkt der Hochbehälterpegel noch", so Dieckmann. 465 Kubikmeter pro Stunde war der stärkste Bedarf 2018, im Jahr drauf hat man noch einmal 460 Kubikmeter die Stunde erreicht. Das halte man nicht lange durch.

Ein neuer, gleich großer, denselben Standards genügender Behälter solle neben dem bestehenden errichtet werden, erklärte Angelika Laux. Es wäre am praktischsten und einfachsten, beide Behälter nebeneinander zu haben – "und auf gleicher Höhe, mit vergleichbaren hydraulischen Verhältnissen". Der Platz auf dem St. Leon-Rot gehörenden Areal genüge aber nicht. "Die Grundstückssituation ist aber nicht einfach", da müsse man noch einiges – in guter Zusammenarbeit mit der Gemeinde Malsch – klären. Die Verhandlungen seien im Gange, St. Leon-Rot sei bereit, eine Fläche zu erwerben oder eine eigene für den nötigen Platz einzutauschen. Was mit zu bedenken sei, so Laux: In der Nähe sei ein schützenswertes Biotop, daher müsse ein ökologischer Ausgleich mit Hilfe von Experten gestaltet werden. Wann also mit dem Bau gestartet werden kann, ist noch offen, die Bauzeit dürfte zwei Jahre betragen.

Derzeit läuft der Probebetrieb. Foto: Gemeinde

Ohne größere Pausen wird auch das Wasserleitungsnetz St. Leon-Rots sukzessive modernisiert, "an allen Ecken und Enden wird gearbeitet", so Laux. Aber, so Eger, möglichst nur ein bis zwei Maßnahmen auf einmal, schließlich seien die Arbeiten nicht nur anspruchsvoll und müssten eng begleitet werden, sie gingen auch mit starken Beeinträchtigungen für die Bürgerinnen und Bürger einher. So erinnert er an die enorm aufwendigen Leitungsarbeiten in Bahnhofs- und Wieslocher Straße, da sei viel Geduld von allen Seiten erforderlich gewesen. Aber da könne man eben auch keine halben Sachen machen.

Ein Meilenstein in der Wasserversorgung wurde erst kürzlich erreicht: Der erste Probelauf für den sechsten Brunnen im St. Leon-Roter Wasserschutzgebiet. Im Januar 2020 startete man mit den Bohrungen. Jetzt werde noch viel kontrolliert, gespült, justiert und geprüft, aber "in naher Zukunft" gehe er in Betrieb, so Laux. Rund 2,6 Millionen Euro wurden investiert. Pandemiebedingte Verzögerungen und die gestiegenen Kosten auf dem Bausektor, gerade für Material, machten dem Eigenbetrieb zu schaffen.

Aber das sind alles Sorgen, mit denen die Gemeinde umgehen kann. Worauf sie überhaupt keinen Einfluss hat, sind die diversen Pläne, die andere Institutionen, Firmen oder Behörden im Wasserschutzgebiet haben. Bürgermeister Eger nannte eine besorgniserregend lange Liste.

Auch wenn man in letzter Zeit von keinen Fortschritten gehört hat, sind im Lußhardtwald südlich von St. Leon nach wie vor zehn fast 240 Meter hohe Windkraftanlagen geplant. Sie brauchen je rund einen Hektar Freiraum, dazu Wege, um sie für Wartungsarbeiten oder bei Notfällen zu erreichen. Hoch- und Höchstspannungsleitungen zur Ertüchtigung der Stromnetze sollen zudem über St. Leon-Rots Gemarkung und durch den Wald führen, jedenfalls wenn festgelegt wird, dass die vorhandenen Leitungen aus dem Naturschutzgebiet Wagbachniederung herausverlagert werden sollen.

Kürzlich haben Firmen Untersuchungen angekündigt, ob sie in und bei St. Leon-Rot nicht Erdwärme nutzen könnten. Die Bahn prüft, ob sie entlang der Autobahn A 5 bei St. Leon-Rot zwei neue Gleise für den Güterverkehr zwischen Mannheim und Karlsruhe verlegen kann – eine von mehreren möglichen Trassen immerhin. Mit ziemlicher Sicherheit aber wird der Baggersee bei Kronau erweitert: 30 Hektar ist er groß, 14 sollen dazukommen, für die Rohstoffgewinnung, den Sand- und Kiesabbau nämlich.

All das kann Auswirkungen auf die Wasserversorgung und die Trinkwasserqualität haben, wie Eger betont. Der Wald an sich, der ohnehin unter dem Klimawandel leidet, wird als Verfügungsmasse für die unterschiedlichsten Interessen behandelt, anstatt gepflegt und aufgeforstet zu werden, womit er als Lebensraum, fürs Klima und vor allem auch als Filter für Niederschläge, ehe sie ins Grundwasser gelangen, wertvoller wäre.

"Die Kernfrage lautet: Können dezentrale, regionale oder kommunale Wasserversorger ihre Aufgabe noch erfüllen?" Mehr als dieses eine Wasserschutzgebiet, das auch andere Versorger nutzten, habe man nicht und man sei die quasi einzige Quelle von Trinkwasser für über 35.000 Einwohner in vier Gemeinden. Er könne die genannten Infrastrukturprojekte als wichtig und sinnvoll akzeptieren, so Eger, Geothermie und Windkraft als alternative Energien, ein stärkeres Stromnetz für deren Transport, mehr Güter auf die Schiene statt in LKW. Aber für die hiesige Wasserversorgung sei "die Perspektive düster".

Mit Blick auf die Gemeinde Dielheim, die mitsamt Ortsteilen jetzt teilweise von Bodenseewasser mitversorgt wird, betonte Jürgen Dieckmann, dass das für St. Leon-Rot nicht möglich sei. "Die investieren dreistellige Millionenbeträge, um den Status quo zu halten, die können niemanden mehr dazunehmen." Zuletzt seien nur kleinere Kommunen angeschlossen worden. Vom Bodensee erreichten seines Wissens nach zehn Liter die Sekunde Dielheim, "das ist im Vergleich zu unseren 180 Litern nichts". Da sei auch die Frage des Preises, man dürfe die Kosten für die Wasseraufbereitung nicht vergessen.

"Uns geht es um die Qualität", hob Angelika Laux hervor. "Ist die bisherige Daseinsvorsorge passé? Wenn die ortsnahe Wasserversorgung neuen Vorhaben weichen muss, was kommt stattdessen? Kommt dann auch gutes Wasser? Und zu welchem Preis?"

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