Neckar-Odenwald-Kreis

Pflegeeinrichtungen fühlen sich alleine gelassen

Schutzausrüstung ist in der Pflege von Alten und Kranken ein gefragtes wie rares Gut - Es gibt aber viele Probleme

10.04.2020 UPDATE: 12.04.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 26 Sekunden
In der Evangelischen Sozialstation Mosbach werden Stoffzuschnitte für Behelfsmasken vorbereitet, mit denen die Pflegekräfte ausgestattet werden sollen. Foto: Moscherosch

Von Ursula Brinkmann

Neckar-Odenwald-Kreis. Die Kräfte und Kleider, sie reichen – etwas salopp und verkürzt formuliert – nicht überall dort aus, wo alte, gebrechliche und kranke Menschen gepflegt werden. Damit die Corona-Krise sich nicht zu einer Pflege-Krise ausweitet, wird auch in diesem Bereich nach Antworten auf die Fragen nach ausreichend Schutzausrüstung und ausreichend Personal gesucht. Die RNZ hat bei Pflegeeinrichtungen und -diensten in der Region nachgefragt.

"Mit gewissen Vorkehrungen geht der ambulante Pflegealltag in Zeiten von Corona weiter", konstatiert Olga Arnold, Geschäftsführerin der Evangelischen Sozialstation Mosbach. Sie spüre, wie sehr den Mitarbeitenden das Wohlergehen der Patienten am Herzen liege, denn alle treten ihren Dienst an – trotz Virusangst und fehlender Betreuung der eigenen Kinder. Erleichtert ist Arnold auch darüber, dass keiner der Patienten bisher am Virus erkrankt sei. Allerdings seien gewisse Verunsicherungen nicht von der Hand zu weisen bei den Pflegebedürftigen, die zu Hause leben. "Viele Angehörige würden am liebsten keine Pflegekraft oder Hauswirtschafterin mehr in die Wohnung lassen."

Die Pflegebedürftigen mögen ihre Aufträge in der ambulanten Pflege und der Hauswirtschaft doch bitte nicht zurückziehen, wünscht sich Geschäftsführer-Kollege Marcus Dietrich lokale Solidarität mit den beiden Tagespflegeeinrichtungen der evangelischen Sozialstation in Haßmersheim und Neckarburken, die vorübergehend geschlossen seien und erhebliche Einnahmeausfälle verzeichneten. Für das Hauptproblem fehlender Gesichtsmasken aber sind kreative Lösungen gefunden worden: Mitarbeitende und Ehrenamtliche nähen fleißig Behelfsgesichtsmasken aus Stoff. Ebenso wollen die Firma "Betten-Stumpf" aus Aglasterhausen, die Kolpingfamilie Mudau sowie die Näherinnen der Eichhörnchen-Nothilfe "Villa Nusspli" aus Billigheim selbst gefertigte Gesichtsmasken an die Evangelische Sozialstation spenden.

Wohn- und Pflegeheime in der Region müssen sich in Corona-Zeiten besonders schützen. Rein dürfen nur noch die, die die Alten, Kranken und Dementen betreuen. Foto: Ursula Brinkmann

Bei der Schwesterorganisation, den katholischen Sozialstationen in Mosbach und Buchen, fühlt man sich in der ambulanten Pflege allein gelassen. "Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte klagen in den Medien über fehlende Schutzausrüstung, aber wann sollen wir denn drankommen?", fragt Pflegedienstleiterin Elvira Hoffmann. FFP-Masken habe man ebenso wenig wie Schutzkittel, vors Gesicht werden Schutzmasken aus der Odenwälder Steppdeckenfabrik oder solche gezogen, die fleißige Näherinnen gespendet haben. Personell ist die Lage ebenfalls dürftig; viele Krankmeldungen, aber keine (!) Corona-bedingten. "Auch herrschen Angst und Unsicherheit – bei unseren Mitarbeiterinnen und bei unseren Klienten, die mitunter heftig reagieren, wenn wir ohne Schutzkittel erscheinen." Hoffmann unterstreicht, dass der Bedarf an Schutzausrüstung wirklich dringend sei, da man ja auch Patienten mit anderen Infektionen zu versorgen habe. "Es gibt nicht nur Corona, auch wenn viele das im Moment denken."

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Die Ängste kennt man beim DRK Mosbach ebenfalls. "Das Tragen eines OP-Mundschutzes ist das Mindeste, was Klienten der ambulanten Pflege erwarten", teilt DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Steffen Blaschek mit. Ohne diesen erhalte man in der Regel keinen Einlass mehr in Wohnungen. Über Schutzausrüstung verfüge man noch, müsse aber sparsam damit umgehen. Weil mit hohen Bestellmengen die Versorgung verbessert werden könne, hat das DRK einen eigenen Logistikbereich aufgebaut und sorgt für Nachschub über den eigenen Verband hinaus sowie in Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen, Arztpraxen, Pflegediensten und Pflegeheimen.

Letztere stehen allgemein gerade im Fokus, weil es auf Bundesebene in einigen wenigen zu gehäuften Todesfällen kam. In den hiesigen Veröffentlichungen wurden auch zwei Pflegezentren im Kreis erwähnt. Bei "Vitalis" in Aglasterhausen hatte sich eine Bewohnerin mit dem Virus infiziert. Sie starb in den Neckar-Odenwald-Kliniken. Hausleiterin Henriette Gelhausen-Burgbacher betont gegenüber der RNZ, dass dies der bisher einzige Corona-Fall in ihrem Hause gewesen sei und (bisher) sonst niemand (weder Mitarbeiterschaft noch Bewohner) betroffen sei. "Alle Kontaktpersonen wurden getestet." Viel wichtiger aber ist ihr die Feststellung, dass es aktuell (und logischerweise) eher stressig sei, sie aber auf eine hoch motivierte Belegschaft zählen könne. "Auf die bin ich stolz!"

Im ASB-Seniorenzentrum "Am Elzpark" in Mosbach hat es eine infizierte Person gegeben, aber keinen Todesfall. "Die Person befindet sich seit dem 30. März in der Klinik. Es geht ihr derzeit schon deutlich besser", teilt man aus der Heilbronner ASB-Zentrale mit. Alle Bewohner des Wohnbereichs seien ebenso wie die Mitarbeiter getestet worden – der Großteil der Ergebnisse liege vor und sei negativ. Beim ASB ist man derzeit in der "glücklichen Lage", genug Schutzausrüstung zu haben. Aber: "Die derzeitige Materialknappheit stellt uns sowohl in der Pflege als auch im Rettungsdienst vor große Herausforderungen", so ASB-Sprecherin Katharina Faude, die über die personelle Situation sagt: "Das Team in Mosbach ist guter Dinge."

Im Wohn- und Pflegezentrum Hüffenhardt, das noch diesen Monat zu den Neckar-Odenwald-Kliniken und ab 1. Mai zur Domus-Cura GmbH gehört, beurteilt Carmen Nechwatal, stellvertretende Pflegedienstleiterin, die Ausstattung mit Schutzkleidung und Mundschutz lakonisch: "Wir haben nicht nichts, aber gut ist es auch nicht." Die Beschaffung läuft über die Kliniken, von da werde man nach Kräften unterstützt.

In einer anderen Situation sind jene privaten 24-Stunden-Pflegedienste wie die von Anette Naumann in Sattelbach gegründete Agentur "Mit Herz & Hand". Denn die Betreuer(innen) aus Tschechien oder der Slowakei leben mit der Person, für die sie rund um die Uhr da sind, auf Zeit unter einem Dach. In diesen Hausgemeinschaften brauche man keinen besonderen Schutz, allerdings sei es problematisch, selbst einfache Masken zu bekommen. "Wir werden selbst genähte besorgen." Zu einem Problem aber wurden die aus Angst vor Ansteckung eiligst noch in die Heimat ausreisenden Betreuerinnen, die teils abenteuerliche Wege angetreten hätten. Andere konnten oder wollten nicht mehr nach Deutschland einreisen. "Für die, die ausharren, ist die Belastung höher, da ergänzende Hilfen wie die Tagespflege wegfallen", berichtet Anette Naumann. Wer in einer "guten Familie" arbeite, freue sich, hier in Sicherheit zu sein. Und dann appelliert sie noch an die in der Politik Verantwortlichen: "Wir warten dringend auf eine Regelung zum geregelten Grenzübertritt für Pflegekräfte in Familien."

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