Heidelberg

Kita-Alltag im Krisenmodus

Nur wenige Eltern nehmen die Notbetreuung in Anspruch - Schwierige Situation für Erzieherinnen

18.03.2020 UPDATE: 19.03.2020 06:05 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
In den Fluren werden bald deutlich weniger Rucksäcke hängen. Denn ab Dienstag gibt es in Baden-Württemberg nur noch eine Notbetreuung in Kitas und Schulen. Symbolfoto: dpa

Von Timo Teufert

Heidelberg. Sie sind im Moment unheimlich wichtig, weil sie die Kinder von Ärzten, Krankenschwestern, Pflegekräften und vielen anderen Menschen, die im Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur arbeiten, betreuen. Doch selbst gehören Erzieherinnen in Kindertagesstätten nicht zu dieser Personengruppe. Deshalb tut sich für einige ein Problem auf: Wer kümmert sich um ihre Kinder, wenn sie auf den Nachwuchs von Eltern aufpassen, bei denen beide im Bereich der kritischen Infrastruktur arbeiten? Noch dazu, wenn sie selbst oder ihr Kind zu der Gruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einer Coronavirus-Erkrankung zählen?

Eigentlich sollten sie dann zu Hause bleiben können, so wie das auch bei den Mitarbeitern der Kindergärten der katholischen Stadtkirche praktiziert wird. Bei den Einrichtungen der Stadt hingegen mussten am Dienstag alle Erzieherinnen zum Dienst erscheinen – ob sie selbst oder ihr Kind gefährdet sind, spielte keine Rolle. Die Stadt teilte ihren Mitarbeitern mit, dass sie für die Betreuung ihrer Kinder Plusstunden abbauen oder Minusstunden aufbauen, Resturlaub oder neuen Urlaub nehmen könnten. Problem: Da es feste Schließzeiten der Einrichtungen gibt, haben Erzieher meist nur eine Woche flexiblen Urlaub. Thematisiert wird im Rundschreiben auch die unbezahlte Freistellung.

"Man lässt uns im Regen stehen", ärgert sich eine Erzieherin, deren Sohn zur Risikogruppe gehört. Für Bundesangestellte gebe es bereits eine Regelung, die bezahlten Sonderurlaub für die Kinderbetreuung vorsehe.

Die Stadt bestätigte gam Mittwoch das Vorgehen: Man ermögliche Personen, die zur Risikogruppe gehörten, eine Tätigkeit im Home-Office. "Ist dies aufgrund der Aufgaben nicht möglich, kann eine Risikoeinschätzung für eine weitere Beschäftigung durch den behandelnden Arzt erfolgen. Kann im Ergebnis keine weitere Beschäftigung erfolgen, ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich. Nur wenn eine solche Bescheinigung durch den Arzt nicht ausgestellt wird, ist der Beschäftigte dem Grunde nach verpflichtet, seine Arbeitskraft einzusetzen oder die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit und Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen."

Auch interessant
Coronavirus: Corona-Ticker Baden-Württemberg - Archiv
Heidelberg: Ab Dienstag werden kaum noch Kinder betreut
Notbetreuung steht: Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen sind auf die Corona-Krise vorbereitet
Absagen wegen Coronavirus: Auch die Heidelberger Schlossfestspiele sind nun abgesagt (Update)
Coronavirus: Die Chronologie der Ereignisse (Update)
Corona-Ticker Baden-Württemberg: Keine aktuellen Lageberichte mehr

Myriam Lasso, die Leiterin des Kinder- und Jugendamtes und damit zuständig für die Kitas, berichtet im RNZ-Gespräch von den Herausforderungen, die die Rechtsverordnung des Landes mit der Notversorgung für sie und ihre Mitarbeiter mit sich brachte. "Wir wussten nicht, wie groß die Nachfrage ist", so Lasso. Deshalb habe man sich gut vorbereiten müssen. Von den über 6000 Kindern, die in die städtischen Kitas gehen, sind nun aber nur 170 in der Notbetreuung. "Der Anspruch des Landes, dass Kinder von Eltern, die in der kritischen Infrastruktur tätig sind, betreut werden, hat für uns oberste Priorität", so Lasso. Schließlich müsse die Gesundheitsversorgung gesichert werden.

Was ihre Mitarbeiter angeht, sagt Lasso: "Bei Vorerkrankungen entscheiden wir auf Sicht und Augenhöhe." Man brauche aber noch mindestens bis Montag, um zu wissen, wie viel Personal in den 23 Kitas benötigt werde. Lassos Tipp: "Jeder, der Sorge um seine Gesundheit hat, soll sich krank schreiben lassen. Das ist das Mittel der Wahl."

Auch bei den freien Trägern findet die Notbetreuung statt: "Die Zahl der betreuten Kinder wechselt von Tag zu Tag", berichtet Nicola Krüssenberg-Wegener, Geschäftsführerin Kindergärten der katholischen Stadtkirche. Gestern waren es 27 betreute Kinder, sonst sind es 800. Da es in zwei Einrichtungen keine Anmeldungen für die Notbetreuung gab, hat man die Kindergärten St. Paul auf dem Boxberg und St. Vitus in Handschuhsheim geschlossen.

Die Mitarbeiter, die nicht für die Notbetreuung gebraucht werden, sind freigestellt. "Auf Anweisung des Erzbistums unter Fortzahlung ihrer Bezüge", erklärt Dominik Dieter, Sachgebietsleiter Kindergarten-Verwaltung beim katholischen Dekanat Heidelberg/Weinheim. Wer von den Mitarbeitern zu einer Risikogruppe gehört, kann sich ebenfalls freistellen lassen. "Es funktioniert ganz gut, weil wir solche Personen gar nicht einsetzen wollen", so Dieter. Stattdessen bekommen die Erzieher Arbeit mit nach Hause: "Es müssen Entwicklungsdokumentationen geschrieben, Elterngespräche vorbereitet und Konzeptionen weiterentwickelt werden", beschreibt Dieter die Aufgaben. Die Kita-Leitungen brauche man hingegen im Moment noch, weil es viel zu organisieren gebe. "Ich denke aber, dass bis Ende der Woche die Arbeit weiter heruntergefahren wird", sagt Dieter.

"Bei uns sind nur die Kitas geöffnet, wo es Anmeldungen für die Notbetreuung gibt", berichtet Olga Schorr, Geschäftsführerin der evangelischen Stadtkirche. In sechs der 16 Kitas findet zurzeit die Notfallbetreuung für 24 Kinder statt. Sonst werden in diesen Kitas 850 Kinder umsorgt. Über mögliche Freistellungen der Mitarbeiter will Schorr nicht sprechen. Beim Studierendenwerk gibt es Anmeldungen von 30 Kindern für die Notfallbetreuung, gestern waren es 14 Kinder in den sogenannten Blaulichtgruppen, die von neun Erzieherinnen betreut wurden. "Alle anderen Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt und werden weiterbezahlt", erklärt Timo Walther, Referent der Geschäftsführung beim Studierendenwerk.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.