Baustellen

Sinsheims Altlasten, morsche Balken und  "unzuverlässige Firmen"

Der Baudezernent der Stadt gibt einen düsteren Überblick zu diversen Projekten der Stadt.

04.11.2020 UPDATE: 05.11.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Altlasten sind ein Problem an der Kläranlage. Mit dem Schuttberg häufen sich auch die Kosten an. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. In der Haut von Tobias Schutz stecken möchte zurzeit kaum einer: angefangene Baustellen an vielen Orten, scheinbar aus dem Nichts auftauchende Probleme – und ein absehbares Corona-Haushaltsloch von rund 20 Millionen Euro im kommenden Jahr. Schonungslos ehrlich hat der städtische Baudezernent am Dienstag dem Technischen Ausschuss des Gemeinderats bestürzende Baustellen-Sachstände präsentiert.

Als wäre Hasselbach nicht genug, wo ein Pilzgeflecht das Innerste des historischen Kindergarten-Hauses angegriffen und hohe Kosten verursacht hat. Ähnliches tut sich jetzt auch in Ehrstädt: Schutz zeigte Dutzende Bilder, auf denen Schraubenzieher in morschen Fachwerkbalken stecken. "Putz fiel herab", daraufhin sei das Gebäude untersucht und "ein akutes Problem" entdeckt worden. Vielleicht hat ein falscher Anstrich, sicher aber Sanierungsstau, die Schäden begünstigt. Das Haus wird aufwendig saniert, die Wohnung "eines älteren Ehepaars" im Obergeschoss wurde "entmietet". Wenigstens sei der Bau nicht einsturzgefährdet. Die Sache nicht einfacher macht, dass der Denkmalschutz das Gebäude als "erhaltenswert" einstuft.

"Ich glaube, wir sind nie durch", japste Schutz und blendete über zum Kindergarten "Süd", der auf dem Gelände eines früheren Bauernhofs steht. Dort sind "Altlasten" aufgetaucht: eine Klärgrube und eine "frühere Betriebstankstelle". Macht zusätzliche "mindestens 30.000 bis 40.000 Euro Entsorgungskosten".

Ähnliches kündigt sich bei der Teilsanierung der Kläranlage an: "Nachträge in nicht unerheblicher Höhe" kämen da zusammen und man finde im Baugrund einer ursprünglichen Wegebau-Maßnahme "alles, was man nicht finden will". Schutz zeigte Bilder von meterdicken Zementblöcken, von Fundamenten mit einem groben Schutzlack-Anstrich, der abgekratzt und gesondert entsorgt werden müsse, von "massiven Stahlbeton-Bauwerken", die in keinen Plänen aufgeführt und bei keiner Probebohrung gefunden wurden. Sie stammen aus den 1930er-Jahren. Teilweise enthält der Schutt, der gerade geschreddert wird und sich auf dem Gelände türmt, deshalb Asphalt, der noch mit teerhaltigen Stoffen angerührt war. Mindestens 250.000 Euro Zusatzkosten, eher mehr, dürfte es geben.

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Aber selbst damit noch nicht genug: "Mehr Nerven als die Stadthalle", ja sogar "die meisten" in Schutz’ Karriere als Architekt und Baumanager koste die Theodor-Heuss-Schule. Regelrecht vom Leder zog Schutz über "unzuverlässige Firmen", die "Leistungsfähigkeit mancher an der Planung Beteiligter" und "einen Bodenverleger, der nicht mit Bodenverlegen Geld verdient". Man setze auf juristischen Rat und stehe kurz davor, die geschuldeten Arbeiten selbst vorzunehmen und dem Betrieb in Rechnung zu stellen. Auch bei den Maler- und Fliesenarbeiten habe eine Firma den Zuschlag erhalten, "die alles tut, um nicht arbeiten zu müssen". Zu allem Übel sorge die angespannte Lage auf dem Bausektor dafür, dass die meisten Bieter für die Gewerke "30 bis 50 Prozent über der Kostenschätzung" lägen.

Ein Canossagang steht Schutz beim Elternabend der Schule bevor, wenn er schildern muss, "dass wir so gut wie fertig sind, aber nicht sagen können, wann wir in Betrieb gehen". Sehr persönlich wurde Schutz, als er sagte, er könne "nicht beschreiben, was das mit einem macht". Vor solchen Hintergründen mache "öffentliches Bauen einfach keinen Spaß mehr".

Ein niederschmetternder Vortrag, anders konnte man es nicht sagen. Schutz hatte hierbei nur gewagt, einzig die halbwegs gesicherten Kostenprognosen zu nennen. Bezeichnenderweise gab es im öffentlichen Sitzungsteil keine einzige Wortmeldung aus dem Gremium. Keinen Mucks. Mehrfach war unruhiges Schnaufen und Schnappen vernehmbar.

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