Forstrevier am Königstuhl

Heidelberg sagt dem Borkenkäfer den Kampf an

Bilanz des Sommers: Vor allem Fichten leiden unter Trockenheit und Insektenbefall - Mit Revierförster Wolfgang Ernst unterwegs

28.09.2020 UPDATE: 29.09.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 42 Sekunden
Der Holzeinschlag als letzte Rettung: Auf dieser Fläche am Königstuhl standen bis vor ein paar Wochen noch Fichten. Foto: kaz

Von Julia Lauer

Heidelberg. Ein Waldweg am Königstuhl, Revierförster Wolfgang Ernst ist stehengeblieben. "Hören Sie das?", fragt er. Aus der Ferne ertönt ein spitzer, langgezogener Ruf. "Das ist der Schwarzspecht. Er klopft die Larven des Borkenkäfers aus dem Baumstamm, die futtert er dann." Mal ist es der Specht, der Forstwirt Ernst mit seinem Ruf oder mit seinem Klopfen auf die Spur des Borkenkäfers führt, mal ist es Bohrmehl, das seine Mitarbeiter am Fuß einer Fichte entdecken. Oder das ungeliebte Insekt geht direkt in eine der 15 Kontrollfallen, die Ernst in seinem Forstrevier am Königstuhl aufgestellt hat.

Gefällte Fichten warten am Wegesrand auf Käufer. Der Borkenkäfer bestimmt mit, was im Forstrevier von Wolfgang Ernst am Königstuhl in Sachen Waldwirtschaft geschieht. Foto: jul

Nur drei, vier Millimeter misst der Borkenkäfer, aber die Bauchschmerzen, die er Ernst bereitet, sind vergleichsweise groß. In diesem Sommer fraß sich der Käfer nun schon im dritten Jahr in Folge durch die Fichtenbestände am Königstuhl, womit das Ende unzähliger Bäume besiegelt war. "Den Borkenkäfer gibt es schon immer, aber Trockenheit und Wärme sind für ihn ideal", seufzt Ernst, der seit 20 Jahren täglich am Königstuhl unterwegs ist. So lange schon leitet er dieses Forstrevier, es ist eines von vier auf Heidelberger Gemarkung. Je länger die Trockenheit andauert, desto eher vermehrt sich der Borkenkäfer. "Und 500 Käfer reichen schon, um einen Baum abzuknabbern", meint Ernst.

Dicht und grün ist der Wald am Königstuhl, zumindest von den Hauptwegen aus betrachtet. Von den Schäden, die der Käfer angerichtet hat, ist hier kaum etwas zu sehen. Die Nordseite sei weniger anfällig, erklärt der Revierförster, im Großen und Ganzen habe der Wald den Sommer auch ganz gut verkraftet – so scheint es zumindest bisher. Denn erst im Frühjahr steht fest, ob die Laubbäume überlebt haben und wieder austreiben. Bei den Fichten hingegen sind Schäden längst deutlich geworden. Schwächt sie das Klima, hat der Borkenkäfer leichtes Spiel.

Was von den befallenen Fichten übrig bleibt, stapelt sich als gefälltes Holz am Wegesrand. Welche Ausmaße das annehmen kann, wird hinter einer Abzweigung des Kriegswegs deutlich. Auf einer weiten Fläche, die von Laubbäumen begrenzt ist, macht sich Weltuntergangsstimmung breit. Der Borkenkäfer befällt nur Fichten – auch die, die hier standen. Baumstümpfe zeugen davon, dass Ernst und seine Mitarbeiter hier vor ein paar Wochen Holz gemacht haben, auf einem knappen Hektar. "Die Bäume sind etwa 40 Jahre alt, die würde man unter normalen Umständen nicht fällen", erklärt Ernst. "Das wäre Kälbermord."

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Insgesamt ist rund ein Prozent des Stadtwaldes durch das Insekt gefährdet, überschlägt der Förster. Rund ein Drittel der Bäume im Stadtwald sind Nadelbäume, und am Königstuhl sowie in Handschuhsheim stehen die Fichten mancherorts unter ihresgleichen. "Wir können unseren Vorgängern, die sie angepflanzt haben, keinen Vorwurf machen. Die Fichte wuchs schnell, ihr Holz war gefragt, und damals war sie geeignet für das Klima am Königstuhl." Mit der zunehmenden Trockenheit hat sich das geändert.

Der Revierförster zeigt Spuren, die der Borkenkäfer in der Fichtenrinde hinterlassen hat. Foto: jul

Auf seiner Kontrollfahrt am Königstuhl parkt Ernst seinen silbergrauen Kombi immer wieder am Straßenrand, klettert über die Leitplanke und sieht nach den Fichten dahinter. Hinter dem Chaisenweg entdeckt er Baumstämme, deren Rinde vom Specht abgeklopft wurde, der Käfer verrät sich auch hier durch Bohrmehl. Ernst sprüht ein pinkes "K" auf den Stamm, wenige Momente später ist ein Dutzend Bäume markiert. Es steht für "Käfer", die Bäume sind zum Fällen freigegeben. Daran führt kein Weg vorbei. "Die einzige Möglichkeit der Schädlingsbekämpfung ist die rasche Aufarbeitung", sagt Ernst. Dort, wo heute vom Käfer geplagte Fichten stehen, kann man die Natur sich selbst überlassen oder gezielt eingreifen. In jedem Fall sollen dort bald andere Bäume wachsen als Fichten: solche, die mit dem zunehmend trockenen Klima gut klarkommen, Edelkastanien etwa oder auch Eichen, außerdem Nadelhölzer wie Lärchen, vielleicht auch Atlaszedern.

Wegen des Käfers ließ Ernst in seinem Forstrevier in diesem Sommer ebenso wie schon im letzten mehr als 1000 Kubikmeter Holz schlagen – womit auch ein wirtschaftlicher Schaden verbunden ist. Zwar lässt sich auch das befallene Fichtenholz noch verkaufen. "Aber wenn wir das im Sommer tun, sind die Preise schlecht. Wir sind im dritten Jahr einer Notfall-Waldwirtschaft", erklärt der Förster, zu dessen Aufgaben nicht nur der Schutz des Waldes, sondern auch dessen Nutzung gehören. Der Borkenkäfer bestimmt mit, was in Sachen Holzwirtschaft geschieht; er ist für rund ein Zehntel der Holzernte verantwortlich.

Wenn die Bäume gefällt sind, gilt es, das Holz schnell wegzuschaffen, der missliebige Käfer soll schließlich nicht auch noch die gesunden Bäume ringsum befallen. Dass die Stadt sich im vergangenen Jahr dazu durchringen konnte, einen Tragschlepper anzuschaffen, empfindet Ernst als Segen. Mit ihm lassen sich die Stämme zumindest schon einmal zeitnah aus dem Wald an den Rand des Weges ziehen. "Der Borkenkäfer ist ein relativ träger Kamerad, der fliegt nicht weit. Jeder Meter Abstand zählt", ist er überzeugt.

Ginge es nach Ernst, könnte man auch überlegen, die gefällten Baumstämme mit einem chemischen Insektizid zu besprühen. Sie liegen am Wegesrand und warten auf Käufer. Aber in Heidelberg gebe es zwei Umweltzertifikate, die ihren Einsatz streng reglementieren und nur in Ausnahmefällen zulassen; ohnehin habe die Stadt die Verwendung von Chemikalien im Wald schon vor Jahren untersagt, erklärt der Förster."Könnten wir sie verwenden, wäre der Käfer tot. Das würde uns helfen, das Problem eher in den Griff zu kriegen", gibt Ernst zu bedenken.

Bevor er sich auf den Weg zu den Waldarbeitern macht, um mit ihnen den nächsten Tag zu planen, kontrolliert er noch eine Falle für Borkenkäfer. Der Blick hinein offenbart ein dunkles Wuseln. Ernst füllt die Insekten in ein leeres Nutella-Glas und schraubt es fest zu. "Proteine für meine Hühner", erklärt er knapp. Denn ihm mögen die Käfer zwar Kopfzerbrechen bereiten – Ernst weiß trotzdem, wer sich über sie freut.

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