Fachkräftemangel

So wirbelt Corona den Ausbildungsmarkt in der Region durcheinander

IHK Rhein-Neckar ruft dazu auf, auch in der Pandemie auf Ausbildung zu setzen - Bisher 18 Prozent weniger Verträge als im Vorjahr - "Fachkräftemangel hat kein Corona"

14.07.2020 UPDATE: 15.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Eine Auszubildende feilt an einem Werkstück: Die Corona-Pandemie hat auch den Ausbildungsmarkt durcheinander gewirbelt. Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Rhein-Neckar. Die Corona-Pandemie hat neben der Arbeitswelt auch den Ausbildungsmarkt durcheinander gewirbelt. Stellen konnten in der Zeit des Lockdowns nicht besetzt werden, manche Unternehmen haben aus wirtschaftlicher Not Ausbildungsplätze gestrichen, Jugendliche sich nach anderen Möglichkeiten umgesehen. Auch in der Region.

So wurden etwa im Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar bis Ende Juni gut 18 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr bis zu diesem Zeitpunkt, wie die Kammer am Dienstag mitgeteilt hat. Auch wenn die IHK von einem flächendeckenden Phänomen spricht, sind ihren Angabe nach eher kleine und mittlere Betriebe betroffen, weniger Großunternehmen. Besonders deutlich sei der Rückgang in den Branchen, die am stärksten unter der Corona-Pandemie und ihren Folgen gelitten haben, erklärt Harald Töltl, der als Geschäftsführer bei der IHK Rhein-Neckar für die Berufsbildung zuständig ist: also etwa im Handel und in der Gastronomie, wo Geschäfte und Restaurants ab Mitte März über Wochen geschlossen bleiben mussten. So seien Ende Juni im Handel 288 Ausbildungsverträge unterschrieben gewesen – und damit 91 weniger als im Vorjahr zu dieser Zeit.

Auch in manchen technischen Berufen liegt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge bisher deutlich niedriger als vor einem Jahr, fügt Tölt hinzu – beispielsweise in Industriebetrieben, deren Lieferketten zusammengebrochen seien und bei denen deshalb zum Teil nicht mehr gearbeitet werden konnte.

Als Hauptgrund dafür, dass bislang weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden, führt Töltl die wirtschaftliche Unsicherheit der Unternehmen an. Eine zweite Ursache ist seiner Ansicht nach die Tatsache, dass der Bewerbungsprozess in diesem Frühjahr schlicht nicht ablaufen konnte wie üblich: Bildungsmessen mussten abgesagt werden, Personalstellen waren schlechter zu erreichen, Bewerbungsgespräche schwieriger zu organisieren. Auch die jungen Leute seien zögerlicher gewesen, meint Töltl. So teilt auch die SRH bei einer RNZ-Umfrage zur Ausbildungssituation mit, in der Hochphase der Pandemie seien in manchen Bereichen wenige bis gar keine Bewerbungen eingegangen.

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Daher hofft die Kammer nun, wo die Corona-Beschränkungen zum großen Teil wieder aufgehoben sind, auf einen "Aufholprozess". "Wir gehen davon aus, dass die Ausbildungsplätze nicht tatsächlich in dieser Größenordnung wegfallen", erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Axel Nitschke. "Wir müssen jetzt alles daran setzen, den Rückgang deutlich zu verringern." Die IHK Rhein-Neckar tut das etwa, indem sie in Kampagnen für die Ausbildung wirbt und eine virtuelle Speed-Dating-Plattform anbietet. Wie viele Verträge nun bis zum theoretischen Ausbildungsstart am 1. September noch unterschrieben werden, ist allerdings nicht absehbar. Mit einem Minus im Vergleich zum Ausbildungsjahr 2019 rechnet die Kammer auf jeden Fall.

Um dem entgegen zu wirken, appelliert die IHK an die Unternehmen, ihre Ausbildungsplätze auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nicht zu reduzieren. Zudem ruft sie die Jugendlichen auf, ihre Ausbildungspläne nicht aufzugeben – und gerade in dieser Situation einfach einmal eine Initiativbewerbung abzuschicken. "Unternehmen freuen sich mehr denn je über Blindbewerbungen", so Töltl. Denn auch sie hätten in der Zeit des Lockdowns nicht wie gewohnt nach Bewerbern suchen können. Und noch gebe es viele freie Ausbildungsstellen – auch in der Region.

So haben Jugendliche auch bei hiesigen Unternehmen noch Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Wie aus der RNZ-Umfrage hervor geht, suchen etwa ABB, BASF, Heidelberg Cement und die SRH noch Bewerber für einzelne Stellen.

Von den Unternehmen, die auf die Anfrage zur Ausbildungssituation geantwortet haben, hat eigenen Angaben zufolge so gut wie keines die Anzahl der Ausbildungsplätze coronabedingt reduziert. Gerade bei großen Unternehmen liegt das auch daran, dass die Planung des Ausbildungsjahres oft schon im Frühjahr abgeschlossen ist und nun bereits die Bewerbungen für 2021 laufen.

Lediglich MLP teilt mit, dass der Wieslocher Finanzdienstleister für das nun startende Ausbildungsjahr ursprünglich mehr Plätze anbieten wollte, sich die Zahl jedoch aufgrund einer erneuten Bedarfserfassung und wegen der Corona-Situation verringert habe. Wo es weniger Stellen gibt als im vergangenen Jahr, wird das in aller Regel mit einem gesunkenen Bedarf begründet.

Dennoch hat die Corona-Krise Folgen: "Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind noch nicht vollends absehbar; die Unsicherheit in den Geschäftsbereichen macht sich aber bemerkbar", teilt etwa ein ABB-Sprecher mit. Auch bei Verbundpartnern merke man eine Zurückhaltung bei der Besetzung von Ausbildungsstellen.

"Corona beeinflusst natürlich die aktuelle Geschäftslage des Unternehmens", erklärt auch ein Sprecher von Heidelberger Druckmaschinen. Doch habe das Unternehmen eine demografische Aufgabe zu lösen. Deshalb erhöhe es, gegen den Trend, die Ausbildungszahlen für den Einstelljahrgang 2021.

Jetzt die Ausbildung zu stärken, dafür appelliert auch Harald Töltl von der IHK Rhein-Neckar. "Wer nicht Corona hat, das ist der Fachkräftemangel", sagt er. "Er wird uns verstärkt treffen, wenn wir jetzt nicht vorsorgen."

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