Rugby-Europameisterschaft

Ist das die Talsohle?

Bei der 20:33-Niederlage in Heidelberg gegen die Schweiz zeigten die Deutschen eine erschreckende Leistung

01.03.2020 UPDATE: 02.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Von Gedrängehalb Mathurin genial angespielt, erreicht Luke Wakefield im Hechtsprung das Malfeld der Schweiz und erzielt den Versuch zum 15:13. Foto: F&S

Von Claus-Peter Bach

Heidelberg. Nachdem am 23. November letzten Jahres 2731 Zuschauer im Fritz-Grunebaum-Sportpark nach der 7:37-Niederlage der deutschen Rugby-Nationalmannschaft erschrocken waren, kamen am Samstag nur noch 1239 Rugby-Fans ins Heidelberger Stadion. Wieviele Besucher werden es am 21. März zum letzten Heimspiel der Europameisterschafts-Saison 2019/20 gegen Litauen sein?

Diese und viele weitere bange Fragen mussten sich die Verantwortlichen des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) nach der 20:33 (20:16)-Niederlage gegen die Schweiz gefallen lassen, die erste Pflichtspielschlappe gegen die Eidgenossen überhaupt, das Ergebnis einer zweiten Halbzeit, in der überhaupt nichts gelingen wollte und kein Aufbäumen zu erkennen war. Angesichts dieser miserablen Vorstellung überraschte die Zuversicht des Stürmertrainers Alexander Widiker (Heidelberg): "Wir wollten eigentlich schnell spielen und gewinnen. Aber keine Sorge: Gegen Litauen holen wir fünf Punkte!" Cheftrainer Melvine Smith blieb der Pressekonferenz fern und plauderte auf dem Platz mit Freunden...

Fünf Punkte sind auch notwendig, wenn die DRV-Fünfzehn das Abrutschen in die EM-Division 3 verhindern will. Doch man darf ganz sicher sein, dass die Balten, deren einzige Markenzeichen ein unbändiger Kampfgeist und eine starke körperliche Verfassung sind, nicht nach Heidelberg kommen werden, um die Punkte kampflos abzuschenken.

Johannes Schreieck donnert auf die Defensive der Eidgenossen zu. Foto: Kessler

Die Deutschen werden sehr viele Dinge besser machen müssen als bei den Niederlagen gegen Tabellenführer Niederlande und den Tabellenzweiten Schweiz, dessen Präsident Peter Schüpbach unverhohlen bekannte: "Wir haben uns monatelang intensiv auf dieses Spiel vorbereitet. Nun sind wir stolz, gegen die größere Rugby-Nation Deutschland endlich einmal gewonnen zu haben." Im Leitungsteam der Fédération Suisse de Rugby (FSR) wirkt übrigens die Neuenheimerin Barbara Frauenfeld mit, die viele gute Nachrichten per social media in ihre Wahlheimat absenden durfte.

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Die deutsche Mannschaft begann sehr fehlerhaft und kam, wie Alexander Widiker ganz treffend bemerkte, "irgendwie nie richtig ins Spiel." Das lag daran, dass das angeordnete Gedränge zu schwach war, wackelte, zappelte, zusammenkrachte und keine sauberen Angriffsbälle produzierte. Es lag an der läuferischen Immobilität einiger Stürmer, die permanent zu spät an den Kontaktpunkten eintrafen. Und es lag an mangelndem Krafteinsatz gegen das geschickt und machtvoll rollende Paket der Schweizer, die auch den Eindruck vermittelten, dieses Spiel mehr gewinnen zu wollen als die Deutschen, deren Mannschaftsgefüge durch die Vielzahl von Einwechslungen nicht stabiler wurde. Die deutschen Trainer neigen neuerdings wieder dazu, unsinnige Länderspielgeschenke zu verteilen – das macht man eigentlich nur dann, wenn man hoch führt und besonderen Trainingsfleiß belohnen möchte. Dazu aber bestand kein Anlass.

Die beiden deutschen Trainer Melvine Smith und Alexander Widiker suchen nach den richtigen Worten. Foto: Kessler

Denn aus wirtschaftlichen Gründen hatte der Verband sein Nationalteam – das Aushängeschild! – erst am Freitagabend in Heidelberg versammelt. Ein Training musste genügen, um sich für den Kampf gegen die Schweizer zu wappnen. Kein Wunder, dass eine spielerische Einheit nicht zu entdecken war. Kein Wunder auch, das zahllose Regelfehler und technische Schwächen zu 15 Straftritten gegen Deutschland führten. Simon Perrod trat sieben Mal zum Goal, traf sechs Mal ins Ziel und ein Mal die Stange.

Zwischen der 20. und 40. Minute spielte das deutsche Team gut und schaffte es tatsächlich zwei Mal, die Verteidigungslinie der Schweizer zu durchbrechen. Aus dem 3:13 wurde durch die Versuche von Johannes Schreieck und Luke Wakefield ein 17:13, die 20:16-Halbzeitführung ließ hoffen. Schreieck, ehemaliger Zehnkampfmeister der Pfalz, profitierte von einem durch Robert Lehmann abgeklatschten Ball. Wakefield wurde von Pierre Mathurin wundervoll angespielt und hatte freie Bahn.

Doch nach der Pause liefen die Deutschen nur noch ermattet hinterher, auch in der 70. Minute, als Niklas Hohl – neben Marcel Becker, Johannes Schreieck, Pierre Mathurin und Luke Wakefield auf gutem Niveau – einen Konter über 70 Meter lief und niemand herbeieilte, um den möglichen Versuch zu vollenden.

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